Bangkok glitzert, verwirrt und bewegt, Koh Samui verzaubert, verwöhnt und entspannt. Beides nach­einander erlebt, summiert sich zu einem leichten inneren Chaos und ergibt irgendwie dennoch (oder gerade deshalb) eine unvergessliche Zeit.

Text: Carolin John

Eigentlich habe ich alles falsch gemacht. Und trotzdem gewonnen, an Einsicht und Glück. Ich habe das Essen aus den offenen Garküchen in den Straßen Bangkoks verweigert. Aus dem Grund, weil mir die Bilder einer kritischen Fernsehreportage nicht aus dem Kopf gingen; ich habe mich übers Ohr hauen lassen, und habe den König beleidigt – trotzdem komme ich mit einem Lächeln aus Thailand zurück.

»What do you want to buy: jewellery, clothes, food?«,

fragt uns ein Thai, ehe er uns in ein Tuk-Tuk, eines der überdachten Zweitaktmotorräder, bugsiert und mit dem Fahrer einen spottbilligen, ein Zehntel von dem von uns zuvor für eine Fahrt bezahlten Preis verhandelt. Nach fünfzehn Minuten Fahrt durch den schwülen Großstadtverkehr lösen wir uns von den Plastiksitzen und stehen nicht mitten in einem lebendigen, bunten Markt, sondern in einem schnöden, grauen und einsamen Hinterhof.

Sven Scheuermeier

Geheimes Shopping in Bangkok

An ein Moped gelehnt, trainiert ein Thai seine Fingermuskeln, indem er die Griffe einer Zange immer wieder auf und zu quetscht und uns dabei mit seinem Blick fixiert. In der Sonne steht ein Teller mit blutroten Fleischscheiben, um die sich ein paar Fliegen tummeln. Sonst tummelt sich hier niemand. Wir stehen im Hof herum, als uns ein junger Bursche in eine mit einem Schiebetor verriegelte Garage komplimentiert. Mit Betreten der Garage schiebt er das Tor hinter uns zu. Ich zähle im Kopf meine Wertsachen zusammen und überlege, welchen Gegenstand ich als Waffe gegen den Fingerquetscher einsetzen könnte. Doch dann kommt alles anders. Wir haben die Freiheit einer zweifelhaften Wahl: Rolex oder Cartier, Louis Vuitton oder Mulberry. In einer Vitrine liegen Dutzende Uhren, Ledertaschen werden herbeigebracht und auf die Vitrine gestellt. Wir entscheiden uns für ein Weder-Noch. Als wir das Garagentor von außen zuschieben, ist der Tuk-Tuk-Fahrer fort.

Eine Fahrt auf dem Chao Phraya

Nach dem Mittagessen beschließen wir, eine Exkursion über die Wasserstraßen Bangkoks zu machen. Flüsse sind überschaubar, sie haben ein Anfang und ein Ende, und sie münden in keinen Hinterhof, aber in ein ewiges Gewässer. Buddha höchst selbst soll die Erleuchtung am Ufer eines Flusses erfahren haben. Das schmale Longtail-Boot gleitet durch das Wasser des Chao Phraya wie eine Natter. Wir biegen ab in einen Khlong, einen kleinen Seitenarm des Flusses. Die Wohnungen, die aus Holz auf Stelzen ins Wasser gebaut sind, lassen uns in ihr Verborgenes blicken, in die spärlich möblierten Wohnzimmer. Fensterglas gibt es nicht, ebenso wenig wie Türen. Behängte Wäscheleinen schützen vor weiteren Einsichten, nicht jedoch vor Hochwasser. Schwimmende Krämerläden gleiten paddelnd vorbei, bieten Suppen und Snacks an.

Hervey Enrile

Bangkok war, man kann es sich angesichts der heute zwölf Millionen Einwohner nur schwer vorstellen, im 18. Jahrhundert noch ein kleines Fischerdorf, das von einem dichten Netz von Kanälen, eben den Khlongs, durchzogen war. Das Leben und Arbeiten, selbst die Märkte – daher die bis heute erhalten gebliebene Tradition der schwimmenden Märkte – fand auf dem Wasser statt. Im 19. Jahrhundert wurden dann fast alle Khlongs zugeschüttet, um Raum für die stetig wachsende Stadt zu schaffen.

Ein Abend im Lumpini-Stadion in Bangkok

Abends schlendern wir am Lumpini-Stadion vorbei, obwohl uns der Concierge Karten für den an diesem Abend stattfindenden Kampf organisiert hat. Das Stadion, in dem in dieser Nacht wieder Wetten abgeschlossen und und einige Muay-Thai-Anhänger ihr gesamtes Vermögen verlieren werden, auch wenn das Wetten offiziell verboten ist, liegt noch im Dunklen. Ob Stöße gegen die Rippen, die Brust oder ins Gesicht, mit den Fäusten, dem Knie oder dem Ellbogen – Thai-Boxen ist so brutal wie blutig und gehört zu Thailand wie die Orchideenblüte und Buddhas Lächeln. Muay Thai, wie das Thai-Boxen auf Thailändisch genannt wird, die Kunst des waffenlosen Kampfes, diente einst dem Erhalt der Unabhängigkeit, heute ist die ehemalige Kriegskunst eine der härtesten Sportarten der Welt. Selbst im Training führen die Tritte und Schläge oft zu Knochenbrüchen und Knock-outs.

Thomas Sauzedde/flickr.com

Wir gehen vorbei an der Kampfesstätte, überqueren eine Straße, die den Charakter einer Autobahn hat, klettern über die kniehohe, steinerne Mittelleitplanke und erreichen bald den Park. Wir gehen durch ein schmiedeeisernes Tor, hinein in den Lumpini-Markt, einen der zahlreichen Nachtmärkte Bangkoks, auf dem bunte Lampions, goldene Statuen, Gebäck aus Burma, Seide aus Chiang Mai, Designerstühle aus Skandinavien angeboten werden, daneben die bepinselten Leinwände eines freischaffenden jungen thailändischen Künstlers und eine Ladenparzelle weiter die von Punk, Manga und Lady Gaga inspirierten Entwürfe einer Modeschneiderin: zerschnitte T-Shirts mit Farbgraffiti, Pluderhosen und dazu Jackie-O.-Sonnenbrillen oder Haarreifen, die von roten Plastikschleifen geziert werden. Und zwischendrin: Taschen, Schmuck und Poloshirts, täuschend echt. »Hier, wie wär’s damit?« Jule entfaltet eine Designerjeans in Kindergröße, ich lehne die Aussicht auf eine Knackfigur dankend ab.

Es riecht nach gebratenem Fett, gegrillten Bananen und süßem Sticky-Rice. Aus der Ferne dröhnen die Bässe einer Band, die ihren Liveauftritt zum Üben nutzt. Auch ich übe noch – mich einzulassen auf die Intensität der Stadt. Zwei Chang-Bier und einen Monsunregen später, den wir mit anderen Fremden, Einheimischen und jungen Backpackern unter einer Plastikplane stehend verbringen, findet so etwas wie eine Annäherung an das Leben in Bangkok statt. Gespräche, Scherze, Fragen. Beseelt laufen wir durch die nass glänzende, tropische Nacht zurück zum Hotel. Geht doch.

Ninara/Flickr.com

Wat Pho: Tempel des Glücks

Von den über 400 buddhistischen Tempeln Bangkoks, den Wats, die golden und ornamental in der Dämmerung die ersten oder die letzten Sonnenstrahlen des Tages vervielfachen, besuchen wir am nächsten Morgen den berühmtesten: Wat Pho. Zwischen den Wolkenkratzern, Business- und Shoppingcentren trotzen die Tempelanlagen mit ihren Jahrhunderte zurückreichenden Wurzeln und durch die gelebte Tradition der raumgreifenden Modernisierung. Sie sind Orte der Besinnung und Zelebrierung von Buddhas Lehren, zu denen grenzenloses Mitfühlen, Wahrhaftigkeit, Toleranz, Barmherzigkeit, Achtsamkeit und Konzentration, die Vertiefung ohne Abschweifung gehören, die durch Meditation erreicht werden kann und zu einer höheren Bewusstseinsebene führt.

Für Thailänder ist der Weg zum Glück so einfach wie selbstverständlich. Glücklich ist der, der Gutes tut. Und wenn man gerade keine Zeit hat, vielleicht zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist, kann man Glück sogar kaufen. Genauer gesagt: Man kann durch Spenden auf ein Stück Glück hoffen. Im Tempel Wat Pho zum Beispiel laden 108 aneinandergereihte kugelförmige Klangschalen dazu ein, mit jeder Befreiung von einer weiteren Münze sein Glück zu vermehren. Oder das der Mönche, die auf Spenden angewiesen sind, von denen die Klöster dann Duschgel, Zahnpasta und Schokoriegel kaufen, ein Care-Paket packen, mit dem man die orange gekleideten Mönche durch die Hauptstadt huschen sieht.

»Tue Gutes, und auch dir wird Gutes widerfahren!«

TV-Soaps sind der Spiegel der thailändischen Seele. Oder?

Doch weil das gar nicht immer so einfach ist und auch das Hässliche so schön sein kann, gehören die Daily Soaps im thailändischen Fernsehen wie der Schatten zum Licht. Sie zeigen besonders anschaulich die Ambivalenz des täglichen Lebens: Während Küsse und innige Umarmungen auf der Straße verboten sind, werden in den Soap-Serien Moralvorstellungen flexibel ausgelegt, es wird gelästert, intrigiert und gemordet.

Ein typischer Handlungsstrang einer Thai-Soap geht etwa so: Eine neidische und gierige Geliebte wirft die schwangere Gattin des Chefs über Bord in den Chao Phraya. Die tot geglaubte Gattin wird von einem emsigen Fischer aufgelesen. Sie hat jedoch ihr Gedächtnis verloren und gründet mit dem Fischer eine neue Familie. Die Geliebte heiratet ihren Chef, der viele Jahre später seinen Tod nahen sieht und noch einmal an den Ort des Unfalls zurückkehrt. Er verliebt sich im Hotel in ein junges Mädchen, das seiner verstorben geglaubten Frau ähnlich sieht und selbstverständlich seine Tochter ist. Er macht sich an sie heran. Und das ist noch nicht einmal der Inhalt der Serie, sondern nur die Vorgeschichte.

»In den Soaps wird das gezeigt, was im Alltag unmöglich ist«, erklärt unser Guide Betty die Faszination, und das mache sie »irgendwie unterhaltsam«.

Auch für Fremde – nicht als Ventil für unbewusste Wünsche, sondern als eine Art exotische Realitätsreflexion und auch ein bisschen schräge Konstruktion; das dritte Geschlecht, grell geschminkte Lady-Boys, die »Kathoeys«, gehören in den täglichen Thai-Serien ebenso zum Figurenrepertoire wie böse Geister.

Von Bangkok auf nach Koh Samui

Nach dem Check-in nach Koh Samui am Flughafen in Bangkok erkunde ich das Angebot der Drogerie. Nicht Selbstbräuner, sondern Bleichcremes entdecke ich, lasse mir von der konsequent lächelnden Verkäuferin Puderblättchen und Pinzetten mit Kirschblütendekor zeigen und gehe zur Kasse. Lächeln, Nicken, Lächeln, Bezahlen. Ich packe das Wechselgeld in mein Portemonnaie. Zugegebenermaßen, ein sehr kleines Reiseportemonnaie, bei dem man die Scheine falten muss. Das Lächeln verschwindet aus den Gesichtern. Das Personal schaut auf den Boden, würdigt mich keines Blickes mehr und auch der Abschiedsgruß bleibt mir versagt.

Im Flieger lese ich, dass man einen im Wind wegflatternden Geldschein nicht mit einem beherzten Schritt per Schuh festhalten darf. So würde man doch auf das Gesicht des auf dem Schein abgedruckten Königs treten. Das käme einer Majestätsbeleidigung gleich und wird sogar strafrechtlich geahndet. Falten und Knittern gehören offenkundig auch dazu. Ich schließe die Augen und träume von einem größeren Portemonnaie, diesmal von einem rein äußerlich größeren. Und schlafe ein. Am Ende ein sanftes Erwachen. Landung auf Koh Samui.

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Benzin tankt man auf Koh Samui nicht, man kauft es in Glasflaschen. Nur ein kleines, zumeist handgemaltes Schild mit der Aufschrift »Gasoline« verrät, dass es sich bei der goldgelben Flüssigkeit in den klaren wie an einer Bar aufgereihten Flaschen vor einem Shop nicht um Whisky oder braunen Rum handelt, sondern um Kraftstoff. Nachts, in Chaweng, dem touristischen Zentrum Koh Samuis, sind die schönsten Frauen des Abends Männer: mit Strapsen, Federboas, dramatisch langen Wimpern.

Ein Segelboot bringt uns am nächsten Tag auf eine (fast) einsame Insel. Eine Insel, auf der nur ein Aussteiger, seine Frau und sein Hund in einer Holzhütte leben. Sie bieten den Ankömmlingen für 50 Baht an, eine Kokosnuss vom Baum zu holen und diese mit der Machete zu öffnen und einem Strohhalm zu garnieren. Wir möchten – und legen uns mit dem Kokosnussdrink in den heißen Sand, die Füße im türkisblauen Wasser.

Weitere Infos für eine Reise nach Bangkok und Koh Samui

Internet. Offizielle Website des thailändischen Fremdenverkehrsamtes, Kirchnerstraße 6-8
60311 Frankfurt. Tel.: 069 1381390, E-Mail: info@thailandtourismus.de

Anreise. Thai Airways fliegt nonstop von Frankfurt/Main und München nach Bangkok und von dort weiter nach Koh Samui. Tipp: Entspannen Sie bei einem Stopover in Bangkok bei einer Massage im »Royal Spa«.

Hotel. Banyan Tree Resort & Spa Bangkok. 21/100 South Sathon Road, Sathon, Bangkok 10120. Und das Banyan Tree auf Koh Samui. 99/9 Moo 4 Maret, Ko Samui, Suratthani 84310.

Lektüre. Roger Willemsen und Ralf Tooten: Bangkok Noir. München: Fischer-Verlag 2012. € 15. Die persönlichen Thailand-Tipps der Autorin finden Sie hier.

Beste Reisezeit. Im Winter und im Frühjahr (November bis März). Die Durchschnittstemperaturen liegen während des ganzen Jahres bei 30 Grad Celsius.