Koh Samui? Schwierig. Die Insel war mal ein herrliches Aussteigerparadies, bevor der Massentourismus über Thailand hereinbrach. Inzwischen gilt Koh Samui bei vielen Thailand-Fans als No-go-Area. Nur reisen EXCLUSIV-Reporter Harald Braun liebt seine Insel im Golf von Thailand unverdrossen. Er hat seine Gründe.

Viel braucht’s nicht, um mich fröhlich zu stimmen. Ich muss schon lachen, da habe ich noch keinen Fuß auf Koh Samui gesetzt. Der eröffnete »International Airport« wirkt aus dem Fenster meines Fliegers wie die Empfangshalle eines karibischen Hüttenresorts inmitten eines tropischen Blumengartens. Mit dem, was man so gemeinhin von einem internationalen Flughafen erwartet, hat das wenig zu tun. Dazu gehört auch, dass Reisende von einem Mix aus Golfkart und bunter Bimmelbahn am Flieger abgeholt werden.

Felsen am Meer auf Koh Samui

Anatolii Shcherbyna

Es gibt zwar erste Überlegungen, entweder einen zweiten Flughafen auf Koh Samui oder eine 18 Kilometer lange Brücke zum Festland zu bauen, doch bislang arbeitet das niedliche Airpörtchen in Bophut den nicht abreißenden Strom der Maschinen von Thai Airways oder Bangkok Airways allein ab. Kleiner Tipp: Wer von Bangkok aus erst nach Surat Thani fliegt und von dort mit dem Katamaran nach Koh Samui übersetzt, zahlt in der Regel nur einen Bruchteil des Flugpreises. Da Bangkok Airways den Flughafen in Koh Samui selbst betreibt, kann die Firma auch über die Preise bestimmen, während in Surat Thani auch Billigflieger landen dürfen.

Acht Gründe Thailand zu lieben

Ein wilder Empfang auf Koh Samui

In diesem Fall würde man allerdings das Schauspiel am Flughafen in Koh Samui verpassen, das sich am Ausgang auf amüsante, gleichsam chaotische Weise fortsetzt: Mit wildem Winken und lautstarkem Rufen weist ein vibrierender Brummkreisel aus Hotelmitarbeitern und Taxifahrern darauf hin, dass er noch über Kapazitäten verfügt. In Kombination mit der feuchtwarmen Wand, die sich auf Koh Samui »Gutes Wetter« nennt, ist dieses Inferno ein Schock, wenn man gerade erst dem Grau(en) Schleswig-Holsteins entflohen ist. Mein erster Gedanke, als ich vor rund 15 Jahren zum ersten Mal in Koh Samui landete: »Wann geht der nächste Flieger zurück«. Natürlich bin ich geblieben.

Pad Thai in Thailand

Chris Tweten

Ein paar Fakten zu der Insel, die über die Jahre zu meinem Sehnsuchtsort in Thailand geworden ist: Koh Samui liegt im Golf von Thailand, nur rund 35 Kilometer von der Ostküste Südthailands entfernt. Mit einer Länge von 25 Kilometern und einer Breite von 21 Kilometern ist sie die drittgrößte Insel Thailands. Um sich die Ausmaße besser vorstellen zu können: Koh Samui ist mit etwa 233 Quadratkilometern Ausdehnung ungefähr so groß wie das brave Salzgitter im Harz. Allerdings, mit Verlaub: sehr viel schöner. Die Insel, die sich locker an einem Tag mit dem Moped umrunden lässt, verfügt über eine Szenerie, die man sich für seine Flucht aus dem deutschen Winter nicht schöner wünschen könnte: schneeweiße Traumstrände, Kokospalmen, tropische Landschaften, kleine Dörfer, traumhafte Hüttenresorts nah am Meer. Dazu eine wunderbar leichte, aromatische und – wenn man sie im Original Thai-Style ordert – auch scharfe Küche, bei der man das herausfordernde Hitzeperlenspiel auf der Stirn gleich mitbestellt. Die Preise dafür – legendär niedrig.

Sonnenuntergang am Strand von Koh Samui

Larisa Kisakova

Vom Fluch und Segen des Tourismus-Booms

Das Problem bei all diesen Vorzügen: Es gibt viele, viele Mitwisser. Allein aus Deutschland reisten im letzten Jahr vor der Pandemie 2019 rund 400.000 Touristen an. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute folgt aber sogleich: Die meisten der Besucher sammelten sich am sechs Kilometer langen Chaweng Beach, dem größten und populärsten Strand auf Koh Samui. Dort tobt das Strandleben in der Hochsaison wie am Ballermann auf Mallorca: Bars, Restaurants, Thaiboxhallen, Massagebutzen und Hotels in allen Größen und Preisklassen. Hier wird gebechert, gefeiert und gebumst, denn ja: Pay-Sex ist neben Sonne, Strand und Küche ein wichtiger Motivationsbooster für eine Reise nach Thailand, jedenfalls für eine gewisse Klientel. Bigott wäre es, nicht darauf hinzuweisen. Auf Koh Samui springt der Sextourismus allerdings nur in einem größeren Rotlichtviertel in Chaweng besonders ins Auge, in kleinerem Ausmaß auch noch am zweitgrößten Strand der Insel in Lamai.

Plastiktiere am Strand von Thailand

Lucia Ricciardi

Es ist nicht mein Job, über das moralisch-ökonomische Dilemma der thailändischen Frauen zu urteilen, die oftmals aus dem bitterarmen Norden des Landes stammen und mit ihren Einkünften ganze Familien über Wasser halten. Fakt ist, dass man in den Straßen rund um den Chaweng Beach Rotlichtabschnitte wahrnimmt, ohne dass sie den Charakter des Orts so unangenehm prägen würden wie etwa in Pattaya oder Phuket. Es bleibt ein Dilemma. Verursacht von – meist – Männer aus dem Westen, die nicht nur wirtschaftlich überlegen sind, sondern auch die Situation der Frauen ausnutzen. »Wie viel Hölle verträgt das Paradies«, fragte sich schon der deutsche Autor Bernd Linnhoff, der mit seinem smarten Buch »Thailand unter der Haut Nahaufnahmen aus einem fernen Land« seine Erfahrungen im Land in Form eines erzählenden Sachbuchs aufschrieb.

Boote am Strand in Thailand

Anthony Delanoix

Zuerst zum Fischerdorf nach Bophut

Meine Routine nach meiner Ankunft in Koh Samui ist allerdings eingespielt: Zum Leidwesen meines Taxifahrers lasse ich mich stets zuerst nach Bophut bringen, nur knappe drei Minuten Fahrzeit vom Flughafen entfernt. Zum einen, weil Bophut ein ruhiges, ehemaliges Fischerdorf ist, in dem man sich langsam mit der Insel vertraut machen kann. Vom Trubel Chawengs ist hier noch nichts zu spüren. Der Strand in Bophut ist ein klassischer Familienstrand, der auch von Einheimischen besucht wird – immer ein gutes Zeichen. Das Fisherman’s Village in Bophut hingegen ist eine urbane Ausnahme: Es hat etwas beinahe Museales, wie hier schicke Shops, Cafés und Restaurants in einem geschützten Viertel aneinanderkleben, ohne dass Autoverkehr das Flanieren stören würde.

Auffällig sind die vielen jungen Europäer, die hier in modernen Cafés direkt am Meer mit ihren Laptops sitzen und Kontakt mit ihrer Homebase halten. Für die Spezies des »Digital Nomads« ist Bophut ein Hauptuartier auf der Insel, bevor sie ins nahe gelegene Koh Phangan weiterreisen, um dort die legendären Full-Moon-Partys zu besuchen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Nachts in den Straßen von Koh Samui

Goh Rhy Yan

Eingecheckt im Anantara Hotel

Es gibt noch einen anderen Grund dafür, dass es mich immer zuerst nach Bophut zieht: das Anantara-Hotel. Als Reiseschreiber kommt man herum in der Welt, dazu gehört, alle paar Tage das Hotel zu wechseln. Auf diese Weise kommen im Lauf der Jahre so einige Häuser zusammen. Das Anantara Bophut gehört zu meiner Top Drei aller Zeiten. Warum Der Luxus ist es nicht. Von der Straße aus wirkt der Zugang zum Hotel sogar eher unscheinbar. Doch wenn man den breiten Holzsteg Richtung Rezeption entlangspaziert und – am besten in der Dämmerung – einfach nur die lodernden Feuer auf den kleinen Wasserkanälen anschaut und die prächtige Eingangshalle auf sich wirken lässt, dann: Wow! Wasser, Feuer, Farben, Weite! Hier fühle ich mich wie in einem Kloster, allerdings mit einer weniger kargen Ausstattung. Selten habe ich ein Resort erlebt, in dem jedes dekorative Detail stimmt.

Pool im Anantara Bophut

Anantara Bophut

Dass es über eine solide Küche, einen eigenen schönen Strandabschnitt, ein großzügiges Gym verfügt – Routine, geschenkt. Doch das Spa, dieser Open-Air-Tempel der angewandten Wellness, dieses Spa im Anantara – einfach atemberaubend. Nichts von dunklen Gängen, in denen im Flüsterton »Anwendungen« (was für ein uncharmantes Wort) verabreicht werden, so, wie es in vielen Hotels leider üblich ist. Nein, im Anantara wird auf kleinen farbigen Halbinseln unter freiem Himmel reine Wonne verschenkt. Und das ist nicht mal die kitschigste Beschreibung, die mir dazu einfällt.

Six Senses Samui

Mit dem Roller über die Insel

Es dauert immer einige Tage, bis Geist und Körper auf Koh Samui angekommen sind. Ein Ort wie diese Luxusherberge hilft, diesen Prozess zu erleichtern. Irgendwann bin ich so weit, die Insel erkunden zu wollen. Das ist der Zeitpunkt, an dem ich Jürgen Ohloff eine WhatsApp schicke. Ich kenne Jürgen nicht, aber ich bin froh, dass es ihn gibt. Der Mann vermietet auf Koh Samui Roller, besser noch: Er bringt diese asiatischen Varianten einer Vespa direkt ins Hotel und holt sie dort auch wieder ab, wenn das gewünscht wird. Der Vorteil: Bei vielen der thailändischen Vermieter – von denen es eine Menge gibt – muss man häufig seinen Reisepass als Pfand hinterlegen. Ohnehin nicht ganz risikofrei, wird das manchmal bei schwarzen Schafen unter den Vermietern zum ätzenden Druckmittel. Dann nämlich, wenn der Pass mit der Begründung, man habe das Moped ja wohl offenbar beschädigt, zurückgehalten wird. Meistens helfen dann zwar 1.000 Baht obendrauf, aber schön ist das nicht. Bei Jürgen kommt derartiger Schmu nicht vor, zudem gibt’s einen guten Preis und den vorgeschriebenen Helm dazu.

Rollerfahren in Thailand

Arkadij Schell/Shutterstock.com

Ich liebe es, mit dem Roller über die Insel zu fahren und immer wieder neue Ecken zu entdecken. Erstaunlich, wie häufig sich die Vegetation auf so einer kleinen Insel ändern kann. Vor allem, wenn man nicht nur an der Küste entlangbraust, sondern auch einmal Touren ins Landesinnere unternimmt. Aber Vorsicht: Die sandigen Straßen auf Koh Samui und Koh Phangan sind voller Schlaglöcher. Aufgeschürfte Beine und Arme werden hier achselzuckend Inseltattoo genannt …

Die Schönheit der Insel: seine Strände!

Klassische Sehenswürdigkeiten gibt’s auf Koh Samui wenige. Abgesehen vom Ang Thong Marine Park vielleicht, der als Nationalpark ausgewiesen ist und in dem man 42 kleine Inseln mit dem Boot oder einer kleinen Fähre umrunden kann. Wer Lust hat, übernachtet in einem kargen Bungalow oder im eigenen Zelt mit wenigen anderen Touristen und Rangern auf der kleinen Insel Koh Wua Ta Lap. Allerdings ist das kulinarische Angebot dort recht überschaubar. Der zwölf Meter hohe »Big Buddha« gilt auf Koh Samui als wichtigste Sehenswürdigkeit und fungiert als Wahrzeichen der Insel. Wer allerdings vorher in Bangkok war und sich in den dortigen Tempeln umgeschaut hat, dürfte jetzt nicht allzu geflasht sein – Buddhas können sie halt in Thailand.

großer goldener Buddha im Urlaub auf Koh Samui

Robert Eklund

Die Schönheit Koh Samuis aber erschließt sich nicht durch Orte wie diesen oder die wenigen Wasserfälle, zu denen eifrige Fremdenführer Samui-Novizen gerne schleppen: Der Na Muang oder der Hin Lat-Wasserfall sind sicher nett anzusehen, aber in einer etwas hügeligeren Umgebung an einer anderen Location wohl keine Schlagzeile wert. Wunderschön aber sind auf Koh Samui vor allem die Strände am türkisfarbenen Golf von Thailand. Die Sonnenuntergänge sind legendär, besonders an der Westküste der Insel. Der Taling Ngam Beach wird aus guten Gründen auch Sunset Beach genannt. Ebenfalls ein Traum: der sogenannte »Silver Beach«, der eigentlich Thong Takhian Beach heißt und den man nur erreicht, wenn man das Crystal Bay Beach Resort durchquert.

Die besten Inseln in Thailand

Schaukel an einer Palme am Strand in Koh Samui

Rebecca Cairns

Auf der Suche nach den magischen Orten

Das ist allerdings kein Problem. Die Menschen auf Koh Samui sind, so habe ich das jedenfalls erlebt, freundlich und zuvorkommend. Je weiter man sich von Chaweng aus der Hektik des Touristenrummels fortbewegt, umso mehr. Mein nächstes Resort nach dem Aufenthalt im Anantara-Hotel buche ich dann nicht mehr im Internet. Ich setze mich auf meinen Roller und fahre so lange auf der Insel herum, bis ich einen dieser magischen Orte gefunden habe, die Koh Samui ausmachen, auch heute noch. Meistens finde ich an der Südwestspitze der Insel ein Resort mit wenigen Zimmern, kleinen Hütten vielleicht, es darf nicht leicht zu finden und nicht allzu groß sein. So wie neulich erst, als ich das Treehouse Silent Beach mit seinen farbenfrohen 22 Bungalows am Maenam Beach entdeckte. Ein Traum – gut zu wissen, dass es solche Perlen auf Koh Samui immer noch gibt. Man muss nur lange genug suchen, dann wird man reich belohnt. Mit zehn Mojito-Varianten zum Beispiel. Ich sag’s ja – viel braucht’s nicht, um mich fröhlich zu stimmen.

Frau auf Koh Samui in Thailand

Sho K.

Infos

Anreise. Einen Direktflug von Deutschland nach Koh Samui gibt es nicht, in der Regel erreicht man Koh Samui über Bangkok. Wer sparen will und etwas mehr Zeit mitbringt, sollte über einen Flug von Bangkok nach Surat Thani nachdenken. Die Flüge sind sehr viel preiswerter und der Transfer von Surat Thani nach Koh Samui mit der Fähre dauert nur knapp zwei Stunden und kostet nicht einmal 20 Dollar.

Übernachten. Anantara Bophut: Nicht ganz preiswert, aber eines der schöneren Hotels auf dieser Welt. Warum: Das nicht allzu große Hotel verfügt über einen kleinen, aber sehr schönen Strandzugang.

Avani Resort & Beach Club Chaweng: Bonbonbunte Reminiszenz an die 1950er-Jahre – jung, sexy, lebendig. Brandneues Hotel, das auch als Beach Club eine gute Figur macht.

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Strand in Thailand

Anatolii Shcherbyna