Ein wichtiger Teil der estnischen DNA ist die Liebe zur Natur: die Hütte am See, Beeren- und Pilzsammeln im Herbst, Wandern in Wald und Moor – all das ist den Esten heilig. Wohl auch, weil die Esten vor der Christianisierung spirituell in der Natur verankert waren. Heute entstehen aus dieser besonderen Naturnähe zahlreiche grüne Initiativen. Auch und vor allem in Tallinn, der Grünen Hauptstadt Europas 2023.
Grüne Stadt: Bienen, Bikes und Bahnen
Bereits 2013 bot die estnische Hauptstadt ihren Bewohnern die kostenfreie Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs an. Das war nicht nur wegweisend, dieses langfristige Engagement wies die erforderliche Nachhaltigkeit aus. Bis 2035 soll der ÖPNV dazu CO₂ -neutral werden. Die Trambahnen der Ostseemetropole werden bereits zu einhundert Prozent mit erneuerbarer Energie betrieben. Des Weiteren überzeugte die Stadt mit öffentlichen Gärten in jedem Bezirk Tallinns. Insgesamt ist ein Drittel der Fläche der Stadt von Grünflächen bedeckt. 80 Bienenstöcke auf öffentlichem Grund und 300 Kilometer Radwege beweisen, dass Tallinn Natur und nachhaltigem Lebensstil Raum gibt. Biodiversität, die Verkleinerung des ökologischen Fußabdrucks und eine nachhaltige Verwaltung der Stadt sind die angepeilten Ziele als Grüne Hauptstadt Europas. Im Herbst 2023 münden Projekte und Neuerungen in eine Messe zum Thema grüne Innovation.
Grüne Sterne. Lokale Produkte. Zero Waste.
Die Eckpfeiler der estnischen Küche sind seit jeher Produkte aus der Natur – wie Beeren, Pilze, Fisch und Wild. Saisonalität und Regionalität also etwas Altbekanntes. Insofern verwundert es wenig, dass estnische Restaurants mit diesem Ethos und konsequent nachhaltigen Konzepten jetzt die ersten Grünen Sterne im Guide Michelin für Estland erringen konnten. Etwa das Restaurant Fotografiska, das in Tallinn schönste Blicke auf die Altstadt öffnet und nordische Gerichte nach Zero-Waste-Prinzip kredenzt. Alle Zutaten werden mit Stumpf und Stiel verarbeitet, 80 Prozent stammen aus der Umgebung, Kräuter und Honig vom eigenen Dachgarten. Außerdem das ebenfalls mit einem Grünen Stern ausgezeichnete Restaurant Põhjaka in einem ehemaligen Gutshof zwischen Tallinn und Tartu. Gemüse, Obst und Kräuter kommen aus dem Garten. Das Team sammelt Pilze und Waldfrüchte, hält Hühner und Schafe, räuchert Fisch und Fleisch und betreibt eine eigene Brennerei. Klingt verlockend – oder?
Grüner Schlüssel: Nachhaltig nächtigen
Das Öko-Label Green Key vergibt international Standards zur umweltverträglichen Nutzung von Elektrizität, Heizung und Wasser vor und fördert ein ausgewogenes Verhältnis von Qualität, Komfort und umweltschonendem Betrieb. In Estland tragen zur Zeit rund zwanzig Hotels, Ferien-Bauernhöfe und Gäste-Apartments diese Auszeichnung. Estnische Unterkünfte mit Green Key arbeiten zusätzlich zu den vorgegebenen Standards im kulinarischen Bereich mit Erzeugnissen aus der Umgebung und ermutigen Gäste zu Aktivitäten in der Natur und in Zusammenhang mit dem örtlichen Kulturerbe. Auch gut zu wissen: die Bandbreite der zertifizierten Unterkünfte mit grünem Schlüssel umfasst so unterschiedliche Häuser wie das moderne Park Inn by Radisson in der Hauptstadt und das elegante Boutique-Hotel Rosenplänter in einem historischen Bau im Badeort Pärnu. Oder auch das Maidla Nature Resort etwa eine Stunde südlich von Estland, was ihr hier sehen könnt.
Grüne Destinationen: Natur erleben, Umwelt schonen
Im Fokus des internationalen Wettbewerbs »Green Destinations« stehen nachhaltige Erlebnisse für Reisende und umweltbewusstes Handeln seitens der Urlaubsziele. Estland ist seit 2020 mit sieben Orten beteiligt. Und zwar mit den Inseln Saaremaa und Hiiumaa, dem Badeort Pärnu, der Universitätsstadt Tartu, dem Bezirk Järva, dem Nationalpark Lahemaa sowie der Stadt Rakvere im Nordosten, die komplette Klimaneutralität anstrebt. Saaremaa wurde gleich im ersten Jahr zum Sieger des Nachhaltigkeitswettbewerbs gekürt. Denn neben einem hohen Maß an sozialer Verantwortung und zahlreichen Maßnahmen zum Umweltschutz punktete die Insel mit ihrem Naturreichtum: 36 der 38 in Estland heimischen Orchideenarten wachsen hier. Und Vogel- und Naturliebhaber kommen besonders im Frühling und Herbst auf ihre Kosten, wenn ungezählte Zugvögel auf der Durchreise zu beobachten sind.
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