Die japanische Teezeremonie ist mehr als die Zubereitung und das Trinken von Matcha-Tee. Sie ist eine tief verwurzelte Philosophie, in deren Mittelpunkt Harmonie, Respekt, Reinheit und Stille stehen. Die Tradition aus dem 16. Jahrhundert hat bis heute nichts von ihrer Faszination verloren.
Text: Lisa-Kristin Erdt
Matcha hat weltweit an Popularität gewonnen. Ob als »Iced Matcha Latte«, in Desserts verarbeitet oder klassisch als Tee zubereitet – das grüne Pulver schreit nach: »Ich gönne mir heute mal was Besonderes.« Was viele nicht wissen: Matcha enthält Koffein und konkurriert damit sogar mit unseren geliebten Kaffeespezialitäten. Außerdem ist Matcha in Japan Teil einer jahrhundertealten Teezeremonie!
Matcha: Was ist das eigentlich?
Matcha ist ein fein gemahlener grüner Tee, der im 12. Jahrhundert aus China nach Japan kam. Zunächst wurde er von buddhistischen Mönchen als Wachmacher während der langen Meditationsphasen geschätzt. Schon bald wurde er in ritualisierter Form getrunken, doch erst im 16. Jahrhundert entwickelte sich daraus die formelle Teezeremonie, die seither in fast unveränderter Form besteht.
Hochwertiger Matcha-Tee zeichnet sich durch einen leicht süßlichen, erdigen Umami-Geschmack mit frischen Noten aus, die manchmal an Heu oder Vanille erinnern. Zudem sollte das Pulver eine leuchtend grüne Farbe haben, während minderwertiger Grüntee an seiner gelb-braunen Farbe erkennbar ist.
Teezeremonie in Japan: Diese Philosophie steckt dahinter
Die Teezeremonie wird in Japan »Chanoyu«, »Sado« oder »Chado« genannt. Die letzten beiden Begriffe bedeuten wörtlich »Weg des Tees«. Dahinter stehen die vier Prinzipien Wa (Harmonie), Kei (Respekt), Sei (Reinheit) und Jaku (Stille) der Tradition, die besagen, dass man mit ihr einen Weg der Harmonie und des Gleichklangs beschreitet. Diese Werte spiegeln sich in jedem Detail des Rituals wider: Von der Auswahl der Utensilien bis zur Ästhetik des Raums soll die Zeremonie dem Gastgeber und den Gästen Momente des Innehaltens ermöglichen.
So läuft die klassische Teezeremonie ab
Die Teezeremonie folgt einem streng festgelegten Ablauf und wirkt eher förmlich. Meist findet sie in der ruhigen Atmosphäre eines Teehauses in einem schlicht eingerichteten Raum statt. Traditionell beginnt sie mit der Reinigung: Die Gäste waschen sich Hände und Mund, um sich äußerlich und innerlich auf den Tee vorzubereiten. Währenddessen bereitet der Gastgeber einen eisernen Teekessel, eine Teeschale, einen Bambusbesen, einen Bambuslöffel und die Teedose vor.
Zu Beginn wird den Gästen eine traditionelle Süßigkeit namens »Wagashi« gereicht, die den Gaumen auf den intensiven grünen Tee vorbereiten soll. Die Zubereitung des Matcha-Tees übernimmt der Gastgeber vor Ort. Das erfordert nicht nur Geschick, sondern auch Konzentration, denn die Qualität des Schaums spiegelt der Tradition nach die Hingabe des Gastgebers wider. Jeder Handgriff ist genau vorgeschrieben, vom Reinigen der Schale mit einem speziellen Seidentuch bis zum Erwärmen des Wassers.
Der erste Gast der Zeremonie nimmt nun den Tee mit einer respektvollen Verbeugung entgegen. Aber auch hierbei gibt es Regeln: Beim Servieren dreht der Gastgeber die Keramikschale so, dass eine »Schauseite«, oft ein auffälliges Muster, dem Gast zugewandt ist. Aus Höflichkeit dreht dieser nun die schöne Seite der Teeschale mit zwei Vierteldrehungen im Uhrzeigersinn genau in die entgegengesetzte Richtung zum Gastgeber zurück. Mit der gleichen Handhaltung, also mit beiden Händen an der Schale, trinkt er nun den Tee, gerne mit einem hörbaren Schlürfen, in wenigen Zügen aus und gibt die Schale zurück. Der Gastgeber reinigt sie sorgfältig mit seinem seidenen Teetuch, bevor er sie dem nächsten Gast reicht.
Diese Prozedur wird wiederholt, bis alle Gäste den Tee probiert haben. Abschließend bedankt sich der erste Gast beim Gastgeber und bei den anderen Teilnehmenden und beendet damit die Zeremonie.
Selbst an einer japanischen Teezeremonie teilnehmen
Zu einer klassischen, mehrstündigen Teezeremonie in Japan wird man persönlich eingeladen: Sie findet meist im kleinen, privaten Kreis statt. Es gibt aber auch größere, öffentliche Veranstaltungen, an denen man teilnehmen oder einfach die harmonischen Bewegungen bekannter japanischer Teemeister beobachten kann. Sie werden oft von den großen japanischen Teeschulen, Schreinen oder Tempeln ausgerichtet. Eine vereinfachte Teezeremonie, meist auf Englisch, kann man zum Beispiel hier in Tokio oder hier in Kyoto erleben.
Auch in Deutschland kann man die Kunst der japanischen Teezeremonie zelebrieren, denn die Zahl japanischer Teehäuser ist hierzulande erstaunlich groß. Eine der bekanntesten Institutionen ist die Urasenke-Teeschule, die bereits in der 16. Generation weitergeführt wird. Ihre erste Niederlassung außerhalb Japans wurde 1951 auf Hawaii gegründet, inzwischen ist sie weltweit vertreten. In Deutschland gibt es bereits mehrere Urasenke-Teeschulen, die einen Einblick in die jahrhundertealte Kunst ermöglichen.
Teezeremonie zu Hause abhalten: Das brauchst du
Gerade für uns hektische Teeschlürfer in Deutschland ist das japanische Ritual eine besondere Art und Weise, das Teetrinken zu genießen. Vielleicht sollten wir uns auch regelmäßig eine Portion Ruhe im Alltag gönnen – warum also nicht die Zeremonie nach Hause holen? Alles, was man dazu braucht, sind:
- Matcha-Pulver (Eigenschaften siehe oben),
- Matcha-Schale,
- Bambuslöffel,
- Bambusbesen
- und das Wichtigste: eine Prise Ruhe und ausreichend Zeit, um den Moment bewusst zu genießen.
Zubereitung:
Zuerst wird die Teeschale mit heißem Wasser vorgewärmt und der Bambusbesen kurz darin eingeweicht. Wenn das Wasser die optimale Temperatur von etwa 70 Grad Celsius erreicht hat, wird ein leicht gehäufter Bambuslöffel Matcha-Pulver in die vorgewärmte Schale gesiebt. So verhindert man, dass sich Klümpchen bilden. Dann wird das heiße Wasser auf das Pulver gegossen und mit dem Bambusbesen in Zickzackbewegungen aufgeschlagen, bis sich eine feine Schaumkrone bildet.
Jetzt kann der Tee schluckweise getrunken werden. Und für das gewisse Etwas: Schlürfen nicht vergessen!