»Riesen der Meere«. »Monster«. »Schwimmende Trabantenstädte«. »Das ist doch furchtbar.« »Wie kann man nur?« Auch reisen EXCLUSIV-Autorin Simone Sever hatte so ihre Bedenken, als sie für vier Nächte in Neapel an Bord eines der zurzeit größten Kreuzfahrtschiffe ging, die gerade auf den sieben Weltmeeren unterwegs sind. »Willkommen an Bord der Costa Toscana«, auf der alsbald aus einem anfänglichen »Was hat mich nur geritten auf solch‘ eine Kreuzfahrt zu gehen?« ein »Wow, das hätte ich niemals für möglich gehalten« wurde. Ahoi!

Da liegt er vor mir, der Riesenpott. 62 Meter ragt er in den beinahe wolkenlosen neapolitanischen Himmel. 185.000 Tonnen schwer. Ein Gigant. Ein Riese. Eine Art Seeungeheuer, das mich in wenigen Minuten mit Haut und Haaren verschlingen wird. Und ich? Nicht allein steuere ich direkt auf den Schlund zu. »Immer weiter gehen«, sage ich mir, »nicht stehen bleiben. Das Ungeheuer wartet.« Kinder schreien. Mütter lachen. Väter treiben die Familie an. Alle mit einem Lächeln im Gesicht. »Wie die Lemminge«, denke ich.

Die Costa Toscana auf dem Meer

Costa Kreuzfahrten

Gemischte Gefühle auf der Costa Toscana

Diese ersten Momente überfordern mich. Zu viele Menschen, die man hier Passagiere nennt. Kleinkinder. Großmütter. Teenager. Freundesgruppen. Italiener. Viele Italiener. Na ja, und ich. Allein an Bord. Mal gucken wollen. Mal mitreden können. Berechtigte Zweifel. Wie bei all denen, die auf solch einem »Ungeheuer« wohl niemals Urlaub machen würden. Aber wie kann man sagen, dass man etwas nicht mag, wenn man es doch nicht probiert? Insofern bin ich jetzt hier und bewege mich vorwärts.

Schritt für Schritt. Rein in den Schlund. Hinein in den Bauch des Riesen. Erst einmal zurechtfinden. Mein Zimmer finden, das hier natürlich Kabine heißt. Übrigens eine von insgesamt 2.663 Kabinen, verteilt auf 18 Decks, was also doch eher an ein Zimmer in einem Hotel erinnert. Sozusagen ein schwimmendes Hotelresort, eines von insgesamt zehn der Costa-Flotte, eine Art »Smart City« mit 6.554 Gästen, die auf der Costa Toscana unterkommen können. Das sind eine Menge Passagiere, die von 1.646 Crewmitgliedern behütet, bekocht, bespaßt, bespielt und belustigt werden.

Eine der Kabinen der Costa Toscana

Stefano Bellamoli Photography

Essensgelüste an Bord

Insgesamt 8.376 Menschen an Bord, die ich nach dem Bezug meiner Balkonkabine gefühlt alle auf einmal und neben, vor und hinter mir am Buffet erlebe, das alle Essensgelüste erfüllt. Ein üppiges Buffet mit Pizza, Pasta, Fisch und Fleisch, Salaten, Desserts … aber eben auch mit den gefühlten 6.729 anderen Passagieren, die mir beinahe, während ich brav in der Schlange anstehe, auf die Füße treten. Hungrig mache ich mich auf die Suche nach einem ruhigeren Plätzchen, den ich bei Kiki Poke auf Deck 17 finde. Dort kann ich mir meine eigene hawaiianische Poke Bowl zusammenstellen. Köstlich, besonders auch, weil ich hier nicht Schlange stehen muss.

Restaurant auf der Costa Toscana mit schönen antiken Vasen als Dekoration

Stefano Bellamoli Photography

Infinitywalk mit Aussicht

In meinem Kopf singt Adriano Celentano »Azzurro, il pomeriggio è troppo azzurro«, der Nachmittag ist ganz blau. Passt zu Italien. Passt zum Schiff. Passt zum Moment. Ach Mensch, Azzurro und dabei den Vesuv im Blick. Könnte schlimmer sein. Ist beeindruckend schön. Oben auf dem teils gläsernen Infinitywalk auf Deck acht, der mich hinunterschauen lässt auf die unter mir liegenden Decks.

Der gläsernde Infinitywalk der Costa Toscana mit Blick auf das untere Deck

Simone Sever

Volle Kraft voraus: Leinen los!

Ich fühle Leichtigkeit und Wind, als Kapitän Pietro Sinisi das Kommando zum Ablegen gibt und die Costa Toscana Fahrt aufnimmt. 64 Megawatt bringen den weißen Ozeanriesen in Wallungen, während ich staunend über den gläsernen Boden schwebe und mich dabei wie eine der Möwen oben am blauen Himmel fühle. Frei. Beflügelt. Erstaunt über mein eigenes Glücksgefühl an Bord des schwimmenden Hochhauses.

Eins der Decks der Costa Toscana

Stefano Bellamoli Photography

Happy Place gesucht? Hier gefunden!

Es findet jeder seinen eigenen Happy Place an Bord eines solchen Riesenkahns, denn egal welcher Leidenschaft man sich hingeben möchte, es ist tatsächlich an alle gedacht. Zurückziehen. In der Sonne liegen. Ein gutes Buch in den Händen? Sicher. Jede Menge Plätze und Liegen, die dazu einladen. Early Morning Yoga. Sea Breeze Yoga oder der tägliche Joggingpfad auf Deck 18. Kurze Strecke mit 240 Metern oder lieber die ganzen 700?

Ein Deck mit Liegen beim Sonnenaufgang auf der Costa Toscana

Stefano Bellamoli Photography

Badespaß? Rutschengaudi? Nichts wie hin auf Deck 17. Es wartet eine rasante Waterslide und eine, die nicht ganz so schnell rauscht. Theater, Show, Tanz? Das Colosseo auf Deck sechs ist jeden Abend das Center of Attention. Dort findet das spannende und vielseitige Entertainmentprogramm seine Zuschauer.

Ein Rutschenparadies auf der Costa Toscana

Simone Sever

Lieber einen gepflegten Cocktail? Oder ein Glas von Italiens schickem Spumante? Dann nimmt man am besten an der Ferrari-Bar auf Deck acht Platz. An der Campari-Bar auf Deck sieben lasse ich meinen ersten Abend an Bord ausklingen, bevor ich auf meinem Balkon das Mittelmeer unter mir rauschen höre. Ach, das Geräusch der Wellen, das wiegt mich schon bald bei offener Balkontür in den Schlaf.

Sonnenuntergang auf dem Meer mit Ausblick auf ein Schiff

Simone Sever

Kleine Zeitreise im Archiv Fondazione Ansaldo

Es ist eine Art Zeitreise. Im Archiv Fondazione Ansaldo in der ligurischen Hauptstadt habe ich die Ehre und das Vergnügen, im Rahmen von 75 Jahren Costa-Kreuzfahrtgeschichte einen Blick zurückzuwerfen. Einen Blick zurück auf den letzten Märztag im Jahr 1948: Die Anna C, das erste Kreuzfahrtschiff von Costa Crociere, nahm zur ersten Kreuzfahrtreise mit 768 Passagieren an Bord Kurs von Genua nach Rio de Janeiro und weiter nach Buenos Aires. Wie sich die Schiffe und auch sonst alles verändert haben. Kleiner waren die Schiffe. Eleganter wohl auch. Schwimmende Paläste. Etwas für die High Society. Für Normalverdiener unbezahlbar. Wie gut, dass sich das verändert hat.

Ein Restaurant mit Retro-Look der Costa Toscana

Stefano Bellamoli Photography

Wer die Schaukästen des Archivs Fondazione Ansaldo betrachtet, der findet neben Schwarz-Weiß-Fotografien mit Modeaufnahmen der 1960er-Jahre und tanzenden Ballerinas an Deck auch wunderschön gestaltete Din-A4-Dinner-Menükarten der Vergangenheit, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Iranischer Kaviar, Ravioli mit Kapaun-Bouillon, Garnelen, Fasan aus dem Ofen, dazu ausgesuchte Weine, Champagner … eine 75-jährige Erfahrung und Tradition, auf die bis heute zurückgeblickt wird.

Dinner auf Deck Acht im Archipelago

Und von diesen Erfahrungen und Traditionen überzeuge ich mich beim fulminanten Dinner auf Deck acht im Archipelago, einem von insgesamt 11 Restaurants und anderen gastronomischen Angeboten. Im Archipelago kochen drei international bekannte Küchenchefs: Bruno Barbieri, Helene Darroze und Ángel León, alle mit einem Michelin-Stern gekrönt. Drei Köche. Drei Fünf-Gänge-Menüs. Es braucht eine Entscheidung.

Ein Deck Restaurant in der Abendsonne

Stefano Bellamoli Photography

Ich wähle das Menü von Ángel León, dem sogenannten Herrn der Meere, und denke dabei an köstliches Meeresgetier wie Jakobsmuscheln, Hummer und Gambas, als ich überrascht feststelle, dass mein Kopfkino den falschen Film gezeigt hat. Mir wird grasgrünes Planktonrisotto serviert. Seeigel gibt es auch, und zwar in verschiedenen Konsistenzen. Herr León, so lerne ich, hat sich zum Ziel gesetzt, die Meere und alles, was sie hergeben, zu verwerten, denn er sagt: »Die Grundlage des Lebens ist der wahre Geschmack des Meers«. Es ist eine einzellige Alge, die seinen Gerichten den intensiven Geschmack des Meers verleiht, und nicht nur das, es ist zudem ein revolutionäres Produkt für die Zukunft von Lebensmitteln und Ernährung. Das Planktonrisotto ist der Knaller.

Landgang: Ausflug nach Marseille

Wir sind über Nacht gefahren und liegen am nächsten Morgen im Hafen von Marseille. Es kommt zu einer Art Familientreffen, denn auch die Costa Pacifica und die Costa Favolosa haben die französische Hafenstadt angesteuert. Ich bleibe an Bord. Auch wenn das Ausflugsprogramm einiges hergibt: historische Gebäude und charmante Gassen in Aix-en-Provence, ein geführter Stadtrundgang durch Marseille und wer »Lavendel Mon Amour« zur Lavendelblüte bucht, dem werfen sich endlose purpurne Felder zu Füßen und den kitzelt der Duft von Lavendel.

Die Stadt Marseille in Frankreich

Klares Vincent

Entspannung pur auf der Costa Toscana!

Während ein Großteil der Passagiere von Bord gegangen ist, schlendere ich über das Schiff. Werde im Solemio Spa auf Deck 16 mit einer Massage verwöhnt und liege nach einem anschließenden Sauna und Jacuzzibesuch bald entspannt auf einer der schicken Loungeliegen auf Deck sieben. Hier ist definitiv mein Happy Place.

Ein Cocktail in der Hand mit Aussicht auf das Meer

Simone Sever

Die Infinity Bar am Heck des Schiffs verwöhnt mich nicht nur mit guten Drinks, sondern auch mit exzellenter Musik von DJ Lorraine aus der Ukraine, die chilligen House spielt. Die Stimmung ist locker. Eine Gruppe italienischer befreundeter Paare macht den Tag zur Nacht. Aperols in der Hand, die Teenagerkinder kommen und gehen, es wird gelacht und der Vibe einer Costa-Kreuzfahrt zaubert mir ein Lächeln des dolce far niente, des süßen Nichtstuns, ins Gesicht. Gedanklich stoße ich mit einem der kunstvollen Cocktails in der Hand auf meine fünf Tage und vier Nächte an Bord der Costa Toscana an und sage mir selbst: »Hier geht noch Meer!«