Auch wenn Abstandsregeln und Hygienevorschriften wegen der Corona-Pandemie eingehalten werden müssen: Der Campingurlaub in Deutschland boomt in diesem Sommer. Was ist da los? Wir haben uns einmal bei Campern, Campingplatzbetreibern und Wohnmobil-Vermittlern umgehört und geben Tipps für den Campingurlaub in diesem Corona-Sommer.

Christina Raulin hat die letzten Erledigungen hinter sich. Klappstühle, Campingtisch, Geschirr, Duschgel und Spülmittel – all das hat sie sich in der letzten Woche besorgt. »Ich habe natürlich erst einmal überlegt: Wie will ich darin leben? Das wird ja schließlich mein zweites Zuhause.« Die 40-jährige Polizistin aus Köln hatte sich im Februar einen Lebenstraum erfüllt und sich ein Wohnmobil gekauft, einen gebrauchten Roadcamp des Herstellers Pössl. Das knapp fünfeinhalb Meter lange Gefährt gilt in der Branche als ideales Fahrzeug für Campingfreunde, »die Wert auf ein kompaktes Raumwunder mit sportiver Note legen«, wie Händler ihn in geschmeidigem PR-Sprech anpreisen.

Christina hat sich bewusst für ein Wohnmobil entschieden. Und gegen einen Wohnwagen. Unabhängig will sie sein und nicht lange nachdenken, wenn sie das Fernweh packt: »Die Möglichkeit, jederzeit überall hinzufahren, war mir ganz wichtig. Auch spontan. Und wenn es nur für eins, zwei Tage ist«, sagt sie. Auf einen Campingplatz ist sie somit nicht angewiesen. Ihr Wohnmobil verfügt über eine eigene Wasser-, Gas- und Stromversorgung. So ist sie autark unterwegs. Schon bald will sie durchstarten. Ihre erste große Reise mit dem Wohnmobil steht an. Nach Pfingsten soll es so weit sein. Ob die Reise nach Bayern oder Mecklenburg-Vorpommern gehen wird, das weiß sie noch nicht. Derzeit schmökert sie noch in Reiseführern und surft sich durch die vielen Campingportale im Netz.

Campingurlaub in Deutschland steht in diesem Corona-Sommer hoch im Kurs

Mit ihrer Begeisterung fürs Camping steht Christina nicht allein. Der Boom rund um den Campingurlaub in Deutschland ist seit sechs Jahren ungebrochen. 2019 freuten sich Deutschlands Campingplatzbetreiber über 37,7 Millionen Nächtigungen. Das entspricht einem Zuwachs von 3,5 Prozent gegenüber dem Jahr 2018. Seit dem Jahr 2010 beträgt die Steigerung gar satte 46 Prozent. Für den Campingurlaub in Deutschland stehen mittlerweile 3.055 Campingplätze zur Verfügung. Das Gros davon in Bayern (454), Niedersachsen (400) und Baden-Württemberg (381). Und die Campingszene ist eine ziemlich deutsche Angelegenheit: Mit 87 Prozent ist der Anteil an einheimischen Gästen außerordentlich hoch.

Junge Leute in einem Wohnmobil von Pössl

Pössl

Und das dürfte der Branche in diesem merkwürdigen Corona-Sommerurlaubsjahr besonders in die Hände spielen. Die große Mehrheit der Deutschen, so zeigen es einige Umfragen der letzten Wochen, will in diesem Jahr ihren Urlaub in der Heimat verbringen. Für Maximilian Möhrle, Geschäftsführer des Portals camping.info, liegen die Gründe auf der Hand. Er sieht im Camping viele Vorteile im Vergleich zu anderen Urlaubsarten.

»Im Campingurlaub kann das Social Distancing wie bei keiner anderen Urlaubsform gewährleistet werden. Urlauber, die mit dem Wohnmobil oder dem Wohnwagen unterwegs sind, können kontaktarm und damit gefahrlos reisen. Camper schlafen und wohnen in ihren eigenen vier Wänden und zudem verfügen die meisten Freizeitfahrzeuge auch über eine entsprechende sanitäre Ausstattung. Auch für Abstand ist auf den Camping- und Wohnmobilstellplätzen ausreichend gesorgt«, argumentiert er.

Maximilian Möhrle

Maximilian Möhrle

Tipp: sich über Corona-Einschränkungen vorab informieren

Professor Jürgen Schmude vom Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie und Tourismusforschung in München sekundiert: »Der Campingurlaub steht deshalb hoch im Kurs, weil er in Zeiten von Corona es erlaubt, die Abstandsregelungen relativ einfach einzuhalten«, sagte er kürzlich in einem Radio-Interview.

Allerdings sollten sich Reisende, die sich für einen Campingurlaub entscheiden, vorab beim Betreiber des Platzes Informationen über coronabedingte Einschränkungen einholen. »In vielen Bundesländern müssen beispielsweise die Waschhäuser am Campingplatz vorerst noch geschlossen bleiben. Daher werden je nach Bundesland erst nur Wohnmobil- oder Caravanreisende mit eigener Sanitäranlage an Bord empfangen«, gibt Birgit Dreyer, Reiseexpertin der ERGO Reiseversicherung, zu bedenken. Auch über Öffnungszeiten platzeigener Restaurants, Supermärkte und Bäcker sollten sich Urlauber vorab informieren. Und, man ahnt es schon: »Reisende sollten außerdem ausreichend Mund-Nasen-Bedeckungen mit sich führen«, so Dreyer.

Die ersten Campingplätze sind schon ausgebucht

Die Corona-Einschränkungen scheinen dennoch nicht viele Urlauber vom Campingurlaub in Deutschland abzuhalten. Ganz im Gegenteil. Bei den Campingplatz-Betreibern in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Bayern klingeln seit Wochen die Telefone heiß.

Voller Campingplatz aus der Luft fotografiert

Chawranphoto/Shutterstock.com

Sogar in Nordrhein-Westfalen, bei den Deutschen eher nicht hoch im Kurs stehend, wenn es um süße Sommerurlaubsträume geht, gibt es für Juli und August schon ungewöhnlich viele Buchungen, etwa für zweiwöchige Aufenthalte. Mancherorts wird man gar kaum noch her der Anfragen. Auf der Website des Camp Hammer« in Simmerath im Nationalpark Eifel heißt es: »Liebe Camper, wir sind für alle Brückentage ausgebucht. Wir sind mit der Flut an Fragen/Anfragen überfordert. Wir entschuldigen uns jetzt schon für die untergegangenen, nicht beantworteten oder im Junk-Mail-Ordner gelandeten Fragen, die wir nicht beantwortet haben. Es tut uns wirklich leid.«

Grafik: Tipps für den Campingurlaub in Deutschland

Camping-Reise ohne Buchung vorab? In diesem Sommer eine besonders schlechte Idee

Erschwerend kommt hinzu: Aktuell müssen sich die meisten Plätze an Auslastungsgrenzen halten. Das bedeutet, dass die Betreiber ihre Campinganlagen nur bis zu 50 oder höchstens 70 Prozent der maximalen Kapazität belegen dürfen. Höhere Nachfrage trifft auf geringere Kapazität. Wer also mangels eigener Ausstattung auf einen Campingplatz angewiesen ist, sollte seinen Aufenthalt tunlichst organisieren. Christian Günther, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Campingwirtschaft in Deutschland, rät:

»Wir sagen ganz klar: Einfach so losfahren und schauen, wo man spontan campen kann, ist in diesem Sommer keine gute Idee. Daher bitte keine Reise ohne Vorausbuchung.«

Und Wildcamping ist keine gute Idee: »Wir wissen aus Erfahrung, dass die Ordnungsämter besonders an und um die Hotspots im Sommer verstärkt kontrollieren«, weiß Günther zu berichten.

Campingurlaub in Deutschland: VW-Bus am See

Kevin Schmid

Einer dieser Hotspots ist die Mecklenburgische Seenplatte. Mit über 1.000 natürlichen Seen finden Urlauber hier das größte vernetzte Wassersportrevier Europas. Mit Kanu- oder Floßfahren, Segeln, Angeln und natürlich Baden bis zu Radfahren, Wandern und Reiten kann man sich im Müritz-Nationalpark und den sechs weiteren Naturparks in der Natur austoben. Die Ferienregion ist für einen Urlaub mit dem Wohnmobil perfekt geeignet.

Vogelperspektive auf die Müritz

1000seen.de/Christin Drühl

Wer nicht mindestens eine Woche bucht, hat schlechte Karten

Fast alle Campingplätze liegen direkt am Wasser, zum Beispiel der Campingplatz am See Alt-Schwerin. Er liegt direkt am Ufer des Plauer Sees, einer der größten Seen Deutschlands. Durch den flachen Einstieg ins Wasser sind gerade auch Familien mit Kindern gut aufgehoben. Doch auch dort heißt es bereits: »Der Zeitraum 17.7.2020 bis 15.8. 2020 ist NICHT mehr online buchbar«. Und wer keinen Stellplatz für mindestens eine Woche bucht, der hat sowieso keine Chance.

Für Christian Günther kommt der Run nicht überraschend. In diesem Sommer seien die Wahrnehmung und der Fokus auf die Urlaubsform des Campings nun einmal aufgrund der Corona-Situation sehr groß. Kann man sich also den Campingurlaub in Deutschland in diesem Sommer abschminken? Günther rät: »Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte jedenfalls die stark nachgefragten Hotspots an der Küste und auf den Inseln meiden. Wir haben tolle Campingplätze in Mitteldeutschland, die traditionell nicht so stark nachgefragt werden wie die Hotspots. Diese Plätze könnten in diesem Sommer eine interessante Alternative sein.« Wer zeitlich flexibel ist, sollte im September reisen, wenn die Familien wieder weg sind.

Wer nicht genug Geld für den Kauf hat, kann auch ein Wohnmobil mieten

Apropos Chance: Erste Voraussetzung für einen Urlaub auf dem Campingplatz ist natürlich ein Gefährt. Aber jetzt noch schnell ein Wohnmobil oder einen Wohnwagen kaufen, um damit in ein paar Wochen an die Nordsee oder in die Alpen zu düsen – das muss nicht sein. Und ist außerdem ein ziemlich kostspieliges Unterfangen. Wer nicht das nötige Kleingeld für einen Wohnwagen oder ein Wohnmobil in der Tasche hat, kann sich auch eins mieten. Einer der Platzhirsche in der Branche ist PaulCamper. Sharing lautet hier das Zauberwort. Das heißt: PaulCamper vermietet nicht selbst Camper, sondern bringt Mietinteressenten und Camper-Besitzer, die ihr eigenes Fahrzeug mit anderen teilen möchten, zusammen.

Campingurlaub in Deutschland: Trip in die Natur

Konrad Stoehr

Das Unternehmen vermittelt momentan rund 6.000 Fahrzeuge und hat bereits über 620.000 Übernachtungen ermöglicht. Ein großer Teil der PaulCamper-Flotte besteht aus Fahrzeugen, die erst bis zu vier Jahre alt sind. Man kann also sowohl die neuesten Modelle, als auch nostalgische Raritäten mieten.

Aber auch bei Paul Camper tummeln sich auf der Website derzeit viele Interessenten. »In der letzten Woche ist die Nachfrage bei uns extrem angestiegen. Man könnte vermuten, das hauptsächlich Camper und Wohnmobile mit Sanitär-Einrichtung gebucht werden. Tatsächlich verteilt sich die Nachfrage aber weiterhin gleichmäßig auf die verschiedenen Fahrzeugtypen, die wir in der Flotte haben«, sagt Dirk Fehse, Gründer und CEO von PaulCamper.

Vorher genau überlegen, was für ein Wohnmobil oder einen Wohnwagen man mieten möchte

Wer ein Gefährt buchten möchte, sollte sich allerdings vorher ein paar Gedanken machen und nicht einfach drauf losbuchen. Welche Ausstattung möchte man? Mit wie vielen Personen ist man unterwegs? Möchte ich einen Hund mitnehmen? Wie möchte man reisen – ist man eher der Planer oder möchte man spontan entscheiden? Auch sollte man nicht unterschätzen, dass das Fahrgefühl ganz anders ist als bei einem PKW; gerade das Rangieren in der Stadt darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Und, ganz wichtig, der Versicherungsschutz. »Neben der obligatorischen Haftpflichtversicherung sind Wohnmobile Vollkasko versichert, meist mit einer Selbstbeteiligung von 1500 Euro. Dieser Eigenanteil lässt sich mit einer Selbstbehalt-Versicherung noch reduzieren«, empfiehlt der ADAC.

Wenn es dann so weit ist und man ein Wohnmobil oder einen Wohnwagen gemietet hat, sollte man für die Übergabe und die Einweisung genug Zeit einplanen. Das heißt vor allem: alles in Ruhe erklären lassen. Wie funktioniert der Gasanschluss, wie die Toilette und – sofern vorhanden – die Markise? Und es versteht sich hoffentlich von selbst, dass man einen äußerst genauen Rundgang machen sollte, um etwaige Vorschäden zu entdecken und zu protokollieren. Für die Übergabe sollte man daher ruhig eine Stunde einplanen. Eile und Hetze sind hier tabu.