Oman ist kein weißer Flecken auf der Weltkarte des Tourismus mehr und lockt mit 1001 Brauntönen und der wunderbaren Weite der Wüste. Doch auch türkisgrüne Abkühlung ist im Sultanat garantiert. Text: Markus Grenz

Mein Abenteuer »Wahiba-Wüste« beginnt mit einem Pfeifen. Behutsam lässt mein Fahrer die Luft aus den Reifen unseres kantigen Geländewagens, bis die Pneus nur noch halb so prall sind. »Dadurch erhöht sich die Auflagefläche und damit auch die Haftung«, erklärt mir Selmen. Als erfahrener Wüstenfuchs beherrscht er die Handgriffe im Schlaf, klärt die wichtigen Fragen routiniert. Ist der kleine Kompressor zum Wiederaufladen der Reifen an Bord? Hat die Batterie des Funkgeräts noch genug Saft? »Alles klar, alles anschnallen«, kommandiert der Pilot. Anschnallen? Warum, das werde ich bald erfahren. Es geht los. Nach ein paar Kilometern über sandige Straßen, vorbei an dunkelbraunen Gesteinsmassen, ändert sich die Landschaft schlagartig. Ich muss die Luft anhalten.

Jeep in der Wüste

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Farbenprächtiges Spektakel in der Wahiba-Wüste

Vor mir breitet sich, so weit das Auge reicht, eine Mischung aus Orange, Rot und Braun aus. Selmen stoppt und deutet auf eine gewaltige Düne zur Rechten. »Durch die Verwehungen am Fuße erscheinen sie kleiner«, untertreibt er. So klein erscheint mir der Sandberg nicht. Knapp 100 Meter hoch ist der Riese. Ein paar Berber hoppeln stecknadelgroß auf ihren Kamelen durch das Bild. Hier, rund 190 Kilometer südlich von Omans Hauptstadt Muscat, beginnt eine andere Welt. 250 Kilometer fährt man von der Nordspitze der »Ramlat al-Wahiba«, der Sandwüste Wahiba, bis zu ihrem südlichen Endpunkt.

Vom Indischen Ozean aus erstreckt sie sich 80 Kilometer weit ins Inland. Im Vergleich mit der Sahara ist sie allerdings nur ein Sandkasten. 12500 Quadratkilometer sind für mich jedoch völlig ausreichend. Vor allem, wenn man mit einem Wüstensohn unterwegs ist. Laut heult der Motor auf, als unser Fahrer die erste extreme Steigung nimmt und die Räder in dem feinen Sand nicht mehr voll zupacken können. In meinen Gurten werde ich hin und her geworfen. Selmen grinst dabei nur – »Dünen-Bashing« ist ein Sport für die einheimischen Fahrer, und ich merke, wie auch mir die ganze Sache anfängt, Spaß zu machen.

Omaner in Wahiba-Wüste

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Schnell verändert sich meine Perspektive. Aus dem Blau des Himmels wird wieder das allgegenwärtige Orange. Wir stehen auf dem Kamm in über 50 Metern Höhe an einem Abhang, der für einen alpinen Wintersportler geeigneter erscheint als für ein eineinhalb Tonnen schweres Geländeauto. Behutsam fährt Selmen hinab, jetzt bloß nicht querstellen, sonst liegen wir auf dem Dach.

Zu Gast bei Beduinen in der Wahiba-Wüste

Der Sand, der von unseren Rädern verdrängt wird, ist so fein, dass er beim Hinabrieseln aussieht, als wäre er flüssig. Selmen nimmt auch die nächste Steigung wie ein Rallye-Profi, unser Konvoi stoppt und stellt die Motoren aus. Uns empfängt die Stille. Und die ist so etwas wie ein Leitmotiv für meine Reise durch dieses riesige und fast menschenleere Land, in dem das Laute fehlt. Auf einer Fläche, die nur geringfügig kleiner ist als die Deutschlands, leben in Oman gerade einmal 2,5 Millionen Menschen.

Straße im Oman mit Schild

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Von einem richtigen asphaltierten Straßennetz kann man kaum sprechen, wohl aber von wenigen Schnellstraßen in die wichtigen Siedlungen. Um Ruhe zu finden, muss man also nicht unbedingt in die Arabie-Wüste fahren. Autos sind nicht so häufig anzutreffen wie in den anderen Ländern der Arabischen Halbinseln, und der gewohnte, ständig präsente Hintergrundlärm ist in diesem weiten Land mit den 1001 Brauntönen ungefähr so üblich wie ein Schneesturm.

Sprung in die Moderne vollzogen

Trotzdem hat das Sultanat einen Sprung in den vergangenen 40 Jahren hinter sich gebracht, der es praktisch vom Mittelalter in die Moderne katapultierte. Einen kleinen Eindruck davon, wie es einmal war, bekomme ich bei unserer ersten richtigen Rast rund 20 Kilometer innerhalb der Wahiba-Wüste.

Hier lebt der Beduine Issam auf geschätzten 70 Quadratmetern in seinem Frauenhaushalt mit Mutter, Ehefrau und Tochter in einem wild zusammengewürfelten Zelt. Teppiche sind auf dem gesamten Boden ausgelegt, an den Wänden hängt allerlei goldener Zierrat und natürlich ein Bild des landesweit beliebten Sultans Qabus. Verschleiert empfangen uns die Damen des Hauses, die kleine Tochter springt um uns herum und zieht Grimassen.

Kind mit zwei Kamelen im Oman

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Stolz lächelt das Familienoberhaupt und fängt an zu erzählen. »Mein Vater ist noch umhergezogen. « Der Sohn hat mit der Tradition gebrochen. Vier Ziegen und eine Kuh versorgen die Familie mit dem Notwendigsten. Den Rest bringt der Vater aus der »Stadt« mit, einer kleinen Ansiedlung am Rande der Wüste. Issam hat einen »anständigen« Beruf erlernt. Er ist Lehrer an einer der zahlreichen Schulen des Landes. Noch unter dem alten Sultan Said gab es in Oman gerade einmal eine Knabenschule. Mittlerweile beträgt die Alphabetisierungsrate offiziell 80 Prozent. »Hier ist viel passiert«, sinniert der Berbersohn und bietet uns Touristen eine Ansammlung von Kunsthandwerk zum Kauf an.

Wassersport im Wüstenstaat

Auch in dieser Hinsicht hat sich in Oman eine Menge verändert. Für eine Reise hierher benötigt man nämlich längst keine persönliche Erlaubnis des Sultans mehr. Neben vielen Modernisierungen in Sachen Infrastruktur und Technik hat er vor allem sein Land geöffnet. Ein weißer Fleck auf der Weltkarte des Tourismus ist dadurch verschwunden, und Reiselustige mit einer Vorliebe für wenig Berührtes kommen hier voll auf ihre Kosten. Im Norden erstreckt sich die farbenreiche und schroffe Felslandschaft des »Hajar al-Sharqi«-Gebirges und lädt zum Trecken oder Klettern.

Hajar al-Sharqi

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An den über 1700 Kilometern Küste kann man auf menschenleeren Stränden in den paradiesisch warmen und glitzernden Indischen Ozean eintauchen. Große Korallenriffe und ihre Bewohner erschließen Tauchern und Schnorchelfreunden an der Nordspitze, in Musandam, vor der Küste Muscats oder weit im Süden, bei Mirbat, schillernde Unterwasserwelten. In Muscat oder der alten und heimlichen Hauptstadt Nizwa erlebt man die wuselige arabische Welt in einer nervenschonenden Variante und kann herrlich shoppen. Und Abenteuer im Sand gibt es in dem Wüstenstaat satt und genug zu erleben.

Picknick am Wadi Bani Khalid

Am besten, man tankt nach so einem trockenen Erlebnis neue Frische in einem Swimmingpool, den die Natur geschaffen hat. Einer der schönsten und grünsten des Landes wartet auf uns, nachdem wir die Wahiba-Wüste wieder verlassen haben. Besucht man den »Wadi Bani Khalid« nicht gerade an einem Feier- oder Freitag, wenn in Oman nicht gearbeitet wird, wartet eine paradiesische Oase auf den Besucher.

Wadi Bani Khalid im Oman

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Das Flussbett am Rand des Sandmeers wird das ganze Jahr über von höher gelegenen Quellen mit frischem Wasser gespeist. Im türkisgrünen Nass tummeln sich kleine Fische, am Ufer kann man unter Schatten spendenden Palmen eine Picknickpause einlegen und den Anblick der felsigen Umgebung genießen. Mich treibt die Lust aufs Eintauchen einige Meter den Flusslauf hinauf. Schwimmen ist gestattet, aus Rücksicht auf die lokalen islamischen Besucher sollte man dies allerdings an einer der vielen ruhigeren Stellen am gewundenen Ufer tun. Von einem flachen Felsen aus springe ich hinein ins kühle Vergnügen. Das Wasser ist wunderbar, und ich lasse mich von der unmerklichen Strömung tragen. Doch dann reißt mich ein schriller Ton aus meinen Träumen, der unerbittliche Chauffeur gibt das Aufbruchssignal. Und so endet mein Abenteuer »Wüste«, wie es angefangen hat: mit einem Pfeifen.

Hoteltipp für eine Reise nach Oman

Unterkunft. The Chedi Muscat liegt bei Al Ghubra auf großzügigen 8,4 Hektar Land direkt am Meer und ist etwa 20 Minuten von Maskats Altstadt entfernt. Das Luxusresort mit eigenem Privatstrand bietet 158 Zimmer und Suiten mit Blick auf die Gartenanlagen, den Golf von Oman oder das umgebende Hadschar-Gebirge. Neben sechs Restaurants mit arabischer, asiatischer sowie mediterraner Küche und verschiedenen Lounges verfügt das Resort über drei Pools, ein Health Club und ein 2011 eröffnetes Spa. Stararchitekt Jean-Michel Gathy von Denniston Architects hat das The Chedi Muscat entworfen.

Lobby im The Chedi Muscat

The Chedi Muscat