Sri Lanka kann mehr als endlose Strände und türkisblaues Meer. Im Yala-Nationalpark lockt die Wildnis mit guten Chancen, Elefanten, Wasserbüffel und vielleicht sogar Leoparden zu sichten. Also Augen auf.
Text: Bianca Klement
Sri-Lanka-Leoparden sichten im Yala-Nationalpark
»Leopard!«, ruft Praneeth und zeigt auf einen etwa tennisballgroßen Tatzenabdruck im rot-braunen Lehmboden im Yala-Nationalpark. Mit knapp 979 Quadratkilometern Fläche ist Yala der zweitgrößte und beliebteste Nationalpark Sri Lankas. Touristen und Einheimische pilgern gleichermaßen hierher, um Krokodile, Wasserbüffel, Stachelschweine, Lippenbären und Elefanten zu beobachten. Nirgendwo sonst in Sri Lanka stehen die Chancen besser, das größte Raubtier der Insel zu sichten: Sri-Lanka-Leoparden. Noch geschätzte 800 Exemplare der gefleckten Raubkatze leben auf der grünen Insel im Indischen Ozean. Und im Yala-Nationalpark ist die Leopardendichte besonders hoch.
Das Wasser ist ein wichtiges Gut in Yala
Mitte Januar ist der Nationalpark im Südosten des Landes ein leuchtend grünes Labyrinth aus dichtem Buschwerk. Jetzt, gegen Ende der Regenzeit, ist es schwieriger, Wildtiere aufzuspüren, als während der vegetationskargen Trockenzeit. Dafür ist die Landschaft selbst eine Attraktion: Das saftige Grün der Pflanzen bildet einen leuchtenden Kontrast zum blauem Himmel und der roten Erde. Überall zirpt und zwitschert es. Knallblaue Eisvögel ruhen im Schatten und Bienenfresser machen Jagd auf Insekten. Die Regenfälle während des Monsuns haben tiefe Furchen in die Straßen gegraben und hier und da haben sich kleine und große Wasserbecken gebildet, in denen die Tiere ihren Durst stillen.
Dank des Wassers pulsiert das Leben in Yala, obgleich das dichte Grün es zu einer Herausforderung macht, Wildtiere zu erspähen. Der feuchte Boden hat einen Vorteil: Spuren, wie die des Leoparden, sind gut und lange sichtbar. »Die Fährte ist etwa einen Tag alt«, sagt Praneeth und wirft einen kritischen Blick auf den Tatzenabdruck. Dann gibt er dem Fahrer das Zeichen zum Weiterfahren. Rumpelnd setzt sich der Safari-Jeep in Bewegung.
Mit dem Ranger auf Spurensuche
Praneeth Alwis arbeitet als Ranger für das neue Hilton Yala Resort. Eines der wenigen Hotels, die sich mitten im Nationalpark befinden und in denen man auf dem Weg zum Frühstück schon mal einem Elefanten begegnen kann. Als besonderen Service stellt das Hotel seinen Gästen einen Ranger zur Seite, der über die Fauna und Flora des Nationalparks aufklärt. Praneeth hat über zehn Jahre Erfahrung als Ranger und Safari-Guide im Yala-Nationalpark. Er weiß genau, wie er den Busch lesen muss.
Tierische Begegnungen im Yala-Nationalpark
Seit 05:30 Uhr, noch vor Sonnenaufgang, sind wir auf Safari. Leoparden sind gerne in der Dämmerung unterwegs. Trotzdem stehen laut Praneeth die Zeichen nicht schlecht, auch am helllichten Tag eine der majestätischen Katzen zu erspähen. »Leoparden stehen an der Spitze der Nahrungskette. Deshalb spazieren sie auch mal tagsüber umher. Oft verbringen sie allerdings den Tag irgendwo auf einem Baum und ruhen sich aus.« Unsere Augen sind gebannt auf die Natur um uns herum gerichtet.
Wir passieren Waldstücke, Grasflächen und Wasserlöcher, in denen Ibisse und Buntstörche auf der Suche nach Fröschen, Schlangen und kleinen Fischen durch das Wasser waten. In braun-grünen Tümpeln dösen Dutzende Wasserbüffel friedlich im kühlen Nass. Nur der Kopf der Tiere schaut heraus. Zwischendurch können wir einen Blick auf den Indischen Ozean erhaschen. Hier und da springen weiß gefleckte Axishirsche durch das Dickicht. Ein gut eineinhalb Meter großer Waran sonnt sich auf einem Granitfelsen, die überall im Park zu finden sind.
Pfauenshow
Fast schon vertraut ertönt aus dem Busch der klagende Ruf eines Pfaus. Der Ton erinnert an das laute Maunzen einer Katze. Die prächtigen Vögel sind auf Sri Lanka heimisch. »Pfauen haben praktisch keine Feinde«, erklärt Praneeth. »Sie haben zu viele Federn. Das schmeckt Beutejägern nicht.« Als wir um eine Ecke biegen, wird der Ruf des Pfaus lauter. Und dann sehen wir ihn. Wie eine Diva hat er sich auf einem Granitfelsen in Szene gesetzt. Seine tiefblauen Kopffedern schimmern in der Sonne und seine meterlangen Schwanzfedern fallen wie eine Schleppe wohl drapiert hinter ihm herab. Wir halten an und beobachten ihn.
Praneeth erklärt, dass der Pfauenhahn – nur die Männchen haben die langen Schwanzfedern – sich nicht zufällig in Szene gesetzt hat, er will Weibchen beeindrucken. Er weiß genau, wie er sich positionieren muss, um besonders gut auszusehen. Und er weiß, dass seine schönen Federn in der Sonne schillern. Als hätte er auf ein Zeichen gewartet, reckt der Pfau elegant den Kopf und steigt langsam von seinem kleinen Podest herunter. Dann spaziert er ein paar Meter auf einen sonnendurchfluteten Platz, als betrete er eine Bühne und schlägt sein Rad aus türkisblauen und grünen Federn.
Dann beginnt die Show. Selbstbewusst dreht sich der große Vogel um die eigene Achse. Dabei wackelt er rhythmisch mit dem Hintern. Seine Darbietung ist sensationell. Doch alles umsonst. »Weibliche Pfauen sind sehr schwer zu beeindrucken«, sagt Praneeth. Der Pfau gibt alles. Fasziniert schauen wir ihm minutenlang bei seinem Tanz zu, doch kein Weibchen weit und breit. Vielleicht liegt es an uns? Wir wollen ihm nicht die Tour vermasseln und fahren langsam weiter.
Ein Date mit den grauen Riesen
Ein weißer Kothaufen am Wegesrand erregt Praneeths Aufmerksamkeit. »Das ist von einem Leoparden. Sie fressen die Knochen mit, deshalb ist der Kot weiß.« Doch außer der Hinterlassenschaft ist nichts von der Raubkatze zu sehen. Langweilig wird es trotzdem nicht. Hinter jeder Kurve entdecken wir Tiere oder kuriose Pflanzen wie den Euphorbia-Baum, ein Wolfsmilchgewächs, das aussieht, als hätten ein Kaktus und ein Laubbaum ein Baby.
Plötzlich bleibt der Jeep abrupt stehen. Nur wenige Schritte neben der Straße sind Elefanten im Busch. Es ist eine kleine Herde aus Weibchen mit Kälbern. Die riesigen Tiere sind in dem Gestrüpp beinahe unsichtbar. Entspannt trinken die Dickhäuter aus einem Wasserloch und grasen emsig. Nach und nach treten einige Elefanten auf den Sandweg vor uns. Binnen weniger Minuten kommen weitere Jeeps an. Elefanten sind eine Attraktion. Viele Besucher kommen nur ihretwegen nach Yala. Werden die grauen Riesen im Park entdeckt, verständigen sich die Fahrer untereinander. Nach fünf Minuten stehen mindestens zehn weitere Jeeps mit ausgeschaltetem Motor auf der Straße. Weiterfahren geht nicht, denn niemand will die Herde trennen.
Eine junge Elefantenkuh stürmt plötzlich über den Weg und verschwindet laut trompetend im Busch. Ein anderes Weibchen macht derweil ein kleines Päuschen und schmiegt ihren Kopf an einen der Jeeps. Die Menschen stören sie offenbar nicht. Die Elefanten sehen harmlos aus, doch das friedliche Äußere sollte man niemals unterschätzen.
Auf einmal lehnt sich im Jeep vor uns eine Touristin weit aus dem Wagen und versucht, ein Selfie mit dem Elefanten zu machen. Mit Handzeichen und so geräuschlos wie möglich signalisiert Praneeth ihr, sich sofort zurückzuziehen. Widerwillig setzt die Frau sich auf ihren Platz. »Die Leute verstehen nicht, wie gefährlich so ein Verhalten ist. Diese Elefanten sind wilde Tiere. Dies ist ihr Lebensraum.«
Ich blicke mich um und sehe, wie sich nun auch ein Kalb aus dem Schatten wagt. Zielstrebig stapft es Richtung Wasserloch und spritzt sich mit seinem kleinen Rüssel Wasser ins Maul. Ich betrachte das Kleine interessiert. Das Elefantenbaby ist vielleicht ein Jahr alt, es wirkt gesund, vielleicht ein bisschen dünn.
Rettung der Elefantenpopulation
Ein Gespräch vom Vorabend kommt mir in den Sinn. Sajith Withanage, der leitende Ranger des Hilton Yala, zeigte sich besorgt, was die Elefantenpopulation Sri Lankas betrifft. Er berichtete, dass jedes zweite neugeborene Kalb in Yala nicht überlebt. Von Menschen gezogene Zäune im Umland des Nationalparks erschweren die Nahrungssuche für die umherwandernden Tiere und behindern den Zugang zu vertrauten Weideflächen. »In der Trockenzeit wird nichts angebaut. Aber auf dem Ackerland wächst dann frisches Gras. Die Elefanten waren es lange gewohnt, dieses Gras zu fressen. Doch nun halten sie die Zäune ab. Das ist ein Problem«, so Sajith. Aber es gibt Hoffnung.
Sajith arbeitet gemeinsam mit Hilton und führenden Elefantenforschern an einer Lösung. Der Plan: Wenn die Farmer während der Trockenzeit ihre Zäune abnehmen, werden große Hotels wie Hilton im Gegenzug die Ernte während der fruchtbaren Monate zu einem guten Preis abnehmen. Eine Win-win–Lösung für Farmer und Elefanten.
Ohren auf!
Als wir sicher sind, die Elefantenherde mit unserer Weiterfahrt nicht zu trennen, setzen wir uns wieder in Bewegung. Die Sonne steht bereits hoch am Himmel und es ist heiß.
Ein schrilles Bellen, der Alarmruf eines Axishirschs, lässt Praneeth aufhorchen. »Vermutlich ist ein Leopard in der Nähe«, flüstert er. »Die Hirsche geben den Alarmruf ab, solange sie die Gefahr wittern oder sehen.« Unter die Warnrufe mischt sich nun auch noch das aufgeregte Klicken von Eichhörnchen. Auch sie spüren Gefahr. Wir beschließen, zu warten. Vielleicht haben wir Glück und der Leopard zeigt sich. Nach 20 Minuten konzentriertem Lauschen, aber ohne Raubkatze, treten wir die Rückfahrt an. Vermutlich hat sich die große Katze schlafen gelegt.
Ohne Ranger ist die Küste tabu!
Gegen 12 Uhr mittags schließt der Nationalpark für zwei Stunden. Wir haben Glück. Als Gäste des Hilton müssen wir den Nationalpark nicht verlassen. Das Hotel befindet sich in der sogenannten Pufferzone, am Rande des Schutzgebiets. Der Yala-Nationalpark grenzt an den Indischen Ozean. Und obwohl ich von der Terrasse meines Zimmers die Brandung höre und das Meer sehe, kommt es nicht infrage, gemütlich ein paar Stunden am Strand zu liegen. Ohne Begleitung eines Rangers ist die Küste tabu. Zu gefährlich. Wasserbüffel und Elefanten nutzen die vegetationsfreie Zone als Korridor und in unmittelbarer Entfernung tummeln sich Krokodile in einem kleinen See. Wer im Yala Urlaub macht, kommt wegen der Wildnis und nicht wegen des Strands.
Ich lausche den Wellen und schaue einer Gruppe Hanuman-Languren zu, die sich durch die Palu-Bäume hangeln. Die grazilen Affen mit den schwarzen Gesichtern beäugen mich skeptisch und huschen dann eilig davon.
Mit dem Safari-Jeep ins Herz des Nationalparks
Am nächsten Morgen breche ich erneut noch vor Sonnenaufgang auf. Wieder geht es mit dem Safari-Jeep in das Herz des Nationalparks. Doch dieses Mal sind nicht die tierischen Dschungelbewohner Ziel der Exkursion. In den Tiefen des Buschs versteckt sich ein kulturelles Highlight: die Tempelanlage Sithulpawwa, ein buddhistisches Kloster. Vor mehr als 2.500 Jahren bewirtschafteten buddhistische Mönche große Gebiete im Yala-Nationalpark. Die früheren Felder hat sich die Natur schon vor Jahrhunderten zurückerobert. Doch die Gebetstempel sind geblieben und bis heute ein heiliger Ort, an den täglich Buddhisten pilgern.
Sithulpawwa: Der Berg des ruhigen Geists
Nach gut eineinhalb Stunden Fahrt durch den Busch ragen vor uns dicht bewachsene Granitberge hervor. Chef-Ranger Sajith, der uns an diesem Tag begleitet, erzählt, dass die Ursprünge der Felsenanlage bis in die Zeit der sri-lankischen Könige zurückreichen. Es ist ein magischer Ort. »Der Name Sithulpawwa bedeutet so viel wie: Berg des ruhigen Geists«, erklärt Sajith, als er uns langsam den Fels hinaufführt.
Hier und da entdecken wir Buddha-Statuen und jahrtausendealte Inschriften in Felsüberhängen, vor denen noch heute Gläubige meditieren und inneren Frieden suchen. Nur wenige Menschen sind an diesem Morgen unterwegs. Die Mönche, die uns begegnen, grüßen lächelnd. Eine Gruppe Kinder fragt, ob sie ein Foto mit uns machen dürfen. Sithulpawwa ist noch ein echter Geheimtipp. Trotz der Bedeutsamkeit und Schönheit der Tempelanlage verirren sich nur selten Touristen hierher.
Oben auf der Spitze des Bergs thront das weiße Heiligtum, dem man sich nur barfuß und ohne Kopfbedeckung nähern darf. Es ist ein friedlicher Ort und die Aussicht ist schlichtweg atemberaubend. Kilometerweit erstreckt sich der dichte grüne Busch unter uns in alle Himmelsrichtungen. Weiße Ibisse gleiten lautlos über das Blätterdach und in dem See zu Füßen des Bergs kreuzen Krokodile. Im Yala-Nationalpark regiert die Wildnis und die Menschen respektieren das.
Die Rückfahrt zum Hotel wird zur Safari. Mangusten huschen vor uns über die Straße. Uns begegnen Wildschweine, Wasserbüffel und immer wieder Pfaue. Ein Rudel Hirsche passiert unseren Weg und oft sehen wir frischen Elefantendung. Aber die Natur gibt an diesem Tag nicht alle ihre Geheimnisse preis: Die Leoparden bleiben unsichtbar. Doch in Yala-Nationalpark stehen die Chancen gut, dem König des Dschungels früher oder später zu begegnen.
INFO
Hilton Yala Resort. Palatupana, Yala 95000, Sri Lanka. Eine Nacht ab € 520 pro Person
In dem erst 2023 eröffneten Hilton Yala Resort erwartet Gäste der ultimative Safari-Urlaub, denn das moderne Luxus-Hotel befindet sich mitten im Yala-Nationalpark. Der Stil der Anlage ist puristisch. Die rechteckigen Gebäude des Resorts sind in der dichten Vegetation beinahe unsichtbar.
Insgesamt gibt es 42 Zimmer, die je nach Kategorie mit Outdoor-Jacuzzi oder privatem Plunge-Pool ausgestattet sind. Bodentiefe Fenster geben den Blick auf den Ozean und die umliegende Natur frei. Das Jurrassic-Park-Feeling ist gewollt. Weder Zäune noch Mauern hindern Wildtiere daran, das Gelände zu passieren, denn es ist ihre Heimat. Das Hotel arrangiert für Gäste Safaris und geführte Buschwanderungen.