Viel Wald, viel Ruhe: Die Wallonie drängt sich nahezu allen auf, die im Urlaub einfach nur abschalten wollen. Aber es gibt durchaus mehr zu entdecken als die Natur. Hier die schönsten Orte einer Region, die leicht übersehen wird.

Wer sich Belgien als Urlaubsziel ausgesucht hat, denkt vermutlich zuallererst an einen Städtetrip nach Brüssel. Auch Antwerpen steht bei Städtereise-Liebhabern hoch im Kurs. Ebenfalls populär ist die 67 Kilometer lange Küste, an der 14 Seebäder um die Gunst der Touristen werben. Wer aber weder Lust auf Großstadt noch auf Strand hat, für den hält der südliche Teil des Landes eine Alternative bereit: die Wallonie. Eine Region, die vor allem Ruhesuchende und Naturliebhaber begeistert.

Fluss Sambre bei Thuin in der Wallonie

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Die Wallonie ist neben Flandern und der Hauptstadt Brüssel eine von drei Regionen in Belgien. Rund 3,6 Millionen Menschen leben hier auf einer Fläche von 16.844 Quadratkilometern. Damit ist die Wallonie etwas größer als Schleswig-Holstein, aber kleiner als Hessen. Im Gegenzug zu Flandern spricht man in der Wallonie fast ausschließlich französisch; ganz im Osten, in den Kreisen Eupen und Sankt Vith, sogar deutsch.

Charleroi – die größte Stadt der Wallonie

Die ehemalige Industriestadt Charleroi liegt im Kohlegebiet Pays Noir, dem Schwarzen Land. Sie ist seit geraumer Zeit im Aufbruch, das zeigen die Mall »Rive Gauche«, die Genuss-Fabrik »Manufacture Urbaine« oder das Kulturzentrum »Rockerill«. Aktionen mit Streetart-Künstlern haben ihre bunten Spuren hinterlassen.

Fresken von Sozyone Gonzalez in Charleroi

WBT – J.P. Remy

Um Charleroi laden beeindruckende Industrieruinen und »Terrils« (Abraumhalden) zur Foto-Safari ein. Wie in jeder anderen belgischen Stadt auch, kann man in Charleroi natürlich hervorragend essen gehen. Aber auch sonst lädt die Stadt mit vielen neuen, coolen und jungen Geschäften und Cafés zum Stöbern und Entdecken ein.

Tipp: Der Künstler Nicolas Buissart bietet eine Stadtsafari »auf Abwegen« an. Es geht zu Lost Spaces, von Industriebrachen bis Abraumhalden – ungewöhnlich und ein gefundenes Fressen vor allem für Fotografie-Fans.

Christophe Vandercam-Stroll in black country in Charleroi

Christophe Vandercam

Lüttich – das Tor zur Wallonie

Wer mit dem Zug anreisen möchte, macht alles richtig. Der Bahnhof Guillemins liegt zentral in der Stadt und erlaubt euch eine bequeme Anreise mit dem ICE oder Thalys. Die Fahrzeit von Köln nach Lüttich beträgt nur eine Stunde.

Skyline von Lüttich (Liege) in Belgien

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Die Stadt becirct vor allem durch ihre Architektur. Dabei könnt ihr viele Prunkstücke und ihr Kulturerbe kennenlernen. Während im historischen Teil Lüttichs der Saint-Lambert-Platz, der fürstbischöfliche Palast und die Königliche Oper der Wallonie beeindrucken, ist es auf der Seite der Moderne der Bahnhof Guillemins, gestaltet vom spanischen Architekten Santiago Calatrava.

Architektur des Bahnhofs Lüttich-Guillemins

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Die besten Museen in Lüttich

Zu den Highlights der Kunstmuseen in Lüttich gehört das La Boverie. Das Gebäude stammt aus dem frühen 20. Jahrhundert und diente als Pavillon der Weltausstellung im Jahr 1905. Es beherbergt das Museum der Schönen Künste der Stadt Lüttich. Außerdem finden dort regelmäßig große Wechselausstellungen statt, zum Teil in Kooperation mit dem Louvre in Paris. Das Museum La Boverie ist bequem zu Fuß von Bahnhof Guillemins zu erreichen, über die Brücke »La BelleLiégoise«, die für Fuß- und Radverkehr reserviert ist.

Ein noch relativ neues und spannendes Museum in Lüttich ist das Trinkhall Museum für situierte Kunst. Auf 400 Quadratmetern werden rund 3.000 Kunstwerke aus der Sammlung des 1979 gegründeten Vereins Créahm aufbewahrt und gezeigt, außerdem gibt es Flächen für Wechselausstellungen. Die Werke stammen aus vielen verschiedenen Ländern. Das Konzept des Museums basiert auf dem Begriff der situierten Kunst, der jedes Werk in seiner Gesamtheit betrachtet und in der Beziehung mit seiner Umwelt – sowohl bezogen auf die Entstehungsbedingungen als auch auf die sozialen, ästhetischen und kulturellen Bedingungen seiner Rezeption. Das Museum geht aus dem ehemaligen MADmusée für Kunst von Menschen mit geistiger Behinderung hervor. Träger sind die Stadt Lüttich und der Verein Créahm (Créativité et Handicap mental), der seit 40 Jahren Kunst von Menschen mit geistiger Behinderung fördert.

Fassade des Trinkhall Museums in Lüttich

Visit Wallonia/Nicolas Atetson

Empfehlenswert ist außerdem das Museum Grand Curtius, in dem mehrere Sammlungen gebündelt werden. Es liegt am Ufer der Maas, Herzstück ist ein markantes rotes Gebäude im typisch maasländischen Stil. Unter dem Dach des Komplexes befinden sich: das Waffenmuseum von 1885, das Glasmuseum mit einer außergewöhnlichen Sammlung von rund 10.000 Objekten und das Museum der Archäologie, welches den Spuren der menschlichen Evolution von der Prähistorie bis zum Ende der karolingischen Epoche folgt. Außerdem sind hier das Museum für dekorative und das Museum für religiöse und maasländliche Kunst untergebracht.

Paar im Museum Grand Curtius, Lüttich

Visit Wallonia/Denis Erroyaux

Auch die Cité Miroir empfiehlt sich. Ehemals ein Schwimmbad, bietet das lichtdurchflutete Gebäude heute Raum für wechselnde Ausstellungen mit Schwerpunkt Erinnerungskultur, Bildung, bürgerschaftliches Engagement.

Ein Muss: die Lütticher Waffeln

Daneben ist Lüttich eine grüne Stadt mit vielen Park-und Grünanlagen wie beispielsweise an den Hängen der Zitadelle, wo ihr 60 Monumente und fünf historische Stätte entdecken könnt.

Tipp: Unbedingt die in der ganzen Welt bekannten Lütticher Waffeln probieren. Klar, eine wirklich üble Kalorienbombe. Aber sie sind nun mal eine famose Feinschmeckerei, die zart auf der Zunge zergehen. Während eures Lüttich-Besuchs findet ihr in fast jeder Straßenecke ein Café, Kiosk oder einen Imbiss, wo sie frisch vor euren Augen gebacken werden. Solltet ihr mal nicht fündig werden, könnt ihr aber einfach nur dem Duft nach Vanille und Karamell folgen.

Frau schüttet Sirup über Waffeln

Pez González

Wandern und Radfahren in der Wallonie

Es muss ja nicht immer die weite Reise sein, die frischen Wind bringt. Wer die Wallonie auf die sanfte Tour erleben möchte, kann das per Zug-Anreise und vor Ort mit dem Fahrrad oder zu Fuß tun. Die belgischen Ardennen sind phantastisch dazu geeignet, um ausgiebig zu wandern. Nun, was erwarte euch? Auf der einen Seite einsame, tiefe Wälder, Felsenpfade zu faszinierenden Aussichten, Schluchten, mystische Moore und pittoreske Wildbäche.

Vogelperspektive auf eine Straße in der Wallonie, die durch einen Wald führt

Guillaume Vandenneucker

Auf der anderen Seite Burgen, Schlösser und Klosterruinen, die ihr unterwegs passiert. Die populärsten Wanderregionen sind das Hohe Venn und die Region rund um Spa, Durbuy und La Roche-en-Ardenne, Bouillon und die südlichen Ardennen sowie das Maastal und Belgiens Westen.

Burg Reinhardstein in der Wallonie

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Zur Rast locken Trappistenbiere, Ardenner Schinken, süchtig machende Pralinen, herzhafter Käse, Wildspezialitäten oder typisch belgische Fritten. Wandergenuss, gepaart mit wallonischem Savoir-vivre!

Wenn ihr euch lieber aufs Fahrrad schwingt, könnt ihr auf dem sogenannten RAVeL-Netz austoben. Das ist ein »langsamer Weg« auf ehemaligen Eisenbahnlinien und Treidelpfaden. Insgesamt 1.400 Kilometer dieser Wege verlaufen durch die Wallonie. Sie sind ausschließlich dem nicht-motorisierten Verkehr vorbehalten, also Fußgängern und Radfahrern. Von der Stadt Tournai, die nicht weit von der französischen Grenze entfernt ist, bis zum Industriedenkmal in Blegny in der Nähe der Niederlande. Die 494 Kilometer Radweg sind aufgeteilt in 11 Etappen und erlauben euch, möglichst viel von der Wallonie zu sehen.

Mountainbiker auf einem Waldweg in den Ardennen in der Wallonie

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Tipp: Der Unesco Global Geopark Famenne-Ardenne ist seit 2018 ausgewiesen und erstreckt sich über 900 Quadratmeter in den Gemeinden Beauraing, Durbuy, Hotton, Marche-en-Famenne, Nassogne, Rochefort, Tellin und Wellin. Acht Geowanderungen (Góbalades) wurden hier konzipiert.

20 Unesco-Weltkulturerbestätten in der Wallonie

Eine Reihe von Bauwerken oder Ereignissen in der Wallonie gehören zum Unesco-Weltkulturerbe: Schiffshebewerke, Belfriede, Kohlebergwerke oder Karnevalsbräuche. Vor allem in der Provinz Hennegau im Westen der Wallonie bündeln sie sich. Auf vielen Wander- oder Radtouren lässt sich dieses Kulturerbe im Süden Belgiens entdecken.

Unesco-Welterbe Canal du Centre in Strepy-Thieu

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Zu den Höhepunkten der Unesco-Weltkulturerbestätten in der Wallonie gehört das Gelände des ehemaligen Kohlebergwerks Grand-Hornu. Es zählt seit 2012 zum Unesco-Weltkulturerbe. Die neoklassische Architektur des Industrieensembles sowie seine Verwandlung in ein Industriemuseum und Zentrum für Design und angewandte Kunst machen den Besuch zu einem lohnenden Ausflug.

Unesco-Welterbestätte Grand Hornu in Belgien

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Schön auch: der 87 Meter hohe Belfried von Mons, der einzige barocke Belfried Belgiens, und Bois du Luc, eine der bedeutenden ehemaligen Bergbaustätten der Wallonie.

Trödelmärkte in der Wallonie entdecken

Schon gewusst? Die Wallonie ist ein Paradies für alle Liebhaber von Trödelmärkten. Das liegt an einem ziemlich pfiffigen Gesetz, das es Privatleuten seit 1979 erlaubt, überflüssigen Haushalts-Schnickschnack zu verkaufen. Und seitdem lassen sich die Wallonen nicht zweimal bitten! Keller und Speicher werden regelmäßig entrümpelt, die Gebrauchtwaren zusammengetragen und auf unzähligen Floh-, Trödel- und Antikmärkten feilgeboten.

Vintage-Ausstellungsgegenstände auf Flohmarkt

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Händler aus den umliegenden Ländern bereichern die Märkte mit ihren Waren; es entwickelte sich eine rege Flohmarktkultur, die bis heute anhält. In nahezu jedem Dorf in der Wallonie gibt es jede Woche einen Floh-, Trödel- oder Antikmarkt. Zu den populärsten Märkten in der Wallonie zählen Les petites puces de Saint-Gilles in Lüttich, Le marché aux puces de Welkenraedt und La petite Batte de Bomal.

Märchenhafte Unterkünfte

Klar, ihr könnt in einem x-beliebigen Hotel oder einer Pension übernachten und euch auf die Erkundung der Sehenswürdigkeiten konzentrieren. Das wäre aber schade. Denn die Wallonie bietet euch tolle, zum Teil geradezu märchenhafte Unterkünfte. Ziemlich einzigartig sind einige von ihnen. Wie wäre es mit einem Wochenende in einem alten Zirkuswagen, in einem Baumhaus hoch in den Wipfeln oder in einem Hotel aus einer anderen Welt? Oder lieber in einem transparenten Kugelzelt im Aquascope von Virelles?

Ferienhaus Ardennes-Etape

ASBL Wallonie-Bruxelles Tourisme

Alles möglich. Auf dieser Website findet ihr viele Unterkunftsmöglichkeiten in der Wallonie, die alles sind, nur nicht 0815.