Einmal im Jahr ist Singapur nicht wiederzuerkennen. Es ist mit Sicherheit das spannendste Wochenende des Jahres: Dann, wenn die Formel 1 in die Stadt einzieht und tatsächlich ihren berühmten Zirkus veranstaltet.  Text: Jennifer Latuperisa-Andresen

Sie ist wirklich eine auffällige Erscheinung.

Der erste Eindruck schwankt dementsprechend zwischen Sympathie und Abschreckung.

Ihr tief ausgeschnittenes Kleid offenbart zu viel, wobei ihr Mund zu wenige Zähne zeigt.

Heute ist sie der Boss. Hier in Singapur. Bei der After-Show-Party im angesagten Club Indochine. Ihr Name ist Prima.

Es ist der Abend nach dem Großen Preis von Singapur. Sebastian Vettel hat zum zweiten Mal in Folge gewonnen, Katy Perry ist singend über die Bühne gehuscht, während Primas Gäste Wodka-Cranberry nachgeschenkt bekommen, als wäre es Wasser. Widerstand zwecklos. Hier anwesend darf nur derjenige sein, der wichtig ist, oder zumindest so aussieht. Eintritt nur für diejenigen, die bei diesem Formel-1-Wochenende im Stadtstaat Singapur bereit sind, ein kleines Vermögen auszugeben, ein Umstand, der nicht schwierig zu erreichen ist. Auch nicht auf Primas Partys.

Für Singapur ist das Formel-1-Rennen eine lohnende Investition.

Aus den etwa 30 bis 42 Millionen Euro, die der Stadtstaat an Bernie Ecclestone zahlen muss, um das Rennen überhaupt austragen zu dürfen, wird dank begeistertem Publikum das Zehnfache verdient. Hinzu kommt der Aufwand vor Ort, die Stadt abzusperren und die 1.600 Flutlichter aufzustellen, die das Rennen erleuchten, wird es doch am späten Abend gefahren. Das macht es zu einem besonderen Ereignis in der Formel-1-Saison.

Die Rennstrecke führt zu 70 Prozent über öffentliche Straßen und ist somit neben Monaco eines der Rennen, die praktisch direkt im Stadtleben stattfinden. Allerdings sagen die Fahrer, dass das Rennen in Asien etwa dreimal so viel Energie kostet als das Rennen im Fürstentum. Und tatsächlich ist der Rennverlauf durchaus nervenaufreibend. Mit einer Länge von nur 5,07 Kilometern müssen die Fahrer der zwölf Teams 61 Runden auf dem Marina Bay Circuit zurücklegen. Dabei müssen sie etwa 68 Mal schalten, denn die 24 Kurven fordern ihren Tribut. Das Rennen ist das langsamste aller Strecken im Weltcup bei einer Spitzengeschwindigkeit von 300 km/h und bei durchschnittlichen 175 km/h. Für Formel-1-Fans ist es ein Highlight, das ruhig etwas kosten darf. So kann das teuerste Ticket der Veranstaltung für etwa 2.400 Euro bezogen werden, und das güns­tigste für etwa 100 Euro. Für mindestens 82.000 Zuschauer ein wahr gewordener Traum.

It’s Partytime

»Heute kralle ich mir einen deutschen Mann«, ruft Prima mit lusterfülltem Blick in die Runde.

Ein kleiner Schauer läuft über den Rücken der anwesenden Männer. Es klingt fast wie eine Drohung, weniger wie eine Anmache. Jeder Mann mit blondem Haar und blauen Augen wird also ins Visier genommen. Es verspricht, ein lustiger Abend zu werden.

Die Partys am Formel Eins Wochenende in Singapur sind unbeschreiblich

Soren Astrup Jorgensen

Wer blond und blauäugig ist, fällt in Singapur der Damenwelt ins Auge. Dieser Typ Mann ist heiß begehrt – auf allen Partys. So auch bei der Bacchanalia Party im Marina Bay Sands Hotel. Wir würden es einen modernen Frühschoppen nennen. Allerdings sind die Getränke (Champagner) und die Lokalität (Ballsaal) dem Event angepasst. Ein DJ aus den USA, der ansonsten auch gern mal für den Präsidenten oder Beyoncé die Platten auflegt, steht an den Turntables. Das leicht angeheiterte Partyvolk ist ausgelassen. Es wird gejault, gehopst und getrunken.

Nach dem Champagner folgt der Wodka. Allerdings wird dieser hier mit einem Säbel geöffnet und nur, und ich betone, NUR in Dreiliterflaschen, verkauft. Auch Gläser hält das lustige Partyvolk aus allen Nationen für komplett überflüssig und bedient sich direkt aus dem Flaschenhals. Die teuren Designerkleider werden, nachdem der Mut angetrunken ist, samt überhohen High Heels auf die Tische manövriert, und es wird getanzt, was der Beat hergibt. Anschließend ist die Dachterrasse des Hotels ein touristischer Pflichtbesuch. Befindet sich dort doch der längste und wahrscheinlich berühmteste Infinity Pool der Welt.

Partyhopping auf höchster Ebene

Ohne Pool, aber ebenfalls mit einer grandiosen 360-Grad-Aussicht, die jedes Abendoutfit übertrumpft, ist die Dachterrassenbar im Finanzzentrum, auf dem One Raffles Place-Gebäude. Auf 282 Metern über dem Meeresspiegel wird aber nicht allein die Aussicht bestaunt, es kann auch exzellent gespeist werden, oder eben getanzt. Ein besonderes Hochgefühl bietet das 1Alitude nicht nur zur Formel-1-Zeit, obwohl zu der Zeit die Partys besonders ausgelassen sind.

Lee Aik Soon

Ruhiger und sicherlich der Klassiker unter den Bars ist die Long Bar im ältesten Hotel der Stadt. Während der Fußboden mit gepulten Erdnussschalen bedeckt ist, wird ein Singapore Sling genossen – immerhin wurde der weltweit bekannte Cocktailklassiker, basierend auf Gin und Brandy in dieser Bar 1915 kreiert. Ebenfalls ein Klassiker, mit einem bezaubernden Ambiente inklusive perfekter Rennstrecken-Sicht, ist die Dachterrassenbar Lantern auf dem Fullerton Hotel. Näher und stilvoller am Renngeschehen ist fast unmöglich.

»Die Fahrer kommen gleich auch noch«, kokettiert Prima. Es ist der simple Trick, die Gäste bei Laune zu halten.

Ein Abwandern in ein anderes Etablissement zu verhindern. Oder kommt er tatsächlich gleich noch um die Ecke, der erfolgreiche Sebastian Vettel – siegreicher Held des Rennens? Da die Fahrer während ihres Singapur-Aufenthalts ihren Tagesrhythmus auf der europäischen Zeit belassen, wäre er also ein ausgeschlafener Partygast. Prima zeigt ihre lückenhafte Vorfreude und flirtet derweil, »bis Sebastian kommt«, mit einem deutschen Kameramann, der jedes Jahr vor Ort ist. »Es ist wie eine Sucht, das beste Rennen des Jahres. Die cools­te Stadt der Welt und der größte Spaß meines Lebens.«

Nun, was ist denn so toll an Singapur?

Es ist die reizvolle Mischung, zwischen roten Lampions und funkelnden Wolkenkratzern. Asien delight sozusagen. Oder Asien 2.0. Modern, aufgeschlossen, sauber und sicher. Wer Singapur mangelnde Authentizität vorwirft, der sollte tatsächlich lieber nach Laos. Denn wie soll ein Fleckchen Erde, und Singapur hat nicht einmal die Größe von Hamburg, welches erst im 14. Jahrhundert anfing, sich zu entwickeln, die gleiche historische Faszination entwickeln wie ein altes Königreich? Singapur ist der Amerikaner unter den Asiaten. Ein wirtschaftsorientierter Vielvölkerstaat mit zahlreichen ethnischen Vierteln, die friedlich nebeneinander leben.

Prima ist Inderin. Ebenfalls eine starke Bevölkerungsgruppe in Singapur, neben den Chinesen, Malaien und Arabern. »Wir haben das beste Essen«, erzählt Prima stolz und zählt gleich eine Handvoll Restaurants auf, in denen sie sich gerne von einem »deutschen Kerl« ausführen lassen würde. Denn Liebe geht durch den Magen, weiß Prima.

Und wer seine Liebe zu Singapur entdecken will und kein Kostverweigerer ist, der kann dies nur bestätigen. Praktischerweise lässt sich jeden Tag eine neue Küche ausprobieren. Wie wäre es also mit Dim Sums zum Frühstück in Chinatown? Traditionell werden die gefüllten und anschließend gedämpften Teigtaschen in der ersten Tageshälfte gegessen.

Henrique Felix

Mittags vielleicht etwas exotischer und weit weg von der europäischen Kost mit leckerem indischen Essen, serviert auf einem Bananenblatt und verköstigt mit der Hand im legendären Banana Leaf. Ein Restaurant, das einst klein anfing und so erfolgreich wurde, dass es heute einer Mensa ähnelt. Sicherlich kein romantisches Ambiente, aber landestypisch und fantastisch bodenständig, wo sich Einheimische und Touristen an einem Tisch mischen.

Schon edler und gesetzter, aber dennoch nicht aufgesetzt ist das Blue Ginger. Dort werden malaiische Feinheiten serviert. Mal spektakulär würzig, mal leicht scharf und eventuell ein wenig sauer. So die geschmackliche Abwechslung innerhalb einer Reistafel.

Gen Abend darf es auch gerne etwas feiner sein. Deshalb empfiehlt sich das Equinox im The Stamford, ein Swissotel. Warum? Weil die Aussicht gigantisch ist und das europäisch inspirierte Essen vorzüglich. Selbstverständlich extrem beliebt am Formel-1-Wochenende, kann man doch von hier prima die Strecke beobachten.

Nervös starrt sie auf ihr Handy. Kommt denn tatsächlich kein einziger Fahrer zu ihrer Party? Soll es das gewesen sein? Die deutschen Männer sind auch alle so ablehnend. Prima versucht, den Abend zu retten, indem sie noch mehr Alkohol einschenkt, noch mehr redet und offensiv flirtet. Doch das ist nicht vonnöten. Das Klima ist angenehm, die Musik untermalt den Abend, und die Gesellschaft ist nett. Es ist ein prima Abend, Prima.

Anreise. Ein Flug ab Frankfurt a. M. nach Singapur mit Singapore Airlines kostet ab € 812 inkl. aller Steuern, Gebühren und Zuschläge. Zwei Mal täglich ab Frankfurt a. M., einmal ab München nonstop nach Singapur. www.singaporeair.de

Stopover. Singapore Airlines bietet ab € 13 p. P. im halben DZ ein Stopover-Programm an. Eingeschlossen sind die Hotelübernachtung, Transfers vom und zum Flughafen sowie zahlreiche Vergünstigungen zu Attraktionen und Restaurants.

Hotel. Ideale Ausgangsposition, um den Rennverlauf aus dem eigenen Fenster zu beobachten: Das Fünf-Sterne-Swissôtel The Stamford, DZ kosten ab € 170. www.swissotel.com/hotels/singapore-stamford

Rennen. Das Rennen 2013 findet am 22. September statt. Infos sowie Tickets gibt es über www.singaporegp.sg/

Nightlife. 1Altitude. Dachterrasse auf dem One Raffles Place, www.1-altitude.com. Bacchanalia Brunch im Marina Bay Sands, Infos unter www.facebook.com/Bacchanaliabrunch. Long Bar Raffles Hotel, www.raffles.com/singapore/dining/long-bar. Lantern at Fullerton Bay, www.fullertonbayhotel.com

Essen. The Banana Leaf Apolo, 54, Race Course Road, www.thebananaleafapolo.com. The Blue Ginger, 97, Tanjong Pagar Rd., www.theblueginger.com

Info. www.your-singapore.de