Das Andaz Prinsengracht hat Geschmack. Auch wenn es sich mit seiner Fassade wie eine graue Maus in der Häuserreihe am Kanal versteckt, im Inneren eröffnet sich eine Wunderwelt: Das Hotel erzählt Geschichten. Der Autor? Stardesigner Marcel Wanders. Die Welt, die er entwirft? Die seiner Heimatstadt Amsterdam.

Tapete zur Orientierung

Selbst ein Vielreisender – sollte er die Orientierung verlieren, in welcher Stadt er gerade weilt – bekommt sogar in der Toilette seines Zimmers einen Hinweis, wo er sich momentan befindet. Die Tapete zieren längst ungültige Guldenscheine. Wale dümpeln zwischen Amsterdamer Sehenswürdigkeiten wie der pittoresken Zuiderkerk. Zitate von Amsterdamer Persönlichkeiten wie Johan Cruyff (»Jeder Vorteil hat auch einen Nachteil«) geben dem Gast Weisheiten mit auf dem Weg.

Viel zu gucken im Bad des Andaz Amsterdam

Ulrike Klaas

Wer im Andaz Prinsengracht das stille Örtchen besucht, braucht keine Lektüre. Es gibt genug zu lesen. Schließlich befindet sich das Andaz in der ehemaligen Stadtbücherei – ein Ort zum Schmökern und die Bildung vertiefen. Marcel Wanders hat aus dem Gebäude, das unter dem Schutz der Unesco steht (deswegen die graue Maus-Fassade, die nicht verändert werden darf), einen Ort für Luxusliebhaber, Bücherwürmer und Schlaflose entworfen. Der ausdrückliche Wunsch des Designers: die Gäste wach halten. Sie sollen Amsterdam erleben. Im Hotel wie draußen.

Wanders polarisiert – schon immer

Der Niederländer ist sozusagen der Rockstar unter den Designern. Seine Kreationen sind üppig, unkonventionell, oft auch kitschig. Er entwirft Produkte für Marken wie Moooi, Alessi und British Airways. Zudem konzipierte er Hotels wie das Kameha Grand Hotel in Bonn. Seine Kreationen sind anders und passen deswegen perfekt zum Andaz.

Überfrachtet? Das liegt ganz im Auge des Betrachters. Kraftvoll und farbenfroh? Auf jeden Fall! Selbst nach Tagen entdeckt man im Andaz Prinsengracht, was einem vorher noch nicht ins Auge gefallen ist. Wie den Schreibtisch in den insgesamt 117 Zimmern und fünf Suiten, der sich von der Seite in ein überdimensionales Buch verwandelt. Doch das wohl Augenfälligste ist der pompöse Waschtisch als zentrales Element in jedem Zimmer.

In jeder Ecke eine Inspiration

Eine wahre barocke Wuchtbrumme. 150 Kilogramm schwer, mit einer massiven, grauen Platte, an deren Längsseite in Lettern Amsterdam sowie drei Andreaskreuze, das Wappen der Stadt, prangen. Spieglein, Spieglein, auf dem Waschtisch, sehe ich da ein Unikat? Die Haare sollen ihm wild zu Berge gestanden haben, die Pupillen geweitet wie im Wahn, hat Marcel Wanders mit blauer Farbe den jungfräulich weißen Villeroy & Boch-Waschbecken seine Handschrift unabwaschbar aufgemalt. Pro Waschbecken soll er nicht länger als eine Minute gebraucht haben. 160 Stück bemalte er und verwendete »nur die guten« für die Zimmer.

Ulrike Klaas

Als Nächstes fällt der Blick auf den gelben Sessel am Fenster. Passend dazu: die gelben Clogs an der Wand, allzeit loszumarschieren. Stroopwafles – klebrig süße, aber unglaublich köstliche Waffeln – stehen für den kleinen Hunger zwischendurch bereit in einer niedlichen Porzellandose, die auch bei Oma auf die gedeckte Kaffeetafel passt. Weiteres Schmuckstück: ein filigraner weißer Teller auf dem Nachttisch, der fehl am Platz erscheint. Vom Zimmermädchen vergessen? Erst später leuchtet seine Funktion ein: Er hütet über Nacht Eheringe und Schmuckstücke. Doch der wohl größte Stolperstein für die Sinne nimmt die komplette Wand hinter dem Bett ein: ein Löffel mit Fischkopf. Er steht für die verschiedenen Kulturen, die sich in der Grachtenstadt vereinen.

Erlebniswelt Andaz

Der Designer spielt mit der Wahrnehmung. Schon beim Betreten des Haupteingangs an der Prinsengracht, wo nichts darauf hinweist, was die Gäste im Inneren erwartet. Ein dunkler Gang, der eher an eine Kathedrale erinnert, führt ins Innere. Der stille Gang verschafft den Gästen nach ihrer Anreise einen Moment der Ruhe, damit sie bereit sind für das nächste Erlebnis: das Andaz.

Tatsächlich: Wer die Lobby betritt, braucht Zeit – muss das, was an Reiz auf ihn einströmt, kurz erfassen. Ein Glockentrio, bei dessen Größe jede Kirchenglocke vor Neid erstarren würde, baumelt über drei runden, wuchtigen neobarocken Tischen. Flankiert wird das Ganze von einer massiven dunkelbraunen Wohnzimmerschrankwand mit allerlei Nippes – von Büchern bis hin zum Globus. Darunter breitet sich ein Teppich aus, der Bilder der Amsterdamer Seefahrt zeigt, für den man Stunden bräuchte, um alle Geschichten, die er erzählt, zu erfassen.

Ulrike Klaas

Es ist eine wohnliche und kunstvolle Welt, in die der Gast tritt. Die heimelige Wohnzimmeratmosphäre, gespickt mit verspielten Details und neobarocken Elementen, zieht sich durch das gesamte Hotel – das zudem einige Überraschungen in petto hat. Wie die Lichtinstallationen in der Lobby, die sich erst ins Blickfeld schieben, wenn man sich weiter ins Innere bewegt und den Blick hebt. Dann eröffnet sich eine Art surrealer Weltraum.

Service? Persönlich und Modern

Die junge Marke der Luxushotelkette Hyatt mag es eben anders – vor allem unkompliziert. Das Credo: »Simplify the service!« Kein Gepäckservice, keine Rezeption, stattdessen checkt der Gast ein, wo es ihm beliebt: in der Lobby oder in der Bibliothek – das iPad macht es möglich. Kommunikation und Interaktion werden im Andaz großgeschrieben. Ob in der Bar oder im Bluespoon-Restaurant: der Bartresen ist integriert, sodass der Barkeeper nicht abgeschottet von den Gästen die Wünsche mixt. Auch im Restaurant, das ausschließlich Slow Food serviert, sitzen die Gäste mitten im Geschehen – dank der offenen Showküche. Tagsüber gibt es in der Lobby kostenlosen Kaffee und Tee, und abends stehen Wein und Knabbereien bereit für ein geselliges Beisammensein.

Einziges Manko: die Video-Art, die sich durch das Hotel zieht – und im ersten Moment leicht mit dem CNN-Kanal verwechselt kann. Aber kleine Schönheitsfehler verzeiht man dem Andaz Prinsengracht leicht, so charmant, wie es daherkommt. Und über Kunst lässt sich bekanntlich streiten. Auch hier ist die Handschrift des Designers klar zu erkennen, dessen Credo lautet: »Wenn du versuchst, immer allen zu gefallen, bist du kein Designer.«

Andaz Amsterdam. Prinsengracht 587, Amsterdam, 1016 HT, Tel.: +31 (0) 20 523 1234. Das Haus liegt im angesagten Neun-Straßen-Viertel, dem kulturellen Herzen der Stadt. www.andaz.hyatt.com

Info Holland. www.holland.com/de