Wein, Gemüse, Obst: Es gibt nur wenige Orte in den USA, an denen man selbst im Restaurant nachvollziehen kann, woher die Zutaten kommen. In Sonoma County nördlich von San Francisco ist das kein Problem. Denn hier kommt fast alles von der Farm in die Küche. Text: Verena Wolff

Kayta Brady steht mit ihrer Hacke zwischen den Kürbissen, Paprika, Chilischoten und Zucchini. Sie muss den Boden auflockern, damit die Gießerei später etwas bringt. Es ist trocken in Forestville, der Nebel von der Pazifikküste zieht nicht so weit ins Landesinnere, dass er die Russian River Vineyards in Sonoma County vor dem täglichen Sommersonnenschein schützen könnte. Aber das macht nichts, »unserem Wein tut das gut«, sagt Giovanni Balistreri, einer der Gründer des Weinguts und der Winzer. Das Klima ist dem am Mittelmeer ähnlich, die Böden sind gut.

Russian River in Sonoma County

Verena Wolff

Doch es gibt nicht nur sehr gute Pinot Noir, Merlot, Chardonnay und Gewürztraminer zu verkosten und zu verkaufen, sondern auch ein Restaurant auf dem Weingut – und eben einen riesigen Garten. Und da ist Kayta die Chefin. Sie bespricht sich mit den Köchen und pflanzt, was in der Küche gebraucht wird.

»Ich probiere alte Sorten Gemüse aus und Sachen, die ich manchmal selbst noch nie gehört habe«, sagt sie lachend.

Ein rechtes Chaos scheint ihre kleine Farm zu sein, aber das richtet die Natur so ein. Denn wenn die Bohnen nach oben wuchern und die Tomaten zur Seite, zwischendrin verschiedene Sorten Erdbeeren gedeihen und dann auch noch einige Reihe Zwiebeln da sind, dann sieht es erstmal nach einem großen, grünen Durcheinander aus. Ist es aber nicht.

Farmerin in Sonoma County

Verena Wolff

Russian River Vineyards: Marktlücke gefunden

Zielstrebig geht Kayta auf ihre Beete zu und lässt auch Besucher von Büschen und Stauden probieren. »Das ist uns ja völlig abhanden gekommen, dass wir wissen, wo unsere Nahrungsmittel herkommen und wir sie einfach vom Strauch in den Mund stecken«, sagt sie. In den USA stimmt das sicher, denn das meiste ist doppelt und dreifach in Plastik verschweißt – und alles muss irgendwie standardmäßig aussehen.

Nicht so auf den Farmers‘ Markets, die es im Sonoma County zuhauf gibt. Da steht ein kleiner Stand, an dem nur Pfirsiche und Nektarinen angeboten werden. Verschiedene Sorten, verschiedene Reifegrade – und alle zum Probieren. Nebenan gibt es einen richtigen Farmer, wie auch wir ihn von unseren Wochenmärkten kennen.

Santa Rosa Markt

Verena Wolff

Der bietet Kohl und Rote Beete an, allerlei Wurzeln und Kartoffeln. Und wieder ein paar Stände weiter steht »Humble Roots«, wo Stacey Sprossen der verschiedensten Pflanzen verkauft. Eine Handvoll, eine viertel Palette oder gleich eine ganze gibt es da. Erbsen, Radieschen, Brokkoli – all diese Pflanzen werden nicht zum ausgewachsenen Gemüse, sondern eben ganz jung verkauft.

Stacey freut sich über jeden, mit dem sie ins Gespräch kommt und dem sie von ihrer Geschäftsidee erzählen kann. »Gemüse bauen hier viele Farmen an, wir haben unsere kleine Marktlücke gefunden«, sagt sie. Und sie schneidet gern ein paar Halme ab damit der Standbesucher ihre grüne Ware auch probieren kann.

Wo man gut und gerne mit dem Land arbeitet

Gut gemischt ist er also, dieser Markt, der nur einer von knapp zwei Dutzend ist, die es in dem County nördlich von San Francisco gibt. Eine bunte Mischung von Menschen hat sich hier angesammelt: Tekkies, die einige Jahre im Silicon Valley gutes Geld verdient haben und dann keine Lust mehr auf das schnelllebige Dasein bei Facebook, Google und Yahoo hatten. Winzer, die schon seit vielen Jahren Wein in den mehr als 400 verschiedenen Weingütern anbauen, die in ganz unterschiedlichen Mikroklimata liegen. Landwirte, die entweder auf Gemüse und Obst setzen – oder auf die Viehzucht. Und ein paar Hippie-Aussteiger sind natürlich auch dabei.

Duskie Estes

Duskie Estes

»Ich kenne kein County in Kalifornien oder auch im Rest der USA, in dem man so viel unterschiedliche Menschen findet, die mit dem Land arbeiten«, sagt Duskie Estes.

Auch sie hat eine bewegte Vergangenheit, natürlich. Einst besuchte sie eine der renommiertesten Hochschulen an der Ostküste, entschied sich aber dann, Köchin zu werden. Wie ihr Mann brach sie die Ausbildung aber ab.

An einer Karriere in der Küche hat das aber beide nicht gehindert – im Gegenteil. Heute betreiben die beiden »Zazu’s Kitchen + Farm«, treten bei Kochshows im Fernsehen auf und setzen sich für artgerechte Tierhaltung ein. Denn: Es wird auch geschlachtet auf der Farm. Und in ihrem Restaurant in Sebastopol geht es vergleichsweise fleischlastig zu. »Uns ist wichtig, möglichst alles von einem Schwein zu verbrauchen, das wir schlachten«, sagt die Chefin.

Essen im Russian River Vineyard

Verena Wolff

Darum gibt es auch Popcorn, die mit Schmalz angesetzt werden oder Pflegeprodukte mit Tierfett. »Das ist ja bei anderen Produkten auch nicht anders, man sagt es nur nicht«, sagt Duskie, die sich herrlich über die Verlogenheit in der Lebensmittelindustrie aufregen kann und gemeinsam mit ihrem Mann und dem Team hervorragende Gerichte auf den Tisch zaubert – auch für Menschen, die gut ohne Fleisch leben können.

Die Leute wollen wissen, woher das Essen kommt

Auch Daniel Kedan ist ein Koch, der es hält wie die Ureinwohner seines Landes. Bei ihm verkommt nichts – und was er in seiner offenen Küche benutzt, das kommt aus der Umgebung.

Daniel Kedan in der Küche

Verena Wolff

Am besten aus dem eigenen Garten. »Langsam haben wir ein Problem, weil wir nicht mehr so viel anbauen können, wie wir brauchen«, sagt er. Aber er hat noch ein paar Asse im Ärmel. Man kennt sich in Sonoma – und man weiß, wo man welche Zutaten und Produkte einkaufen kann. Und die Leute, die hier ihre Gärten oder Felder beschicken, sind mit Leidenschaft bei der Sache.

Das sieht man auch bei den vielen kleinen Restaurants, die nicht nur in Santa Rosa oder Sebastopol immer gut gefüllt sind, sondern auch an den kleineren Orten im County. »Man möchte vollwertiges Essen im besten Sinne, und man möchte wissen, wo die Zutaten herkommen«, sagt Daniel. Die Preise in den meisten Fällen moderat. Allerdings: so überraschend ist das auch nicht, denn die Zutaten haben ja keine lange Reise hinter sich.

Dessert

Verena Wolff

Idealerweise werden sie einfach vom Garten in die Küche getragen, so wie bei Kayta Brady in den Russian River Vineyards. Und dann zaubern die Köche mit dem, was vom Feld auf die Gabel kommen soll. Mit Winzer Gio muss dann noch besprochen werden, welche Gerichte besonders gut zu den angebotenen Weinen passen – und schon ist für einen großartigen Genuss gesorgt. Im Schatten großer, alter Bäume, mit einem feinen Tropfen Wein.

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