Knöllchen aus dem Ausland im Briefkasten? Die Angelegenheit einfach zu ignorieren ist keine gute Idee. Wir erklären, bei welchen Verstößen ihr mit einem ausländischen Bußgeldbescheid rechnen müsst, wie das Verfahren läuft und wie ihr Einspruch einlegen könnt.

Welche Verkehrsverstöße verfolgen deutsche Behörden?

Wenige Wochen nachdem Carsten F. (44) aus dem Urlaub zurückkehrte, flatterte ihm ein Brief aus Italien ins Haus. Auf einer Landstraße in der Toskana sei er mit seinem BMW viel zu schnell gefahren, so der Vorwurf. Dafür soll er nun 100 Euro Strafe zahlen. Carsten F. wollte die Sache zunächst einfach aussitzen – und nicht zahlen. Aber Freunde von ihm rieten davon ab: Das könnte unangenehm und noch viel teurer werden. Zu Recht: Wer ein Knöllchen aus dem Ausland bekommt, sollte es ernst nehmen.

Denn: Mittlerweile können die Strafen aus allen EU-Staaten in Deutschland nachträglich vollstreckt werden. »Zahlt der angeschriebene Autohalter nicht, kann die ausländische Behörde das Bundesamt für Justiz bitten, den Bescheid durchzusetzen«, so eine Juristin der D.A.S. Rechtsschutz.

Bundesamt für Justiz

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Das Bundesamt vollstreckt Bußgelder für Verkehrsverstöße aus dem Ausland dann, wenn sie eine Geldbuße ab 70 Euro zur Folge haben. Eine Ausnahme ist Österreich, wo die Grenze bei bereits 25 Euro liegt.

Dieser Betrag umfasst neben der Geldbuße auch die Verfahrenskosten. Hat beispielsweise ein deutscher Autobesitzer einen Bußgeldbescheid aus Frankreich über 50 Euro erhalten und die Verfahrenskosten betragen 20 Euro, kann das Bundesamt den Bescheid vollstrecken. Fahrverbote oder ein Führerscheinentzug aufgrund ausländischer Bescheide drohen deutschen Autofahrern im Heimatland jedoch nicht. Auch gibt es keine Punkte in der Flensburger Verkehrssünderdatei bei Verkehrsverstößen im Ausland.

Fahrerhaftung versus Halterhaftung: Was wo gilt 

»Das Bundesamt für Justiz vollstreckt einen Bußgeldbescheid außerdem nur dann, wenn er mit bestimmten Grundsätzen des deutschen Rechts übereinstimmt«, sagt die D.A.S.-Juristin. Das kann entscheidend sein. So gilt in Deutschland außer bei Parkverstößen in der Regel das Verschuldensprinzip und damit die Fahrerhaftung. Das bedeutet, dass nur derjenige zur Verantwortung gezogen wird, der auch hinter dem Steuer saß und somit persönlich gegen die Verkehrsvorschriften verstoßen hat.

In anderen Ländern wie etwa den Niederlanden gilt dagegen die Halterhaftung. Das heißt, es haftet automatisch immer der Fahrzeughalter. Deswegen wird in Ländern mit Halterhaftung oftmals nur das Kennzeichen mit Bild festgehalten; und nicht der verantwortliche Fahrer. Erhält ein deutscher Autohalter beispielsweise einen niederländischen Bescheid für das Überfahren einer roten Ampel, ohne zur Tatzeit selbst am Steuer gewesen zu sein, sollte er daher umgehend Einspruch erheben. Übrigens: Ausländische Bußgeldbescheide werden von der Höhe her nicht an den deutschen Bußgeldkatalog angepasst. In vielen Ländern werden Verkehrsverstöße mit deutlich höheren Geldbußen geahndet als bei uns.

Hier zwei Beispiele: Wer ihr 20 km/h schneller unterwegs seid als erlaubt, kommt ihr in Deutschland mit bis zu 35 Euro Verwarnungsgeld davon. In Italien werden dafür gleich mal 170 Euro fällig, in Norwegen sogar mindestens 480 Euro, warnt der ADAC auf seiner Website.

Blick aus dem Auto auf eine Landstraße in Norwegen

Alexandr Bormotin

Knöllchen aus dem Ausland: Einwände frühzeitig anmelden

Obwohl das Bundesamt für Justiz das ausländische Bußgeld vollstreckt, prüft es nicht die Rechtmäßigkeit des Vorwurfs. Will der betroffene Fahrzeughalter sich wehren, muss er selbst tätig werden. Grundsätzlich erhält er zuerst direkt von der zuständigen ausländischen Stelle einen Bußgeldbescheid. Gegen diesen muss er dann bei dieser Stelle Einspruch einlegen; und zwar nach dem Verfahren und innerhalb der Fristen des jeweiligen Landes.

Antwortet er nicht oder hat er keinen Erfolg mit seinem Einspruch, kann die ausländische Stelle den Bußgeldbescheid zur Vollstreckung an das Bundesamt für Justiz weiterleiten. Auch beim Bundesamt kann der Fahrzeughalter innerhalb von zwei Wochen Einspruch einlegen. Es folgt dann ein Verfahren beim deutschen Amtsgericht. Dieses prüft aber nur noch Formalien und nicht, ob der Tatvorwurf »Hand und Fuß« hat.

Gründe für einen Einspruch gegenüber dem Bundesamt gibt es mehrere: Neben der Halterhaftung kann auch die Form des Bescheids Grund für einen Einspruch sein. So muss der ausländische Bescheid auf Deutsch verfasst sein. Eine Zahlungsaufforderung auf Spanisch zum Beispiel ist nicht zulässig. Komplizierter ist der Einspruch im Urlaubsland: Denn die Verfahrensordnung ist in jedem Staat anders. Beim Einspruch gilt zwar grundsätzlich, dass er in der Landessprache des Urlaubslandes verfasst sein muss. Teilweise wird er aber auch auf Englisch akzeptiert.

Mann und Frau fahren im Cabrio parallel zu einem Fluss

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In manchen Ländern muss der Autohalter seinen Einwand persönlich bei der ausländischen Behörde geltend machen. In anderen Ländern reicht dagegen ein schriftlicher Einspruch. Daher kann es unter Umständen empfehlenswert sein, einen Fachanwalt für Verkehrsrecht zu konsultieren.

Vorsicht bei Post von einem Anwalt oder Inkasso-Unternehmen aus dem Ausland

Alle Alarmglocken sollten jedoch bei euch schrillen, wenn man wegen eines Verkehrsverstoßes im Ausland Post von einem ausländischen Anwalt oder Inkasso-Unternehmen erhält. In den vergangenen Jahren wurden jeweils rund eine halbe Million Deutsche auf diesem Wege zur Kasse gebeten, meist mit sehr hohen zusätzlichen Gebühren, berichtet der ADAC. So haben etwa kroatische Anwälte ein Geschäftsmodell entwickelt, bei dem sie von deutschen Autofahrern Geldbeträge wegen Parkverstößen einfordern, die das 20-fache über den ortsüblichen Tarifen liegen. Der ADAC rät, gegen solche horrenden Forderungen in jedem Fall Widerspruch einzulegen und gegebenenfalls einen Anwalt einzuschalten.

Erneute Einreise ins Urlaubsland?

Scheitert die Vollstreckung durch einen erfolgreichen Einspruch beim Bundesamt für Justiz, ist die Sache damit nicht aus der Welt. »Auch wenn ein ausländisches Knöllchen nicht vollstreckt werden konnte, bleibt der Verkehrsverstoß in den Akten des betreffenden Landes. »Dieser kann dem Fahrzeughalter beim nächsten Besuch noch immer Ärger machen«, warnt die D.A.S.-Juristin. Da reicht dann unter Umständen eine einfache Verkehrskontrolle oder eine Passkontrolle am Flughafen des Ziellandes, um ihn als »bekannten Verkehrssünder« zu identifizieren.

Polizei-Verkehrskontrolle auf einer Straße in Italien

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Das gilt auch für einen Verkehrsverstoß, der in dem jeweiligen Land ein Fahrverbot zur Folge hat. Dieses wird zwar in Deutschland nicht umgesetzt. Allerdings muss der Betroffene damit rechnen, dass ihn die Behörden des Urlaubslands mit einem Fahrverbot belegen.

Rabatt bei schneller Bezahlung

Gibt es keinen Grund für einen Einspruch und der Bescheid ist gerechtfertigt, empfiehlt die D.A.S.-Juristin, die Geldstrafe umgehend zu begleichen. In manchen Ländern bringt die schnelle Bezahlung innerhalb einer bestimmten Frist sogar Vorteile. So erlässt beispielsweise Spanien bis zu 50 Prozent der Geldstrafe, wenn der Betroffene innerhalb von 20 Tagen nach Erhalt des Bescheids zahlt.