Nirgendwo auf der Welt sind die Nordlichter so hell, so schön und so geheimnisvoll wie in Kanada. Vor allem im Herbst sind die intensiven kanadischen »Aurora borealis« ein beeindruckendes Schauspiel, das man zumindest einmal im Leben gesehen haben sollte.
Lichtwerk Aurora-Oval
So wunderbar der Zauber am Himmel auch erstrahlt, so schnöde wissenschaftlich nüchtern klingt der Prozess, der Polarlichter entstehen lässt: Sie sind nur dann zu sehen, wenn in den nördlichen Breitengraden geladene Teilchen der Sonnenwinde mit dem Erdmagnetfeld aufeinandertreffen. Oder, um es präziser auszudrücken: Nordlichter entwickeln sich, wenn in der nördlichen Hemisphäre die von der Sonne elektrisch aufgeladenen und durch Sonnenwind transportierten Partikel in die Erdatmosphäre kommen und dort mit Gasen, in der Regel mit Sauer- und Stickstoff, zusammenstoßen.
Um die sensationellen Aurora-borealis-Lichter genießen zu können, sollten die Nächte lang, das Umfeld stockdunkel und die Temperaturen niedrig sein. All diese Bedingungen sind in Kanada – vor allem im Herbst und Winter – gegeben. Vor allem im sogenannten Aurora Village in Yellowknife sammeln sich Jahr für Jahr Liebhaber dieses schillernden Naturphänomens. Die Stadt am Nordufer des Großen Sklavensees ist DER Hotspot in Kanada und die Hauptstadt der kanadischen Northwest Territories. Hier kann man die Polarlichter an durchschnittlich 240 Tagen des Jahres sehen. An keinem anderen Ort der Welt ist solch eine sensationelle Ausbeute möglich. Der Grund für dieses Phänomen: Yellowknife liegt unter dem sogenannten Aurora-Oval. Es bildet sich direkt über dem Erdmagnetfeld und entfesselt ein Feuerwerk der bunten Lichter.
Unbeschreibliche Weite
Kanada ist dank seiner arktischen Steppen und borealen Nadelwälder, seiner arktischen, atlantischen und pazifischen Küsten nach Russland das zweitgrößte Land der Welt. Die unbeschreibliche Weite gepaart mit einer eher dünnen Besiedlung sorgt dafür, dass sich im ganzen Land unberührte Natur in riesigen Wäldern ausbreiten kann. Ein Paradies für Wanderer, Kletterer, Tierbeobachter oder auch Hobby-Himmelsforscher, die sich selbst in der Nordlichter-High-Season im kanadischen Herbst und Winter bei ihrer Leidenschaft selten ins Gehege kommen.
Perfekte Bedingungen für Polarlichter, die sich bekanntlich am besten in Landschaften beobachten lassen, in denen Lichtersmog und andere Einflüsse der Zivilisation das unbeschreibliche Naturschauspiel am Himmel nicht stören. Je weiter und einsamer die Landschaften, umso eindrucksvoller flammt das Himmelsgewölbe Kanadas auf.
Das größte Schauspiel
Die große Pracht und gewaltige Wucht der kanadischen Himmelslichter sind einzigartig. Hier kommen einfach viele ideale Bedingungen zusammen, die in Skandinavien zwangsläufig nicht gegeben sind. Die Weite und Einsamkeit der kanadischen Wälder sorgen für einen klaren und zudem von allen Schadstoffen befreiten Himmel.
Bei solch optimalen Voraussetzungen ist es kein Wunder, dass manche der kanadischen Polarlichter 20 Minuten am Stück zu sehen sind, glasklar und ausdrucksstark in Kontur und Farbe. Es soll schon Nordlichter gegeben haben, die mehr als eine Stunde am Stück zu beobachten waren, bevor sie wieder verschwanden. Und zwar nicht als flüchtige kleine, flimmernde Pünktchen, sondern als großes und wirklich beeindruckendes Himmelsballett. Ein Anblick, der sprachlos macht. Es sei denn, man ist ein Dichter wie Wilhelm von Humboldt. Der fand Worte:
»Ich könnte stundenlang mich nachts in den gestirnten Himmel vertiefen, weil mir diese Unendlichkeit fernher flammender Welten wie ein Band zwischen diesem und dem künftigen Dasein erscheint.«
Sei kein Tourist, sei Entdecker!
Natürlich kann man Polarlichter-Reisen als lustig-komfortable Tagestour planen. Der Nordlicht-Tourismus ist in den letzten Jahren schließlich explodiert. Und es ist ja auch verständlich, dass man dieses Phänomen der Natur einmal live erleben will. Doch als All-inclusive-Sause in der Reisegruppe mit Bus und musikalischer Rundumbeschallung lässt sich solch ein Abenteuer selten in ganzer Fülle erleben. »Aurora borealis« sind scheue Phänomene.
Da wo viele Menschen viel Licht und Lärm machen, sind sie in der Regel nicht zu Hause. In Kanada werden solche kommerziellen Polarlichter-Expeditionen nicht gefördert. Schon allein, weil die undurchdringliche Weite des Landes sich nicht domestizieren lässt. Hier stehen Abenteuer und Geduld zu gleichen Teilen auf der Menükarte – das Erlebnis, die Nordlichter zu genießen, setzt in Kanada die Auseinandersetzung mit der stillen Würde der Natur voraus.
Achtung, sehr viel Wildwechsel …
Alle Nordlichter sind unterschiedlich. Manchmal wirken die Himmelsbilder wie grün-rote Röntgenaufnahmen der Natur, dann wieder wie illuminierte Zirkuskuppeln oder lichtdurchlässige Wolken. Auch farblich sind diesem Schauspiel am Firmament keine Grenzen gesetzt. Oft wird die Kulisse von geheimnisvollen Grün- und Blautönen bestimmt, dann wieder in glänzendes Lila, Pink oder Gelb getaucht. Die Farbe Grün ist der Polarlicht-Spitzenreiter, auf Rot hingegen muss man geduldig warten können.
Doch ganz gleich, in welcher Tönung der Himmel erstrahlt: Wenn der Tanz am tiefschwarzen Nachthimmel beginnt, steht die Welt für einen Moment still. Bonus: Wer sich entschließt, für die Nordlichter nach Kanada zu reisen, wird gleich zweifach belohnt: Neben der gewaltigen Aurora borealis können Besucher auch die einzigartige Tierwelt Kanadas beobachten. Neben der unglaublichen Lichtershow kann man den Glanz der herbstlichen Wälder genießen und zusätzlich wilde Tiere wie Wölfe; Eisbären und Elche entdecken.
Skifahren mit Durchblick: Wer macht das Nordlicht an?
Warum nicht das Beste aus verschiedenen Welten miteinander kombinieren: Skitouren in der fantastischen kanadischen Natur gehören seit jeher zu den Dingen, die auf der Bucketlist zahlreicher Winterurlauber auf der ganzen Welt stehen. Einmal Powder erleben – denn der Schnee, eben Powder genannt, ist hier etwas ganz besonders Angenehmes unter den Brettern.
Grandios, wenn sich ein solches Abenteuer noch toppen lässt: Wer die Nordlichter in der tiefen Dunkelheit der kanadischen Natur über einer schneebedeckten Landschaft tanzen sieht und dabei auf Skiern seinen eigenen Rhythmus findet, ist am perfekten Winterurlaub schon ganz nah dran. In Kanada ist das vor allem hoch in den Rocky Mountains möglich. Beispielsweise in Marmot Basin im Jasper National Park. Ursprünglich ein Hotspot des Pelzhandels, kann man in diesem Gebiet heute stolze 86 Abfahrten genießen – und sollte dabei nicht vergessen, immer wieder am Himmel nach unvergesslichen Nordlichtern Ausschau zu halten.
Aus der Dunkelheit ins Polarlicht
Das gibt’s nur in Kanada! Eine Umweltbehörde, die sich dem Schutz der nächtlichen Umwelt verschrieben hat. Im Klartext: Die Royal Astronomical Society of Canada (RASC) sorgt an ausgewählten Orten (Dark Sky Preserves) für die Vermeidung von Lichtverschmutzung und dafür, dass Hobbyastronomen an ausgewählten Dark-Sky-Nächten den Himmel bewundern können. Aus diesem Grund bleibt z. B. der Nationalpark Point Pelee am südlichsten Punkt des kanadischen Festlands in Ontario seit 2006 an diesen bestimmten Tagen bis 24 Uhr geöffnet, um eine optimale Sternen- und Nordlichterbeobachtung zu ermöglichen.
Kein Einzelfall: Auch im Binbrook-Naturschutzgebiet oder im Point Farms Provincial Park werden perfekte Bedingungen für die Beobachtung von Polarlichtern, Sternen und Planeten geschaffen. In ganz Kanada hat die Royal Astronomical Society of Canada über 20 Dark Sky Sites ausgewiesen, die über den sogenannten Dark-Sky-Preserve-(DSP)-Status verfügen. Perfekte Orte, um den Traum vom Polarlicht wahrzumachen.
Ein Bad in der Natur
Waldbaden tut der Seele gut. Vor allem im Herbst, wenn sich die Blätter der kanadischen Wälder in allen Farben präsentieren und ein Spaziergang in schimmernden rötlich-goldenen Kulissen das Herz erwärmt. Wie schön es ist, solch einen achtsamen Aufenthalt im kanadischen Wald genießen zu können, ohne die schrecklichen Waldbrände fürchten zu müssen, die in trockenen, dürren Sommern den Frieden der kanadischen Natur gefährden!
Und was ist besser, als seine Energiereserven in den dichten Wäldern des Landes aufzufüllen. Zumal in Kanada der nächste Wald nie weit ist. Nur auf einem Prozent der Gesamtfläche des Landes siedeln Menschen. Der Rest: Natur. Tiere. Pure Schönheit. Wenn dazu noch in später Nacht – wie in den Northern Territories, Manitoba, Yukon, Nunavut, Neufundland und Labrador, Ontario und Alberta – Nordlichter zu beobachten sind, dürfte das Glück der Waldbadenden perfekt sein.