Auf Rot folgt Blau. Wo? In Westaustralien. Wer braucht schon Ayers Rock, wenn er die Canyons von Karijini hat. Und wer braucht schon das Great Barrier Reef, wenn er am Ningaloo Riff schnorchelt. Ein Traum der Farben. Text: Jennifer Latuperisa-Andresen
Ein Wunder names Karijini
Die Cessna röhrt, die Beine bohren sich in den Sitz des Vordermannes, und das ist alles irrelevant, denn das Fenster eröffnet eine Sicht auf Westaustralien, die Van Gogh nicht hätte schöner malen können. Wasserlöcher, umrahmt von leuchtendem Grün, verwehte Dünen aus roter Erde, Regenbögen und immer wieder rote majestätische Steine. Prachtvoll.
Landung auf einer Piste irgendwo im 627.445 Hektar großen Nationalpark namens Karijini. Aborigines-Terrain mit einer jahrtausendalten Historie und zahlreichen sogenannten heiligen Plätzen. Warum diese für die Aborigines heilig sind, hinterfragt man nicht, sobald man sie gesehen hat – vielmehr ist man dankbar dafür, dass sie sich schützend vor die Natur gestellt haben, und vor die Orte, die in ihrer Kultur eine Bedeutung haben. Doch um diese zu sehen, wie beispielsweise den Fern Pool, bedarf es erst einmal einer kleinen Tour durch die Steppe des Hochplateaus. Helles grün umarmt das Beige. Staub liegt in der Luft und auf Petes Kleidung.
Ich und Canyoning? Äh – NEIN!
Pete ist mein Guide, und er flößt mir Angst ein, obwohl er ein bisschen wie ein Teddybär aussieht. Doch es ist seine Beschreibung der nächsten Tage, die mich aufhorchen lässt. »Wir erkunden während deines Aufenthalts tiefe Schluchten, waten durch Wasser, erklimmen Felsen und bestaunen menschenhohe Termitenbauten.« Was für eine Begrüßung für einen unsportlichen Angsthasen wie mich, der höchstens notgedrungen in ein Hochbett klettert und schon beim Hinabsteigen überlegt, ob vorwärts oder rückwärts die cleverere Variante ist. »No worries (keine Sorge)« , entgegnet mir Pete. Sein Lieblingssatz, wie ich spätestens nach zwei Stunden feststelle. »Pete, ich hab Höhenangst, geht das nicht zu steil bergab?« »No worries.« »Pete, ich bin noch nie frei geklettert, nicht mal auf einem Spielplatz.« »No worries!« »Und ich bin zudem total ungeschickt und die Erste, die irgendwo reinfällt oder sich den Kopf stößt.« Seine Antwort kann ich mir sparen. Widerstand zwecklos, und deshalb steige ich rein in den Neoprenanzug. Und dann geht es erst mal bergab. Nicht ohne Herzrhythmusstörungen.
Das Schlimmste ist: Die fantastische, atemberaubende Natur entgeht mir vollkommen. Die raue Kulisse des Canyons, der in seinem verwaschenen Braun so friedlich daliegt. Die Sonne, die die trockenen Äste der Bäume kitzelt, und der Flusslauf, der sich durch die Felsen schlängelt.
Tief hinein in den Nationalpark
»Sobald es regnet, müssen wir hier verschwinden. Die Gorges sind gefährlich bei Regen, es kommt dann zu Sturzfluten. Das Wasser fällt dabei die 100 Meter tiefen Schluchten hinab und wandert mit den Windungen des Flusslaufs in die Bassins. Früher waren diese die Trinkwasserreserve der Aborigines, heute baden darin Touristen. Willst du auch?« Oh mein Gott, alleine der Gedanke, mit nassen Schuhen die glatten Felsen wieder besteigen zu müssen, hält mich davon ab, hineinzuspringen, in den Fern Pool, auch wenn es verlockend aussieht. Unter dem dortigen Wasserfall zu schwimmen und die rote Wand des Canyons einmal von ganz unten zu betrachten, ist durchaus reizvoll. Es fängt an zu nieseln. Ich schaue Pete entsetzt an und laufe hastiger und schneller den steinigen Weg herauf, als ich es je von mir erwartet hätte. Pete hingegen ist sorgenfrei.
Eine Nacht im Luxuszelt, eine Toilette voller Frösche und eine von Salamandern bewohnte Dusche später geht es tiefer in den Nationalpark. Vorbei an Steinschichtungen, die aussehen, als wären sie von Menschenhand platziert worden, oder an gestreiften Felsformationen, die vor etwa 2,5 Milliarden Jahren entstanden sind. Pete läuft immer voran, ein wenig zu schnell für mich, aber wer wird bei diesem Panorama schon jammern. Dankbar bin ich, für jeden Ausblick. Wo die Natur mit ihrem roten Gestein und grünen Wasserbassins so majestätisch wirkt und der Mensch an sich so klein. Die Wildblumen leuchten im hellen Flieder, als ich Pete Goodbye winke und die Cessna wieder startbereit ist, um mich nach Exmouth zu bringen. Der Muskelkater in meinen Oberschenkeln macht den engen Flug im Hinterteil des Fliegers nicht leichter, aber das unvergessliche »no worries« hat sich wohl schon in meine Lebensphilosophie gebrannt.
Den Walhaien Hallo sagen am Ningaloo Reef
Angekommen in Exmouth, laufe ich ein in den Hafen des Kontrasts. Was in Karijini rotes Gestein war, ist dort an der Küste das tiefblaue bis türkise Meer. Exmouth selbst ist nicht besonders beeindruckend, die Schalentiere sind köstlich, die Strände postkartenreif, aber das 3000-Einwohner-Fischerstädtchen hat ansonsten nicht viel zu bieten. Es sei denn man verlässt das Festland und wendet sich dem offenen Meer zu. Dort liegt, nur 100 Meter von der Küste entfernt, das 250 Kilometer lange Korallenriff Ningaloo Reef. Dort gibt es für Taucher und Schnorchler Farbenfrohes zu sehen. Tropische Fische, Mantas und der Grund, warum ich hier bin – Walhaie.
An Bord von Andys Ocean Eco Adventure machen wir uns auf den Weg zu den Koordinaten, wo die Tupfen durch das Wasser gleiten. Andy klärt uns auf. Der Walhai ist der größte bekannte Fisch der Erde. Er hat 3.600 Zähne in 300 Reihen ( »no worries!«), er saugt etwa 6 000 Liter Wasser pro Stunde an und ernährt sich von Plankton und kleinen Fischen (Erleichterung!). Aber man muss aufpassen, wohin man schwimmt: Niemals frontal auf ihn zu schwimmen und genügend Abstand halten, denn, wenn man die Flosse zu spüren bekommt, ist das ein nicht zu unterschätzender Schlag (»no worries!«). Obwohl kurz vorher noch Orkas fröhlich um das Boot herumsprangen (warum nennt man die eigentlich Killerwale? No worries), hüpfe ich hinein. Brille auf. Schnorchel rein.
Sag Hi zum Hai
Ein Flugzeug macht aus der Luft die sanften Meeresriesen ausfindig und gibt die Koordinaten durch, zu denen Andy und seine Crew dann das Schiff steuern. Ein Teammitglied springt immer mit den Touristen ins Wasser. Sicherheit geht vor. Und da ist er, sechs Meter lang, mit einem majestätischen Maul. Man kann jeden Tupfen auf der Haut erkennen, die den Walhai einzigartig machen. Man kann die Kiemen sehen, ihm sogar in die Augen schauen. Ein majestätischer Anblick. Nach vier Stunden Schnorcheln sind uns einige der größten Fische begegnet. Kleine und große getupfte Meeresgleiter. Die lautlos durchs Wasser schweben. Es wird Zeit. Ein Teammitglied holt uns aus dem Wasser. Wir steigen langsam und leicht erschöpft auf das Boot. Eingewickelt im Handtuch, blicke ich auf das Meer, das im schönsten Türkis schimmert, während sich die Sonne langsam vorbereitet, den Horizont zu verlassen. Da sehe ich sie, die Haiflosse. Ein Tigerhai schwimmt vorbei, groß und kräftig. »Der sieht aber gefährlich aus«, denke ich. Petes Antwort darauf kenne ich schon.
Anreise. Mit Singapore Airlines ab Frankfurt a. Main und München über Singapur nach Perth. Von dort aus weiter nach Exmouth mit Skywest Airways. www.singaporeair.de, www.skywest.com.au. Von Perth nach Karijini entweder mit dem Auto, mit dem Bus oder einem Privatflug. Man kann auch feste Touren in den Nationalpark ab Perth buchen. www.westernaustralia.com/de
Exmouth. Ocean Eco Adventure. Tagestour inklusive Verpflegung kostet € 297, Kinder können unter Anleitung mitschnorcheln, die Ausrüstung sowie die Anzüge gibt es an Bord. www.Oceanecoadventures.com.au
Karijini. West Oz Active Adventures. Tagestouren mit Pete West kosten in kleinen Gruppen ab € 182 pro Person und inkludieren ein Mittagessen. www.westozactive.com.au
Schlafen. Aufgrund der Abgeschiedenheit gibt es nur eine Möglichkeit, außer man reist im Wohnmobil. Das Karijini Eco Retreat. Obwohl sie sich ein gehobenes Resort nennen und die Zelte in Ordnung sind, ist es ganz weit weg von Luxus. www.karijiniecoretreat.com.au
Weitere Infos in unserem Westaustralien Reiseguide.