»Freitauchen macht glücklich – mit nur einem Atemzug«, so schwärmte einst Natalia Molchanova. Die Russin war die erste Frau, die ohne Atemhilfe tiefer als 100 Meter getaucht ist. Apnoetauchen, so wie der Sport häufig bezeichnet wird, ist die Kunst so lange, so weit oder so tief wie möglich mit nur einem Atemzug unter Wasser zu bleiben – ohne Tauchflasche oder sonstiges Equipment. Alles was benötigt wird sind Maske und Flossen, und auch die sind nicht unbedingt erforderlich. Text: Bianca Klement 

Für Menschen, die das Reisen lieben, ist Apnoetaucher eine Möglichkeit ein vollkommen fremdes Terrain zu erkunden: die Unterwasserwelt. Bei keinem anderen Sport, kommen Meeresbewohnern so nah an die Taucherbrille. Denn beim Freitauchen werden keine störenden Blasen verursacht und auch keinen Lärm. Wer sich dem Sport hingibt wird Teil des Ozeans. Unaufgeregt können Korallen beobachtet werden. Wer genauer hinsieht, erspäht wie orangefarbene Clown-Fische zwischen Anemonen hindurchhuschen oder die lila-blauen Lippen von Riesenmuscheln aus nächster Nähe ansehen.

Apnoetauchen in Ägypten

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Apnoetauchen: Tiefer – weiter – länger

Es gibt viele Gründe, Freitauchen einmal auszuprobieren: Man bekommt ein besseres Körpergefühl, muss keine kiloschwere Ausrüstung mit sich rumschleppen und kann sich lautlos unter Wasser bewegen. Freitauchen eignet sich für jeden. Es ist egal, ob du 17 oder 70 Jahre alt bist, ob du ein Sportcrack bist oder eher eine Couch-Potatoe. Mit einem erfahrenen Coach an der Seite lässt sich der Sport binnen kurzer Zeit lernen. Die Zeit, in der du deinen Atem anhalten kannst, lässt sich schneller als vermutet verdoppeln oder sogar verdreifachen.

Solange man einige wichtige Grundregeln beachtet, ist Freitauchen ein sicherer Freizeitspaß. Dennoch gilt Apnoe als Extremsport und die Rekorde, die in der aktiven Wettbewerbsszene aufgestellt werden, sind in der Tat atemberaubend. Bei Meisterschaften gibt es Disziplinen mit oder ohne Flossen, mit Gewichten, im Pool oder im Freiwasser. Alexey Molchanov hält mit 131 Metern den Weltrekord im Tieftauchen mit konstantem Gewicht (CWT). Alenka Artnik, schafft es mit einem Atemzug in eine Tiefe von 120 Metern, und der Rekord in Statik, also nach einem Atemzug so lange wie möglich die Luft anzuhalten, liegt momentan bei unglaublichen 11 Minuten und 54 Sekunden.

Freitaucher im Meer

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Tauchen für das Selbstvertrauen

Doch für viele Taucher geht es nicht um Rekorde, sondern darum im Wasser zu sein, die Natur zu erforschen und sich selber besser kennenzulernen. Denn Apnoe ist nicht nur ein physischer Sport, sondern eine Symbiose aus körperlichem und mentalem Training. Mit einem Atemzug 20, 60 oder 100 Meter tief zu tauchen oder minutenlang ohne zu atmen unter der Wasseroberfläche zu verweilen, gelingt nur dann, wenn Körper und Geist in Einklang sind.

Beim Apnoe gilt es mentale Barrieren zu überwinden und Selbstvertrauen zu gewinnen. Wer öfter abtaucht und intensiver trainiert, bekommt eine höhere CO2-Toleranz. Denn tatsächlich ist es nicht der Sauerstoffmangel, der den Reiz zu atmen ausmacht, sondern der steigende Kohlenstoffdioxidgehalt im Blut. Der Fortschritt kommt von ganz alleine. Man darf nichts erzwingen, denn Druck und Stress jeglicher Art sorgen für Anspannung und die ist kontraproduktiv. Vielleicht ist der Sport deshalb gerade bei Menschen beliebt, die einen stressigen Alltag haben. Beim Apnoe lernt man Geduld zu üben und lässt sich bewusst auf das Jetzt ein. Training bedeutet auch gezielt zu entspannen und loszulassen.

Apnoetaucher Adam Stern

Adam Stern

Apnoetauchen ist eine mentale Herausforderung

Egal ob Wettbewerb oder Spaßtauchen, im Vordergrund steht das Wohlbefinden. »Jeder Tauchgang, den man macht, sollte sich gut anfühlen«, sagt Adam Stern. Adam ist mehrfacher australischer Rekordhalter und gehört zu den wenigen Top-Athleten, die mit einem Atemzug tiefer als 100 Meter tauchen können. Er weiß, dass eine positive Einstellung die wichtigste Basis ist. Adam ist in der Szene so etwas wie ein Pop-Star. Mit seinen YouTube Videos hat er bereits Tausende für die Philosophie und Techniken des Freitauchens begeistert. Regelmäßig organisiert er an den schönsten Tauchspots der Welt seine Deep Weeks – internationale Freitauchevents, bei denen Apnoe-Novizen mit Superstars der Szene wie Alexey Molchanov oder William Trubridge gemeinsam trainieren und von Profis lernen können.

»Man sollte immer mit positiven Gedanken abtauchen«, sagt Adam.

Denn je relaxter man ist, desto weniger Energie wird verbrannt und desto länger kann man unter Wasser bleiben. Leistungsdruck, Ängste, Sorgen und Hektik sorgen für Stress und im schlimmsten Fall negative Gedanken. Die Muskeln spannen sich an, der Kopf rattert und man verbrennt mehr Sauerstoff.

 

Wasser ist unser Element

Wasser ist für uns Menschen kein fremdes Element – immerhin bestehen unsere Körper bis zu 80 Prozent aus dem kühlen Nass. Sobald du eintauchst und das kalte Wasser über das Gesicht streicht, verändert sich deine Wahrnehmung und Urinstinkte werden geweckt. Genau wie bei Delfinen, Walen oder Robben sorgt der aktivierte Tauchreflex dafür, dass sich Herzschlag und Stoffwechsel verlangsamen. Je häufiger du tauchst, desto besser gewöhnt sich dein Körper daran, sich mit dem Atemreiz zu arrangieren. Mit jedem Meter und jeder Sekunde, die man länger durchhält, gewinnt man an Selbstvertrauen und Sicherheit.

Das Schönste am Freitauchen ist, dass man es überall dort, wo Wasser ist, ausüben kannst. Als Hotspots gelten Dahab, Kaş oder Bali. Doch niemand muss in die Ferne reisen, um Freitauchen zu lernen. In ganz Deutschland gibt es zahlreiche Tauchschulen, die Apnoe-Kurse anbieten. In heimischen Seen oder im Pool können auch Atemtechniken erlernt werden, oder wie man sich schneller entspannt und wie man sich effizient im Wasser bewegt. Auch der VDST, der Verband Deutscher Sporttaucher, informiert und bildet in heimischen Gewässern nach höchsten Sicherheitsstandards aus.

zwei Apnoetaucher im Wasser

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Hier findet ihr mehr Informationen rund ums Freitauchen und zu den Deep Weeks von Adam Stern.

Mehr Unterwasser-Geschichten gefällig? Unser Autor Gerald Nowak taucht gerne ab – überall und zu jeder Jahreszeit. Seine spannenden Tauchgeschichten findet ihr hier.