Sambaklänge in den Gassen, köstliches Streetfood, pulsierende Märkte und wilde Natur mitten in der Großstadt: Wir liefern euch elf Geheimtipps für Rio de Janeiro, damit ihr die Stadt wie ein echter Carioca erleben könnt – authentisch, lebendig und voller Überraschungen.
Text: Laura Geyer
1. Eine Runde Samba
Die Musik der Sambaschulen kennt wohl jeder, der brasilianische Karneval wird schließlich schon seit Jahrzehnten weltweit übertragen. Weniger bekannt, aber viel präsenter im Alltag der Cariocas, der Einheimischen von Rio, sind die »Rodas de Samba«. Dabei sitzen die Musiker um einen Tisch herum, meistens mitten im Publikum, und spielen altbekannte Sambas, die sich vom Klang der Karnevalsschulen ziemlich unterscheiden. Die Cariocas kennen in der Regel alle Stücke und tanzen und singen aus vollem Herzen mit. Die Stimmung ist fantastisch.
Zwei Klassiker: die Bar »Vaca Atolada« im Ausgehviertel Lapa, in der jeden Dienstag- bis Samstagabend wechselnde Musiker spielen, und der »Samba do Trabalhador«, immer montags im Club »Renascença« in Andaraí. Beide sind leider meistens ziemlich voll. Etwas entspannter, weil unter freiem Himmel, sind die Sambas der Gruppe »Pede Teresa«, die einmal im Monat auf dem Tiradentes-Platz im Zentrum spielt. Auch im »Armazém do Campo«, einer Art Concept Store der Landlosenbewegung (MST) in Lapa, finden regelmäßig gute Rodas de Samba statt.
2. Kleines Afrika
Wer mehr über das Schwarze Erbe der Stadt erfahren will, sollte sich die Region Pequena África (kleines Afrika) in der Hafengegend nicht entgehen lassen. An dem Pier Cais do Valongo kamen die meisten Sklaven an, er ist seit 2017 Unesco-Weltkulturerbe.
Der Friedhof Cemitério dos Pretos Novos erinnert an die Opfer dieses düsteren Kapitels der brasilianischen Geschichte. In der Gegend von Pedra do Sal wird dagegen das afrikanische Leben gefeiert, das die Kultur in Rio stark geprägt hat, unter anderem jeden Montag- und Freitagabend mit einer großen Roda de Samba.
3. Natur pur in der Großstadt
Rio de Janeiro ist nicht nur eine spannende Megacity, sondern auch ein grünes Paradies. Der Parque Nacional da Tijuca ist der größte urbane Nationalpark der Welt, er beherbergt unter anderem den Corcovado mit der Christus-Statue.
Wanderfreunde können hier mitten in der Stadt die Wasserfälle Cachoeira dos Primatas und Cachoeiras do Horto erobern. Wer lieber entspannt spaziert, besucht den Parque Lage am Rande des Nationalparks, mit riesigen Monstera-Blättern, wilden Jackfruchtbäumen und dem angesagten Café Plage, das mit leckerem Frühstück und entspannten Vibes aufwartet.
4. Fleischspieße und Hausmannskost
Ein Muss in Rio ist der Besuch einer sogenannten Churrascaria, wo frisch gegrillte Fleischspieße durchs Restaurant getragen werden. Mein Favorit: »Carretão« in Ipanema (Rua Visconde de Pirajá 112). Ein Tipp: Zu Beginn werden die günstigeren Fleischsorten wie Würstchen oder Huhn serviert. Wer hier genügsam bleibt, kann später bei den besten Stücken vom Rind wie »Picanha«, dem Schwanzstück des Rinds, oder »Maminha«, dem Bürgermeisterstück vom unteren Rücken, zuschlagen.
Ihr möchtet wie ein richtiger Carioca essen? Dann solltet ihr in einem traditionellen Boteco Gerichte wie »Rabada« (Ochsenschwanz) oder »Frango com Quiabo« (Huhn mit Okraschoten) probieren. Viele Botecos findet man im Viertel Tijuca. Bei »Momo« gibt es die besten »Bolinhos de arroz« (Reisbällchen gefüllt mit Käse). In der »Bar da Gema« bestellt ihr am besten »Coxinhas«, Teigbällchen mit gezupftem Hühnerfleisch, im »Baródromo« gibt es leckere brasilianische Tapas (»Petiscos«) und von Donnerstag bis Sonntag Livemusik.
5. Schwimmen neben dem Zuckerhut
Mein Lieblingsstrand in Rio ist der Praia Vermelha im Viertel Urca, direkt am Fuß des Zuckerhuts. Der kleine Strandabschnitt liegt an einer Bucht und eignet sich dadurch hervorragend zum Schwimmen – anders als Copacabana und Ipanema, wo man von den Atlantikwellen ordentlich durchgewirbelt wird. Zum Strandtag gehört für mich (mindestens) eine Trink-Kokosnuss (»Coco Verde«). Extratipp: Lasst euch die Nuss vom Verkäufer aufbrechen, wenn sie leer ist, und löffelt das frische Fruchtfleisch aus der Schale.
Zum Mittagessen lohnt sich ein Abstecher in das benachbarte Restaurant Terra Brasilis, wo Spezialitäten aus den verschiedensten Regionen Brasiliens serviert werden. Und der perfekte Abschluss des Tages: Sonnenuntergang auf der Mauer Mureta da Urca mit einem herrlichen Blick auf die Bötchen in der Bucht von Botafogo und den Corcovado mit der Christus-Statue.
6. Streetfood: Geheimtipps in Rio de Janeiro
Wer sich davor scheut, in Brasilien Streetfood zu probieren, dem kann ich nur sagen: Ich zumindest habe noch nie Probleme bekommen. Und ich habe wirklich alles probiert. Mein All-time-Favorit: »Tapioca«, süß oder salzig gefüllte Fladen aus Maniokstärke (zum Beispiel mit frisch geraspelter Kokosnuss oder einer Mischung aus Käse und Guavengelee), dicht gefolgt von »Acarajé«, einem in Palmöl frittierten Bohnenmus-Burger mit diversen Würzpasten und Garnelen. Wer nicht gern scharf isst, bestellt ihn »sem pimenta«.
Ein Klassiker ist das »Churrasquinho«, Fleischspieße vom Minigrill, umhüllt von würzigem Maniokmehl (»Farofa«). Besonders beliebt bei den Cariocas: die Spieße mit Hühnerherzen (»coração de frango«). Naschkatzen werden »Pamonha« lieben, ein süßes Mus aus Mais und Kokosnuss. Am Strand kann man von fliegenden Händlern »Queijo coalho« erstehen, Käsesticks vom tragbaren Kohlegrill, oder frittierte arabische Snacks wie »Kibe« (Bulgur-Hackfleisch-Klöße) und »Esfiha« (herzhaft gefüllte Teigtaschen).
7. Märkte in Rio als Events
Streetfood aus aller Welt gibt es auch auf den vielen tollen Märkten in Rio. Jeden Sonntag lockt der riesige »Feira da Glória« im Viertel Glória. Neben Leckereien gibt es hier Secondhand-Kleidung und lokales Kunsthandwerk. Beim »Circuito Carioca« entdecke ich immer wieder ausgefallene Mode-Pieces junger Designer im typischen farbenfrohen Rio-Stil. Dazu gibt es Livemusik, unter anderem eine schöne Roda de Samba. Und einen der besten Acarajés der Stadt. Der Markt zieht durch verschiedene Viertel, die aktuellen Termine findet man auf Instagram.
Das Gleiche gilt für den »Junta Local«, ursprünglich ein Biolebensmittelmarkt. Hier verkaufen kleine Produzenten aus Rio und Umgebung ihre Erzeugnisse, von frischem Obst bis hin zu handgemachten Snacks. Aber auch hier geht es um weit mehr als Einkaufen: Livebands, Streetfood und die entspannte Stimmung machen den Markt zu einem beliebten Treffpunkt der jungen Cariocas.
(Noch) Ein echter Geheimtipp ist der »Feira das Yabás«. Er findet einmal im Monat in Madureira im Norden Rios statt und feiert die afrobrasilianische Kultur mit entsprechenden Gerichten, Sambas und einer durch und durch authentischen Atmosphäre. Hin und wieder gibt es auch Termine im Stadtzentrum, für alle, die den (durchaus weiten) Weg nach Madureira nicht schaffen.
8. Spaziergang mit Aussicht
Einer meiner liebsten Spazierwege in Rio führt von Botafogo nach Flamengo, immer am Meer entlang. Startpunkt ist das Viertel Botafogo – vielleicht, nachdem man im Buchladen »Livraria da Travessa« nach Lesestoff gestöbert und einen Kaffee genossen hat. Denn dann lässt es sich umso energiegeladener laufen.
Der Spaziergang dauert etwa eine halbe Stunde, und er wird keine Minute langweilig. Die Aussicht auf den Zuckerhut ist vielleicht die beste in der ganzen Stadt. Auf halbem Weg gibt es einen kleinen Stand mit Kokosnüssen, falls ihr zwischendurch durstig werdet (oder einfach mal einen Grund haben wollt, stehen zu bleiben und das Panorama zu bewundern).
Das kann man allerdings auch wunderbar am Ziel, dem Strand Praia do Flamengo. Leider liegt der an der ziemlich verschmutzten Guanabara-Bucht. Je nach Strömung soll man hier aber inzwischen schwimmen können. Ansonsten kann man am Wasser entlanglaufen, Fußball oder Beachvolleyball spielen, oder man setzt sich einfach in den Sand und genießt den Blick.
9. Shoppen wie die Cariocas
Früher habe ich nicht verstanden, warum die Einheimischen ständig ins Shopping-Center gehen. Inzwischen sehe ich ein, wie angenehm die klimatisierte Umgebung an einem heißen Sommertag sein kann (oder auch an einem Regentag). Mein Favorit ist das »RioSul«, zwischen Botafogo und Copacabana. Es ist nicht besonders neu und nicht besonders groß, aber es ist gemütlich und hat alle Geschäfte, ich denen gerne einkaufe: »Outer«, ein Laden mit super bequemen und stylischen Schuhen, »Farm«, ein Modelabel aus Rio mit ausgefallener, knallbunter Kleidung, oder »Cantão«, ähnlich bunt, aber mit etwas klassischeren Schnitten.
Im Café »Casa Bauducco« gibt es sehr guten Espresso (zum Trinken und zum Kaufen), im »Delírio Tropical« esse ich gerne einen Salat oder ein Sandwich (und anschließend bei »Mr. Pretzel’s« in Zimt und Zucker gewälzte Brezeln …).
10. Amazonas-Reise für den Gaumen
Das »Tacacá do Norte« bringt die Aromen Amazoniens nach Rio. Auf der Karte stehen Spezialitäten wie »Tacacá«, eine Suppe aus Maniok, getrockneten Garnelen und Jambú-Blättern, die ein leichtes Kribbeln auf der Zunge hinterlassen, oder »Caranguejo«, frischer Krebs.
Ein Klassiker ist das Açaí aus der gleichnamigen Urwaldbeere, entweder gesüßt oder in der ursprünglichen herzhaften Variante mit Maniokmehl und Paranüssen. Dazu passen Säfte aus exotischen Amazonas-Früchten wie Cupuaçu oder Muruci.
Weil das Restaurant so beliebt ist, gibt es inzwischen zwei Filialen nebeneinander. Ein Haus weiter lockt hausgemachtes Eis aus amazonischen Früchten, Kokos, Limette oder Maracuja. Unbedingt probieren: Mais-Eis (»Milho verde«) – klingt seltsam, ist aber himmlisch gut.
11. Das Morgen-Museum
Das historische Zentrum rund um den Mauá-Platz hat sich seit den Olympischen Spielen 2016 ordentlich herausgeputzt. Ein echtes Highlight ist das »Museu do Amanhã«, ein futuristisches Zukunftsmuseum, das sowohl von außen als auch von innen beeindruckt.
Und wo wir schon bei spannenden Museen sind: In direkter Nachbarschaft befinden sich das Kunstmuseum Mar und das Kulturzentrum der Banco do Brasil (CCBB). Auch ein Ausflug nach Niterói auf der anderen Seite der Guanabara-Bucht ist absolut lohnenswert, denn dort befindet sich das Museum für kontemporäre Kunst von Oscar Niemeyer (MAC), das von außen aussieht wie ein Ufo. Und, das nur am Rande: Der Blick auf Rio ist unvergleichlich.