Die Kanareninsel ist alles andere als ein langweiliges Pauschaltouristenziel, gerade wenn man den Süden ausspart. Denn hier im Norden ist Teneriffa überraschend abwechslungsreich mit Dschungelflair, Badeparadiesen, Kolonialstädtchen, Mondlandschaften. Alles so dicht beieinander, dass man nie länger als eine Autostunde bis zum nächsten Highlight braucht. Welche Spots sich besonders lohnen? Diese hier! Text: Susanne Pahler
Grüner wird‘s nicht: das Orotava-Tal
Bananen, Sukkulenten, Palmen, Wein: Hier wächst alles dicht an dicht. Beinahe neonfarben leuchtet deshalb das weitläufige Tal, das eigentlich ein gigantisches, schräg ins Meer abfallendes Plateau ist, zu Urzeiten entstanden durch einen tektonischen Bruch. Darüber schwebt stolz der kegelförmige Teide.
Am unteren Ende: Strände aus feinem, schwarzem Vulkansand, das Wasser indigofarben und manchmal so abenteuerlich wild, dass Wellenreiter sich nur zu gerne hineinstürzen. Am Strand von Bollullo in El Rincon etwa: Die Bucht ist von Klippen eingerahmt, hat eine kleine, bewirtete Strandhütte und gehört trotz ihrer Beschaulichkeit eher zu den Geheimtipps der Insel. Immerhin sind ein paar Hundert Meter zu Fuß nach unten nötig, bevor man sich den Sand durch die Zehen rieseln lassen kann.
Ganz in der Nähe liegt Puerto de la Cruz. Zwar beleidigen ein paar Hochhaus-Bausünden aus der Frühzeit des Massentourismus das Auge, im Kern aber ist die zweitgrößte Inselstadt mit ihrer alten Bausubstanz hübsch und geschäftig. Fischer bringen im Hafen ihren Fang an Land, schwarz gekleidete Frauen besuchen die Kirchen. Abends treffen sich die Locals auf ein Bier. Und dann ist da im Tal noch das namensgebende La Orotova, steil am Hang hängend, kopfsteingepflastert und ausgestattet mit Herrenhäusern und Palästen samt filigran gedrechselten Holzbalkonen und grünen Innenhöfen. Eine Schmuckschatulle!
Beste Aussichten
Mirador de Humboldt. Aussichtsplatz auf der oberen Landstraße zwischen Cuesta de la Villa und Las Cuevas mit einer Bronzeskulptur des Naturforschers Alexander von Humboldt. Er war 1799 hier und schwer begeistert von der Landschaft.
Sunset 290. In-Lokal in Santa Úrsula mit Baldachinen, Strohschirmen, Chill-Betten, Buddha-Statuen und Sandboden an einem Felsen hoch über dem Meer.
El Nido Paraiso. Gästehaus in Santa Úrsula mit kleinem Garten und Wahnsinns-Meerblick Richtung Puerto de la Cruz, vermietet von der Deutschen Gabi Bapst (pro Nacht im Schnitt 149 Euro für bis zu drei Personen, über fewo-direkt.de, Objekt-Nr. 2019312).
Miniatur-Wunderland: das Bergdorf Masca
Wie ein kleiner Abguss des Machu Picchu liegt Masca in unglaublicher Lage vor einem zuckerhutförmigen Hügel. Erst seit rund 20 Jahren führt eine kurvenreiche Asphaltstraße durch die schroffe Bergwelt in den geteilten Ort: Aus tief eingeschnittenen Schluchten ragen drei Felsrücken empor, on top verteilen sich auf engstem Raum urige Bauernhäuser, Kakteen, Palmen, Bougainvillea-Sträucher und Mini-Terrassenfelder.
Das meiste Leben findet auf dem mittleren Bergkamm statt. Vom Parkplatz aus schlendert man auf seinem Grat über glatt geschliffene Treppenstufen und glänzendes Kopfsteinpflaster hinunter zur Kirche, kann an einem kleinen Stand frisches Obst kaufen, in Souvenir-Shops bummeln oder in einem der Terrassen-Lokale chillen.
Aussichtsreich sitzt man etwa vor der Bar »Blanky« bei einem Café con leche und lässt die – manchmal zahlreichen – Touristen einfach an sich vorbeiziehen. Trotz der Beliebtheit hat sich Masca seinen entspannten Charme bewahrt, gerade vormittags und gegen Abend, wenn die Ausflugsbusse noch nicht da oder schon wieder weg sind.
Für den Urlaub im Kleinen
Wandern. Durch die abgeschiedene Welt des Teno-Gebirges führt in sieben Kilometern ein wunderbarer Höhenweg. Vom Mirador de Cherfe aus geht es über Kämme, Grate, bunte Felsen zu einem Dreschplatz hoch über der Westküste Teneriffas, den Teide im Blick. Der perfekte Brotzeitplatz! Zurück auf demselben Weg. Dauer: ca. 3 Stunden.
Essen. Die Casa Riquelme in der Lomo de Masca ist zwar nicht direkt im Hauptort, liegt dafür nach einem 15 Minuten langen Spaziergang umso beschaulicher. Auf die Tische kommen frische kanarische Tapas und Säfte, der Blick auf die Berge und das Meer ist fantastisch.
Übernachten. Über Airbnb kann man sich etwa bei Gabriela im privaten Doppelzimmer mit Bad »Room with a view« einmieten. Es gibt keine Küche, dafür aber traumhafte Aussicht auf die Berge, einen kleinen, verwunschenen Privat-Palmengarten und auf Wunsch kaltes Abendessen (ab 82 Euro).
Am Ende der Inselwelt: Rund um Punta de Teno
Wagemutig ist die Stichstraße in die Felsen geschlagen. Immer weiter geht es Richtung Nordwesten, durch düstere, feuchte Tunnel, in denen man trotz Autolicht nicht einmal die Ausfahrt in der Ferne sieht. Der Weg an das (eine) Ende der Inselwelt ist einsam und erstaunlich lang – und dann erscheint am Horizont der Leuchtturm der Punta de Teno. Rot-weiß-gestreift und dick wie aus dem Bilderbuch wächst er aus den bröseligen Lavafelsen.
Der Wind tost, die Gischt klatscht. Das Ufer ist stellenweise befestigt und ein toller Spot, um im Abendlicht auf der Kaimauer zu sitzen, im Süden die Steilwände von Los Gigantes, daneben die Insel La Gomera. Damit konkurrieren kann in der Gegend eigentlich nur die Terrasse des Restaurants »El Burgado« bei Buena Vista del Norte: Unter Fischernetzen sitzt man direkt über dem Meer, durchs Lokal, das in den Fels integriert ist, fließt ein kleines Bächlein, den Fisch wählt man selbst aus der Vitrine. Hier den Sonnenuntergang erleben – ein wahr gewordener Inseltraum!
Sehenswertes in der Nähe
Garachico. 1706 wurde der Ort vom Vulkanausbruch beinahe komplett zerstört und eifrig wieder aufgebaut. Heute ist es eines der schönsten Dörfer im Norden von Teneriffa mit schattiger Plaza, Kloster, Herrschaftshäusern, Burg am Meer und einem natürlichen Felsenschwimmbad aus verschieden großen Lava-Pools.
Icod de los Vinos. Im Parque del Drago steht ein uralter Drachenbaum. 1.000 bis 3.000 Jahre alt sei er, heißt es, die Forschung sagt: nur 500 Jahre. Imposant ist er allemal. Der Garten, der ihn umgibt, ist eine wildwüchsige Oase, das Dorf drum herum voller hübscher Winkel und Plazas.
Casa Hamilton. Die malerische und begehbare Industrieruine bei Los Realejos, ein ehemaliges Wasserwerk, erreicht man am besten bei einem ausgedehnten Spaziergang ab dem Mirador de San Pedro Richtung Osten. Der Pfad führt durch Palmenwälder, über Terrassenfelder und Kopfsteinpflaster. Der abwechslungsreiche Panorama-
blick ist der Hammer.
Wie auf dem Mond: Teide-Nationalpark
Viele Kehren durch dichten, duftenden Kiefernwald. Dann öffnet sich plötzlich eine weite Ebene aus Geröll und Steingiganten. Willkommen im Riesenkrater des Teide, dem dritthöchsten Inselvulkan der Erde! Um das alles etwas besser zu begreifen, fährt man am besten ganz hoch hinaus: Die Seilbahn bringt Besucher auf
3.555 Meter. Am Horizont erspäht man bei gutem Wetter die anderen Kanareninseln im tiefblauen Meer.
Am Fuß des Teide blickt man über das weite Vulkanbecken, die Cañadas, direkt um einen herum dampft und schwefelt es aus Steinrissen. Das Innere des Vulkans rumort nach wie vor, obwohl der letzte Ausbruch schon mehr als 200 Jahre her ist. Auch schwer beeindruckend: im Krater wandern, zum Beispiel um die Roques de García. Am Mirador de la Ruleta geht es los, den Teide immer im Blick, vorbei an gewaltigen Felsformationen in Rot, Weiß und Ocker. Es geht weiter über schwarz bis violett schimmernde Lava, deren einst flüssige Konsistenz immer noch erkennbar ist. Die Beine streifen dabei unverwüstliche Sträucher und Disteln – und man fühlt sich bei dieser Zwei-Stunden-Rundtour wie auf einer kühnen Geologie-Expedition.
Erkundungs-Highlights
Das Teide-Besucherzentrum bietet einen 10-Minuten-Film über den Ursprung der Insel, einen
nachgebauten Vulkantunnel und einen botanischen Lehrpfad (in El Portillo am Nordost-Zugang des Nationalparks, Carretera TF-21, Kilometerpunkt 32,1, Eintritt frei).
Der Gipfel des Teide auf fast 3.718 Metern ist der höchste Punkt Spaniens und ab der Seilbahnstation in rund 25 Minuten zu Fuß zu erreichen, aus Umweltschutzgründen allerdings nur nach kostenloser Online-Ameldung. Die Plätze sind teilweise Wochen im Voraus ausgebucht.
Hotel Parador. Mitten im Krater gelegene, rustikale Berg-Lodge mit viel massivem Stein und
dunklem Holz, offenem Kamin, kleinem Indoor-Pool und hervorragendem Restaurant. Perfekt, um nachts dem Sternenhimmel ganz nah zu sein und morgens die Cañadas in ihrer ganzen Einsamkeit zu erleben (DZ ab ca. E 100).
Wild und ungestüm: das Anaga-Gebirge
Üppiges Grün auf zerklüfteten Bergen, vom Meer umtoste Steilklippen, kleine Bäche, die aus den Höhen herunterplätschern: Das feuchte, einsame Anaga-Gebirge im äußersten Nordosten ist kaum zu fassen vor Schönheit. Um direkt ins grüne Felsenmeer einzutauchen, kann man zum Beispiel nach Chinamada fahren. Hier leben die Menschen noch wie die Ureinwohner Teneriffas in ausgebauten Wohnhöhlen, die Felsfassaden davor bunt angemalt. Wie das von innen aussieht? Einfach im Höhlenrestaurant »La Cueva« einkeh-
ren.
Ein naturnaher Spaziergang für vorher oder nachher führt von hier in etwa 20 Minuten zum Mirador de Aguaide. Vor den Fußspitzen dann: senkrecht abfallende Felsen und stürmische Atlantikbrandung. Unten am Meer kann es richtig wild zugehen, etwa in Roque de las Bodegas die Küste weiter runter, dem Hotspot für einheimische Surfer. Der kleine Ort ist von spitzen Felsnadeln eingerahmt, den Wellenreitern kann man vom schwarzen Strand oder von einem der Fischlokale an der kleinen Straße aus zusehen.
Streifzüge durchs Gebirge
Eine gigantische Fernsicht erklimmt man von Benijo über El Draguillo bis auf rund 450 Meter Richtung Chamorga. Dann geht es zurück nach Westen bis Benijo. Bester Picknickplatz ist der Felssporn etwa 20 Minuten nach dem höchsten Punkt mit Blick Richtung Westen. Dauer: ca. 2 Stunden.
Auf alten Maultiertreiberpfaden mit Blick auf Schluchten, durch wild wuchernde Landschaft und Terrassenfelder samt Ziegen- und Schafherden führt der 10 Kilometer lange Rundweg von Las Carboneras bis Chinamada und zurück. Dauer: ca. 2.5 Stunden.
Vom Anaga-Besucherzentrum in Cruz del Carmen aus führen drei »Wanderwege der Sinne« in märchenhafte Nebelwälder, die mit Symbolschildern zum Riechen, Fühlen und Hören des Lorbeer-Dschungels ermuntern. Nur kurz gucken? Der erste Pfad ist ein Laufsteg mit Terrasse, nach rund 10 Minuten ist man wieder am Ausgangspunkt. Die beiden anderen Routen führen auf alten Verbindungswegen über Brücken und Stufen tiefer in den Wald – und wieder hinaus.
Leben im kolonialen Erbe: La Laguna
Als La Laguna vor rund 500 Jahren gegründet wurde, war das eine Sensation: Die damalige Hauptstadt war der erste spanische Ort seiner Größe ohne Festungsmauern, außerdem hatte sie einen schachbrettartigen Grundriss. Diese Bauweise nahmen die Eroberer mit in die neue Welt, weshalb La Laguna, heute Weltkulturerbe, tatsächlich Modell für viele spanische Kolonialstädte stand, darunter Havanna auf Kuba, ebenfalls Weltkulturerbe.
Erstaunlich viel Kolonialarchitektur ist erhalten geblieben; in den autofreien, engen Straßen und an den weiten Plätzen stehen Adelspaläste mit begrünten, säulenbestandenen Patios neben uralten Kirchen, Glockentürmen und Klöstern. Verstaubt ist die Stadt dennoch nicht: Jeder fünfte Einwohner ist Student, die Dichte an Cafés, Restaurants und Bars ist entsprechend hoch. Die Temperaturen sind hier niedriger als in der Umgebung, was an heißen Tagen sehr angenehm sein kann. Wenn es doch mal zu kühl wird: einfach shoppen gehen, es gibt Boutiquen und alteingesessene Läden mit Kräutern, Strumpfhosen, Musikinstrumenten. Und sich danach vom Wind in das nächste Lokal wehen lassen.
Schlemmer-Tipps im Norden von Teneriffa
Frühstück. »Cia. La Pera Limonera«, charmantes Mini-Café mit ein paar Tischen auf der ruhigen Gasse, hervorragendem Kaffee, saftigem, hausgemachtem Kuchen und tollem Brot, vieles in Bio-Qualität.
Mittagessen. »Restaurante Guaydil«, in den Räumen helles, modernes Dekor, auf den Tellern großzügige Portionen aus der kanarisch-arabisch-asiatischen Fusionküche.
Abendessen. »Malela Comidas & Cafe«, ein kleines, in warmes Licht getauchtes Restaurant mit modern interpretierter Oma-Küche, köstlich wie im Haubenlokal (Calle San Juan 66).
Fast wie Barcelona: Santa Cruz
Eine Stadt am Meer mit Jugendstilarchitektur, duftend bepflanztem Boulevard, mit nostalgischen Kiosken, Parks, Terrassen-Cafés: Was wie Barcelona klingt, ist Santa Cruz, das erstaunlich urban ist. Wegen der Calle del Castillo etwa, einer langen Shopping- und Flaniermeile zwischen restaurierten, alten Fassaden.
Oder der modernen Plaza de España, einer Relax-Area: In ihrer Mitte liegt ein runder, türkisfarbener Meerwassersee samt Fontäne, drum herum stehen schicke Pavillons mit hängenden Gärten. Der Parque García Sanabria am anderen Ende der Stadt ist mit romantischen Arkadenwegen, Brunnen, Lotosblumenteich, Bambusweg, Kakteen- und Kräutergarten sowieso ein Traum.
Und sogar einen Stadtstrand gibt es (fast): Rund 15 Autominuten entfernt liegt die künstlich aufgeschüttete, goldfarbene Bucht von Las Teresitas mit kleinen Kiosken und viel Platz.
Zum Stadtluft schnuppern
TEA Tenerife Espacio de las Artes. Viele Werke des auf Teneriffa geborenen großen Sur-
realisten Óscar Domínguez, dazu Ausstellungen zur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. Das
graue Gebäude mit Fenstern wie aus dem Tetris-Spiel hat das Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron entworfen.
El Aderno. Achtung, hier wird verführt – mit göttlichem Süßkram! Orangen-Streusel-Tarte zum Bei-
spiel oder traditionelle Gofio-Wolken aus geröstetem Getreidemehl (eladerno.com).
Garimbar. In der argentinisch-amerikanischen Bar gibt es gutes Bier, tolle Steaks und Top-
Burger, serviert in coolen Holzkistchen.
Mehr Infos über den Norden von Teneriffa
Reisezeit. Teneriffa ist eine Insel des ewigen Frühlings. Selbst im November hat es im Schnitt tagsüber noch 24 Grad, im Januar und Februar immerhin noch 21 Grad. Der Norden ist etwas kühler als der Süden, dafür aber auch grüner und weniger touristisch.
Autovermietung. Auch wenn es viele gute Busverbindungen gibt, macht Teneriffa ohne Auto nicht ganz so viel Spaß. Am Flughafen Süd gibt es rund ein Dutzend Anbieter, vorher buchen und vergleichen lohnt sich.