Ein Städtetrip nach Großbritannien – der muss nicht immer in die Hauptstadt London führen. Wie wäre es stattdessen mit einem Wochenende in der ehemaligen Industriestadt Newcastle?

Eine Fährfahrt, die ist lustig …

Freitag, 11:00 Uhr

Wie praktisch ist denn bitte eine Fährfahrt? Keine Verspätungen, kein Gepäcklimit und auch die Flüssigkeiten müssen nicht in ein 100-Millimeter-Fläschchen passen. Aber nicht nur das: Irgendwie ist eine Anreise mit der Fähre wesentlich aufregender als ein Flug. 14 Stunden dauert die Überquerung des Ärmelkanals von Amsterdam nach Newcastle. Die Fährreederei DFDS verkehrt täglich zwischen den beiden Städten.

DFDS Fähre an Hafen mit blauem Wasser

Paul J Martin/Shutterstock.com

17:30 Uhr Abfahrt in Amsterdam, bedeutet 9:15 Uhr Ortszeit auf britischem Festland. In der Zwischenzeit bleibt also genügend Zeit, um im Bordrestaurant à la carte zu dinieren und anschließend in der Koje mit Bullauge zu nächtigen. Schlaf dürfte bei dem leichten Schiffsgeschaukel eh kein Problem sein.

Effizienz und die perfekte Lage ..

Das hat den Vorteil, dass der nächste Morgen ein ausgeschlafener Morgen ist. Dem Tag und somit der Erkundung der Stadt Newscastle steht somit nichts im Weg. Also schnell das Hotel finden, das Gepäck deponieren und einen Cappuccino zur Stärkung trinken und dabei die Karte studieren.

Effizienz ist an so einem durchgetakteten Wochenende ebenso wichtig wie ein Hotel mit der perfekten Lage. Eine Empfehlung wäre deshalb das Motel One im High Bridge Quarter. Gleich um die Ecke liegt das historische Herz der Stadt, Grainger Town. In nur wenigen Fußminuten erreicht man außerdem das Flussufer, die Quayside. Auch Bahnhof und Metrostation sind zum Greifen nah.

Grey Street – ganzvoll  und geradlinig

Freitag, 13:00 Uhr

Zu Beginn empfiehlt es sich, Grainger Town anzusteuern. Orte, die unbedingt besucht werden sollen, am besten auf einer Karte markieren. So behält man auch unterwegs das Ziel im Auge. Erstes Ziel ist die Grey Street mit ihrer beeindruckenden georgianischen Architektur. Säulen, die prunkvoll in die Fassaden der Häuser eingearbeitet wurden, abgeschlossen mit aufwendigen Ornamenten, die ins Dach verlaufen. Fensterläden, die so hoch sind, dass eine Leiter zum Schließen benötigt wird, müssen die Räume in ein unglaubliches Licht tauchen.

Alte Gebäude in bräunlichen Farben

Claire Wells/Flickr.com

Die Gebäude der Straße wirken geradlinig, fast so, als würden sie durch eine Box führen. Das liegt zum einen daran, dass sie alle die gleiche Größe haben und oben wie abgeschnitten wirken. Außerdem geben die Säulen durch ihre parallele Ausrichtung eine klare Struktur vor. Fein und königlich, als würden die Bauten die Prominenz der Stadt beherbergen. Zahlreiche solcher Gebäude zieren die Straße, die vom Flussufer hoch Richtung Grey’s Monument führen.

Vom Fuße des Grey’s Monument lässt sich das Treiben der Stadt beobachten: Touristen, die wie verrückt versuchen, die 40 Meter hohe Statue zu fotografieren. Geschäftsleute, die in ihrer Mittagspause kurz einen Kaffee und ein Sandwich kaufen und dann wieder in den Büros verschwinden. Jugendliche, die vom riesigen Einkaufszentrum intu Eldon Square verschluckt werden. 164 Stufen später und garantiert außer Atem lässt sich die Spitze des Monuments erreichen. Die Vogelperspektive eröffnet einen noch schöneren Blick auf die Stadt. Das Grey’s Monument wurde nach keinem Geringerem als dem Briten Charles Grey, 2. Earl Grey benannt, dem auch der berühmte Earl Grey Tea seinen Namen verdankt.

Alte Gebäude spiegeln sich in neuem verspiegeltem Gebäude

Deouro/Flickr.com

Das macht absolut Gin …

Freitag, 15:00 Uhr

Sollte – falls es eventuell regnet, und in England soll es ja ab und an mal regnen – Zeit für einen Unterschlupf sein, haben wir die perfekte Lösung: The Botanist Bar. Nicht wundern, wenn aufgedonnerte Mädchen ebenfalls durch die mintfarbene Tür verschwinden. Es ist dennoch der richtige Ort – auch im Sightseeing-Straßenlook. Einfach den Pfeilen an der Hauswand in die dritte Etage folgen und: Willkommen im Großstadtdschungel! Denn die Bar macht ihrem Namen alle Ehre: Überall hängen Pflanzen – an Wand, Decke und Boden.

Das Publikum: von Jung bis Alt ist hier alles vertreten. Männer, Frauen, Jugendliche, einer schicker als der andere. Typisch britisch eben. Hier gehört es zum guten Ton, am Nachmittag bereits den ersten Gin Tonic zu schlürfen. Hier macht das Leben absolut Gin.

Von groß zu klein …

Freitag, 16:00 Uhr

Danach lässt es sich auch leichtfüßiger bummeln. Am besten Richtung Grainger Market. Der Regen hat nachgelassen. Unterwegs passiert man die Central Arcade, die mit ihrer edwardianischen Architektur beeindruckt. Unbedingt auch einen Blick auf die tollen Fliesen am Boden der Einkaufspassage werfen. Da ist es vollkommen okay, den Geschäften ausnahmsweise mal weniger Aufmerksamkeit zu schenken.

Alte Central Arcade in Newcastle mit vielen Lichtern.

Angi Wallace/Flickr.com

In den 1830er-Jahren war der Grainger Market eine der größten Markthallen in Europa. Kaum zu glauben, denn heute wirkt sie im Vergleich zu anderen Markthallen eher überschaubar: Kleine Ablagen und schmale Räumlichkeiten bieten maximal Platz für zwei Verkäufer pro Stand.

Von Gemüsehändler über Florist bis zu kleinen Cafés ist in der Markthalle dennoch alles vertreten. Außerdem befindet sich hier der Marks and Spencer Original Penny Bazaar, die kleinste Marks-and-Spencer-Filiale der Welt. Dementsprechend klein ist auch das Sortiment.

Pleased to eat you … nichts für Vegetarier

Freitag, 19:30 Uhr

Nach kurzer Frischmachpause empfehlen wir eine erstklassige Dinner-Location und sie befindet sich nur zwei Häuser weiter: Pleased To Meet You. Zugegeben, nichts für Vegetarier, aber ansonsten eine Augenweide an Restaurant. Kupfer leuchten die Rohre, die sich hier an den Wänden entlangschlängeln. Kupfer sind auch die Kerzen, die den Raum in ein warmes Licht tauchen.

Ein richtig hipper Schuppen. Davon zeugt auch die XXL-Auswahl an Gin-Sorten, die über der Bar thront. Unser Tipp zur Vorspeise: Burrata mit Feigen und Rucola. Fleischliebhabern wird bei einem Blick auf die Speisekarte natürlich das Herz aufgehen: Entenbrust mit Frucht-Chutney und Roter Bete. Oder doch lieber Hühnchen, Reh oder Kaninchen?

Dinner mit schön angerichtetem Essen

Linda Ruckes

Kaufrausch, Kunst & Köstlichkeiten

Samstag, 10:00 Uhr

48 Stunden in Newcastle – die könnte man womöglich allein mit Shopping verbringen. Unweit des Stadtzentrums befindet sich nämlich eines der größten Indoor-Einkaufszentren Europas, das intu Metrocentre in Gateshead. Im Stadtzentrum selber, gleich bei Grainger Town, erstreckt sich außerdem das intu Eldon Square. Doch – ganz untypisch britisch – scheint vielleicht die Sonne.

Deshalb empfehlen wir einen Spaziergang nach Ouseburn, dem Künstlerviertel der Stadt. Wer mag, kann ein kleines Einkaufserlebnis auf dem Weg einschieben. Denn das intu Eldon Square liegt nur fünf Gehminuten vom Hotel entfernt. Doch Achtung, das Einkaufszentrum ist ein riesengroßes Labyrinth aus Geschäften, das sich über das gesamte Stadtzentrum verteilt. Die Eingänge des Einkaufszentrums begleiten einen bei einer Stadttour auf Schritt und Tritt. Deshalb braucht man schon ein wenig Orientierung. GoogleMaps sei Dank schafft man es dann leichter Richtung Flussufer.

Über sieben Brücken musst du gehen ..

Die Stadt Newcastle, eigentlich Newcastle upon Tyne, liegt am Nordufer der Tyne. Die Quayside mit ihren vielen Pubs, Cafés und Restaurants schreit quasi nach einem gemütlichen Spaziergang. Auch architektonisch gibt es auf der Strecke einiges zu sehen. Sieben Brücken, die unterschiedlicher kaum sein könnten, verbinden Newcastle mit der Nachbarstadt Gateshead. Die wohl auffälligste Brücke ist die Gateshead Millennium Bridge. Sie sticht besonders wegen ihrer modernen Architektur hervor – und sie ist die einzige kippbare Brücke der Welt.

Viele verschiedene Brücken von Ufer mit Altstadt.

derekuk2000/Flickr.com

Die zwei Gebäude am gegenüberliegenden Ufer der Tyne bilden einen herrlichen Kontrast: Das fabrikähnliche Gebäude des BALTIC erinnert an Newcastle als Industriestadt. Heute beherbergt die frühere Tierfutterfabrik das Museum für zeitgenössische Kunst. Der Eintritt ist frei. Wie ein Klotz wirkt das Museum, wenn man seinen Blick weiter nach rechts schweifen lässt und einem die geschwungenen Linien des Sages Gateshead ins Auge fallen. Die Architektur erinnert an eine riesige Raupe in hochglänzendem Silber, deren Kopf man beim Bau vergessen zu haben scheint.

Fluss mit alten Fischerbooten und futuristischem Gebäude,

Iordanis/Shutterstock.com

Seit 2004 werden in dem Veranstaltungszentrum diverse Musikveranstaltungen und Konzerte ausgetragen. Beide Gebäude sind so gegensätzlich und genau deshalb ein passendes Sinnbild für Newcastle: auf der einen Seite die industriellen Züge und auf der anderen Seite der moderne Wandel, die riesigen Einkaufszentren, die schicken Restaurants.

Samstag, 13:00 Uhr

Ouseburn. Hier muss es sein. Die Quayside hinter sich gelassen, schmücken fortan Graffitis die Hauswände. Die Kunstwerke perfektionieren das Bild der ehemaligen Industriestadt. Sie verleihen den alten Gemäuern Flair. Ouseburn hat sich in den letzten Jahren zum Trendviertel der Stadt entwickelt. Künstler und Familien haben sich hier niedergelassen. Cafés wie das Ernest, Druckereien und Ateliers wie Northern Print und kleine Mikrobrauereien wie der Arch2 Brewpub stehen für blühende Kreativität und Handwerkskunst.

Make/Eat some new stuff

Samstag, 15:00 Uhr

Die Mehrheit hätte sich womöglich für einen Besuch des BALTIC entschieden. Wer sich entscheiden muss, dem empfehlen wir mal, ungewöhnliche Wege zu gehen und in der The Biscuit Factory vorbeizuschauen. Schon von außen bezirzt die alte Lagerhalle. Heute beherbergt sie die größte Kunst-, Handwerk-und Design-Galerie des Vereinigten Königreichs. Auch im hauseigenen Café, dem The Factory Kitchen Café, kommt Kunst auf die Teller. Neben Scones und verschiedenen Kuchen stehen auch herzhafte Gerichte auf der Speisekarte, die mit saisonalen und lokalen Produkten gezaubert werden.

Volle Craft voraus

Neonschriftzug craft beer for the people

Karolina Szczur/unsplash.com

Samstag, 19:00 Uhr

Nach einem kulturellen Nachmittag in der The Biscuit Factory empfehlen wir eine kurze Verschnaufpause im Hotel. Duschen, frisch machen und umziehen, bevor man sich ins Nachtleben  der Stadt wirft. Im Byron, einem Burgerladen direkt am Grey’s Monument, kommen auch Vegetarier auf ihre Kosten. Der Jack Stack Burger klingt aber auch wirklich verlockend: Bohnenpatty mit Jackfruit, Guacamole und Babyspinat. Dazu: Halloumi Fritten. Hier weiß man, wie man Vegetarier und Nichtvegetarier glücklich macht.

Gesättigt und zufrieden verlässt man das Byron. Bierliebhaber haben jetzt die Qual der Wahl, denn Pubs gibt es in der Stadt reichlich. Das BrewDog Newcastle besticht durch seine riesige Auswahl an Craft-Bieren. Auch der Hop & Cleaver ist eine sehr gute Anlaufstelle. Der Pub an der Quayside braut nicht nur sein eigenes Bier, auch räuchern sie ihr Fleisch selber und haben eine breit aufgestellte Karte an außergewöhnlichen Cocktails – ideal also auch für alle nicht Biertrinker. Für das leibliche Wohl ist auch gesorgt, sollte einen später noch mal der Hunger einholen.

Doch weder Speis noch Trank können die einmalige Location des Pubs übertreffen: In alten Gemäuern machen sich Bar, Brauerei und Restaurant breit. Als würde man in die Hinterwelt Newcastles eintauchen – und nicht mehr herauswollen.

Altes Pubs mit Bier und Barhockern

Linda Ruckes

Mit Fish ‘n’ Chips zum Strand

Sonntag, 10:00 Uhr

Der letzte Abstecher führt 30 Minuten Tyne abwärts nach Tynemouth. Das eigentliche Ziel ist der Strand, doch der muss erstmal warten. Denn vorher empfiehlt sich ein Bummel über den Flohmarkt. Mitten im Bahnhofsgelände breiten sich zig Stände aus. Selbst gemachte Süßigkeiten, origineller Schmuck und coole Second-Hand-Kleidung – hier gibt es alles, was das Herz begehrt. Ein Bummel über den Markt ist ein Muss in Tynemouth.

Zwar bringen einen Schokoküsse mit Orangen Himbeer oder Minzgeschmack in Versuchung, doch was wäre ein Großbritannien-Besuch ohne eine Portion Fish ‘n’ Chips? Die beste (und authentischste) Anlaufstelle in Tynemouth ist Rileys’s Fish Shack. Die urige Fischbude liegt gleich unten am  Strand. Schon von Weitem aber ist die Schlange meist nicht zu übersehen. Alternativ schlagen wir die Longsands Fish Kitchen vor. Das Restaurant wurde als bester Fish & Chips Newcomer 2017 ausgezeichnet – und enttäuscht nicht.

Fish n Chips Ladenschild

Linda Ruckes

Das Meeresrauschen und die frische Windbrise begleiten einen durch die kleinen Gassen, vorbei an Restaurants und Shops, wieder zurück zum Bahnhof. Jetzt heißt es Abschied nehmen. Auf Wiedersehen, Tynemouth, auf Wiedersehen, Newcastle.

Einsamer Strand mit Dünen und Kirche.

Paul J Martin/Shutterstock.com

Tipps: Anreise und Unterkunft

Allgemeine Informationen über Newcastle upon Tyne gibt es über das Fremdenverkehrsamt Großbritanniens.

Anreise: Direktflüge nach Newcastle bieten Easyjet von Berlin-Schönefeld oder Eurowings von Düsseldorf aus. Außerdem verkehrt die Fährreederei DFDS täglich zwischen Amsterdam und Newcastle.

Schlafen: Das Motel One in dem angesagten High Bridge Quarter liegt in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof Newcastle Central und ist ein optimaler Ausgangspunkt für einen Aufenthalt in Newcastle.