Deutschland wandert in diesem Sommer. Und wie: Die Besucherzahlen auf einigen Wanderwegen steigen ins Astronomische. Doch das bringt auch Probleme wie Müll und Lärm mit sich. Wer Wert auf Einsamkeit in der Natur legt, sollte auf weniger bekannte Wanderwege ausweichen. Die gibt es in Hülle und Fülle.

Dass viele Deutsche in diesem Corona-Sommer auf eine Urlaubsreise ins Ausland verzichten, ist längst kein Geheimnis mehr. Zahlreiche Umfragen der vergangenen Wochen zeigen, dass wegen der Corona-Krise viele Deutsche entweder zu Hause bleiben, Tagesausflüge unternehmen oder Urlaub in Deutschland machen. Besonders hoch im Kurs: das Wandern in Deutschland. Dieser Eindruck drängt sich angesichts der Rückmeldungen der Organisationen unter dem Dach des Deutschen Wanderverbandes (DWV) auf. Er vertritt die Interessen von 600.000 Wanderfreunden in Deutschland.

Wegweiser für Wanderer

Frank Albrecht

Wandern in Deutschland: Situation in manchen Regionen eskaliert

In manchen Regionen Deutschlands stoße die Wanderinfrastruktur bereits an ihre Grenzen, verlautbart es aus dem Verband. »Während der Corona-Krise ist die Situation in manchen Hauptwanderregionen eskaliert. Einige Bürgermeister im alpinen Raum lassen bereits die Zufahrten zu Wandergebieten sperren«, sagt Dr. Gerhard Ermischer, Präsident des Wanderverbandes Bayern. Kein Wunder: 56 Prozent aller Deutschen halten sich im Urlaub gerne in der Natur auf, wie eine GfK-Studie gerade ermittelt hat. »Viele Menschen entdecken das Wandern in diesem Jahr neu für sich und werden in den kommenden Jahren dabei bleiben. Es wird künftig also mehr Wanderinnen und Wanderer geben«, vermutet DWV-Geschäftsführerin Ute Dicks.

Wandern in Deutschland: Baumgartenschneid am Tegernsee

Daniel Seßler

Einen besonders großen Andrang verspürt der Goldsteig im Oberpfälzer- und Bayerischen Wald. Er gehört zu der illustren Schar an Qualitätswanderwegen in Deutschland. Sage und schreibe 660 Kilometer ist er lang. Er gilt als der längste und vielseitigste unter Deutschlands Qualitätswegen. Uwe Stanke, beim Tourismusverband Oberbayern für das Wegemanagement zuständig, sagt: »Für den Goldsteig verzeichnen wir Corona-bedingt eine deutliche Steigerung. An den Hot-Spots sind vor allem am Wochenende unzählige Wanderer unterwegs. Insgesamt sind auf unseren Fernwanderwegen dreimal so viele Wanderer wie in den Vorjahren unterwegs.« Auch im Erzgebirge in Sachsen registrieren die Touristiker eine größere Nachfrage. Seit Mitte Mai spüre man dort einen deutlichen Buchungsanstieg beim Paket »Wandern ohne Gepäck« auf dem Kammweg Erzgebirge-Vogtland, sagt Ute Florl vom dortigen Tourismusverband.

Extrem beliebt sind derzeit auch die Touren auf dem Soonwaldsteig in der Nahe-Region in Rheinland Pfalz. Insbesondere die Übernachtungen in den Trekkingcamps, seien beliebt, berichtet Ivana Kettern von der Naheland Touristik GmbH – draußen im Freien sein und die Natur erleben, sei momentan das Ziel vieler Reisender. Auch andere Fernwandernwege wie der der Hildegard von Bingen Pilgerwanderweg oder der Nahe-Weinwanderweg seien momentan sehr beliebt, genau so wie Weinreisen, so Kettern.

Plötzlich 90 statt 15 Personen bei Bergwiesen-Touren in Thüringen

Ralf Kirchner, Natur- und Höhlenführung, Gebietsbetreuer des Nationalen Naturmonuments »Grünes Band Thüringen«: »Wir haben auf dem Rennsteig spürbar mehr Begehungen als in den letzten Jahren. Die Leute kehren in unseren Wanderhütten ein und informieren sich hier spürbar häufiger zum weiteren Wegverlauf. Man sieht aber nicht nur viele Leute laufen, sondern auch am Werra-Radweg und Rennsteig Radweg – auf Trekkingrädern, Mountainbikes und eBikes.« Dazu komme, dass man auf Wanderwegen, auf denen man sonst oftmals fast alleine unterwegs ist, nun regelmäßig Leute trifft. »Juni und Juli konnte ich persönliches großes Interesse an meinen Bergwiesen- und Geo-Touren wahrnehmen. Nehmen sonst 10 bis 15 Personen teil, wollten kürzlich 90 Personen mit dabei sein«, berichtet er.

Wandern in Deutschland: Gruppe Menschen wandert Berg hinauf

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Aber auch Wanderregionen in der Nähe von großen Städten scheinen angesichts der Corona-Pandemie beliebt zu sein. Anet Hoppe von der tmu Tourismus Marketing Uckermark GmbH: »Die Uckermark vor den Toren Berlins ist aus dem Dornröschenschlaf erweckt. Das Wandern auf den zertifizierten Qualitätswegen erfährt eine große Nachfrage durch Gäste. Aber auch durch Journalisten, welche zum jetzt wieder attraktiven Thema Urlaub vor der Haustür berichten.«

Schattenseiten: Parkplatz-Probleme, Mountainbiker und Müll im Wald

Die gewachsene Popularität des Wanderns in diesem Corona-Sommer ist auf der einen Seite gut für die wirtschaftliche Entwicklung der meist ländlichen Regionen. Auf der anderen Seite ergeben sich daraus mancherorts Schwierigkeiten. Mitarbeiter des Nationalparks Harz etwa fanden in den letzten Wochen immer öfter Müll im Wald – seien es die Hinterlassenschaften eines Picknicks oder herausgeworfener Müll aus dem Auto. Und das ist keine Petitesse: »Uns wächst der Müll über den Kopf«, sagt Nationalparksprecher Friedhart Knolle. Problematisch seien vor allem Hauptwanderouten wie jene zum Brocken – und überall dort, wo eine Straße durchs Nationalparkgebiet verläuft.

Müllproblem: Dose Cola im Wald

DaYsO

Von anderen unschönen Begleiterscheinungen der vielen Touristen berichtet Heike Baumgärtner aus dem Informationszentrum Naturpark Altmühltal: »An besonderen Hotspots kommt es bei uns zu Problemen etwa mit überfüllten Parkplätzen. Außerdem nimmt die Zahl der Mountainbiker auf den Wanderwegen zu.« Laut Liane Jordan, beim DWV für die Qualitätsinitiative »Wanderbares Deutschland« zuständig, steigt aufgrund solcher Entwicklungen nicht nur die Menge des Mülls am Wegesrand. Auch die in diesem Corona-Sommer wichtige Einhaltung der Abstandsregeln und Hygienevorschriften sei zuweilen schwer.

Das bestätigt auch Uschi Regh von der Eifel Tourismus GmbH: »Zeitweise mussten und müssen an den Eifel-Wander-Hotspots wie den Maaren in der Vulkaneifel, im Nationalpark Eifel und an den Traumpfaden Besucherströme kanalisiert werden wegen der Einhaltung der Abstandsregelungen.

Nicht zu unterschätzen: Unfallgefahr steigt

Auch Oberstaufen im Allgäu erlebt einen Ansturm in die Bergwelt. Der Ort steht mit seinen Premiumwegen, Naturhighlights wie den Buchenegger Wasserfällen oder der Wanderung über die Nagelfluhkette schon seit vielen Jahren für Naturerlebnisse. Andrea Traubel von Oberstaufen Tourismus Marketing sagt: »Sowohl die Anzahl der Urlauber, die mehrere Tage in Oberstaufen verbringen sowie auch die der Tagesgäste aus dem näheren Umland hat in den letzten Wochen noch einmal zugelegt. Übervolle Parkplätze an den Bergbahnen, zugeparkte Notfallwege oder Weideflächen sind eine große Herausforderung für unsere Gemeinde, wie auch andernorts im Allgäu. Dazu kommt – mehr Menschen in den Bergen erhöhen gleichzeitig auch die Unfallgefahr – auch das ist leider erkennbar!«

Genug Ausweich-Wanderwege in Deutschland

Was könnte also eine Lösung der Probleme sein? Der Deutsche Wanderverband empfiehlt eine Entzerrung der Besucherströme, zumal auch bislang weniger bekannte Wege ein großes Potential böten. »Gerade für Wanderanfänger bieten sich hier die im gesamten Bundesgebiet verstreuten 245 Qualitätswege an, insgesamt fast 15.000 Kilometer. Da gibt es genug Ausweichmöglichkeiten«, sagt Jordan. Die Qualitätswege seien nicht nur besonders abwechslungsreich, sondern auch perfekt markiert. Eine Beruhigungspille hat sie denn auch für Wanderer, die zum ersten Mal auf Schusters Rappen unterwegs sind: »Da kann sich niemand verlaufen, also optimal für Anfänger«, so Jordan.

Weg und Landschaft im Thüringer Wald

Timotheus Frobel

Wie wäre es mit dem Oberlausitzer Bergweg oder Saar-Hunsrück-Steig?

Die Wegeexpertin hat auch Tipps für Qualitätswege, deren Reiz sich noch nicht herumgesprochen hat. Der Oberlausitzer Bergweg etwa biete tolle Fernblicke ins benachbarte Tschechien und über die Lausitz. Es locken idyllische kleine Orten und typische Umgebindehäusern. Fast in der Mitte Deutschlands liegt der Werra-Burgen-Steig. Er lockt mit stämmigen Buchen und vielen Sehenswürdigkeiten auf der hessischen Seite wie im benachbarten Eichsfeld in Thüringen. »Wer sportliche Auf- und Abstiege mag, sollte den Veldenzwanderweg in der Westpfalz ausprobieren«, so ihr Tipp.

Reh in hohen Gräsern

Patrick Müller

Auch Iris Müller von der Hunsrück-Touristik GmbH hat Tipps für alle, die Wandern in Deutschland auf ruhigen Strecken mögen: »Auf den Streckenwanderungen, wie z. B. dem Saar-Hunsrück-Steig, verläuft es sich. Das heißt, auch wenn einige unterwegs sind, so trifft man am Tage unterwegs doch nicht so viele andere Wanderer an. Dies ist auch auf dem Ausoniusweg so. Er verläuft zu großen Teilen auf einer ehemaligen Römerstraße von Bingen am Rhein über den Hunsrück nach Trier an die Mosel und ist seit einigen Jahren auch zusätzlich als Hunsrücker Jakobsweg mit der Jakobsmuschel ausgezeichnet.« Das mache ihn auch für Menschen interessant, die gerne pilgern, sagt Müller.

Neben schönen Wegen gehören perfekte Gastgeber zum gelungenen Wandern in Deutschland. Vom Allgäu bis nach Rothenburg an der Wümme, von der Eifel bis ins Ruppiner Seenland: Die bundesweit rund 1.500 geprüften Qualitätsgastgeber »Wanderbares Deutschland« bieten nicht nur kompetente Wanderberatung. Es gibt eine Wanderapotheke für kleinere Blessuren und Möglichkeiten, Kleidung und Ausrüstung unkompliziert zu trocknen. Selbst der Gepäcktransport zum nächsten Etappenziel lässt sich hier leicht organisieren.

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