Ich wollte immer schon ein Surfer sein. Vermutlich ist Keanu Reeves schuld und der Umstand, dass er nach seinem Auftritt in »Gefährliche Brandung« 1992 zum »begehrenswertesten Mann Amerikas« gewählt wurde. Im Prinzip würde mir schon reichen, zum begehrenswertesten Mann Schleswig-Holsteins gekürt zu werden, aber mir ist klar, dass ich selbst dazu erst mal surfen lernen sollte.
Das Problem ist: Ich kann nicht gut schwimmen. Ich bin auch nie auf einem Skateboard unterwegs gewesen. Plus: Ich habe seit 1992 zwar hin und wieder den lässigen Lifestyle von Surfern imitiert (außerhalb des Wassers) und sogar hawaiianische oder südkalifornische Strände besucht, bin aber bei der ausschließlich passiven Annäherung ans Wellenreiten ziemlich alt geworden. So alt, dass ich jeden Morgen froh bin, unfallfrei aus einem Bett zu steigen statt auf ein unkontrolliert gleitendes Kunststoffbrett.
Coole Boys am Bondi Beach
Neulich nun verbrachte ich mal wieder einen Winter im australischen Sydney, als ich einen Anruf erhielt: Kannst du mal aufschreiben, wie es sich so anfühlt, als Anfänger auf so einem Surfbrett zu stehen? Das war meine letzte Chance. Ich lieh mir ein mannshohes gelbes Longboard aus Glasfasergewebe von meiner Freundin Julica (einer Bondi-Livesaverin!) und bereitete mich gewissenhaft auf meinen Selbstversuch am Bondi Beach vor. Ich hörte zum Beispiel die aktuelle Jack-Johnson-CD und ließ mir von Julica genau erklären, an welcher Stelle ein Hai einem unvorsichtigen Surfer neulich erst die Hand abgebissen hatte – ziemlich nah am Icebergs übrigens, dem legendären Szenespot in Bondi.
Derart präpariert schwang ich mich in den frühen Morgenstunden bäuchlings auf das schicke Brett und paddelte los. Man muss dazu wissen, dass der Bondi Beach zu den berühmtesten Surferspots auf der ganzen Welt gehört. Das liegt nicht ausschließlich daran, dass man dort so nett posen kann. Es hat auch mit den ziemlich hohen Wellen zu tun.
»Wenn du überhaupt ein-, zweimal für ein paar Sekunden stehen kannst, wäre das schon prima«,
hatte Julica mir noch auf den Weg gegeben, neben einigen wichtigen Verhaltenstipps für Dummies: so weit vorn wie möglich auf dem Brett liegen. Gleichmäßig paddeln. Das Brett beim Duckdiven nie loslassen. Eine Welle, EIN Surfer. Und: nicht mehr Wasser schlucken als unbedingt nötig … Julica meinte das übrigens ernst, denn sie hat als Bondi-Lifesaver schon Leute mit blauen Köpfen aus dem Meer geholt, die bloß mal mit einem Funboard in Zigarrenform ein wenig auf dem Wasser herumrutschen wollten.
Die Erkenntnis: Null Talent!
Ich behaupte nicht, dass Surfen so viele Geheimnisse birgt wie die Weltraumforschung. Aber es ist auch nicht so einfach, wie es aussieht. Ich versuchte ungefähr fünfzigmal, in einem Akt wilder Verzweiflung auf mein Brett zu kraxeln, während es sich unkontrolliert mit einer Welle abkämpfte. Slapstick pur. Kaum hatte mein linker Fuß festen Boden erreicht, überholte mich der rechte schon auf Augenhöhe und ich versank in einem wirbelnden Strudel aus Wasser und Meeresfrüchten (zum Glück aber kein Hai weit und breit).
Ich brauchte ungefähr eine Stunde lang, um zu erkennen, welche Wellen für mich infrage kommen würden (eher kleine), und eine weitere Stunde, um zu realisieren, dass meine (aktuell angepassten) Einschätzungen immer noch zu optimistisch waren. Einmal schaffte ich es, mit beiden Füßen auf dem Board zu stehen, für ungefähr eine Zehntelsekunde – in der klassischen Bückhaltung, die normalerweise auf Toiletten zu Hause ist.
Das war der Höhepunkt meiner Karriere als Surfer. Ich schluckte eine Menge Salzwasser, fing mir einen gescheiten Sonnenbrand ein und viele irritierte Blicke von Menschen, die schon mehr als einmal auf einem Surfbrett gestanden hatten. Was übrigens der Tiefpunkt meiner Karriere als Surfer war, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Ich schwanke noch. War es der Moment, als meine Frau mir riet, mich besser nicht IM Wasser mit einem Surfbrett fotografieren zu lassen und mir besser auch noch ein T-Shirt überzustreifen? Oder war es die belustigte Bemerkung Julicas, dass ich der einzige Surfanfänger sei, der sein Leistungsvermögen richtig einschätzen könne:
»Du hast das Brett der Lifesafer ja schon dabei!«
Aber was soll’s: ICH habe jetzt jedenfalls den berühmten Bondi Beach auf einem Surfbrett gerockt. In echt. Wer kann das schon von sich behaupten?
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