Auf Kreuzfahrt ohne Deutsche gehen – was es dabei zu beachten gilt. Ein Selbstversuch im Mittelmeer auf der Riviera von Oceania Cruises.
Text: Martin Wein
Exotik ja, aber bloß nicht zu viel. So lässt sich in einem Satz das Erfolgsrezept deutscher Kreuzfahrtanbieter zusammenfassen. Deutsches Schwarzbrot und deutsches Bier gehören auf den Dampfern von TUIs Mein Schiff, AIDA oder Phoenix Reisen unbedingt an Bord. Die Lebensmittel kommen im Seecontainer direkt aus Hamburg. Vor allem aber spricht man Deutsch. Das Schiff ist so eine Art exterritoriales Gebiet der Bundesrepublik, von dem aus man sich vorsichtig und meist in der Ausflugsgruppe in die Fremde vorwagt. Und wenn die Stimmung mal kippt, setzt der Kreuzfahrtdirektor einen bayerischen Frühschoppen aufs Programm – mit Weißwurst, Freibier und Bedienung in Lederhosen. Das funktioniert sogar in der Antarktis.
Wer im Urlaub nicht vor allem andere Deutsche um sich haben möchte, der muss ausweichen. Auf der Riviera von Oceania Cruises muss man lange nach ihnen suchen. Suraj, der Kabinensteward aus Bangalore in Indien, braucht deshalb mehrere Tage, bis ihm klar ist, dass in Stateroom 10101 kein Amerikaner zehn Tage lang durchs östliche Mittelmeer schippert. Danach tippt er auf die Niederlande. Danach liegt neben der US Times auch die ausgedruckte deutsche Bordzeitung auf dem Bett – mit völlig anderen Inhalten. Die Kundschaft der US-amerikanischen Reederei, einer Tochter von Norwegian Cruise Lines (NCL) mit derzeit sieben mittelgroßen Schiffen für 680 bis 1.280 Passagiere, besteht überwiegend aus Amerikanern und Briten.
»Deutsche sind oft schon sehr ungehobelt«
Ihre Reisen rund um den Globus werden indessen auch in Deutschland vertrieben. Schiff ist Schiff, sollte man meinen. Aber die Unterschiede liegen im Detail. Das fängt gleich bei der Einschiffung an. Die Formalia erledigt man bei Oceania überwiegend online. Um Punkt 21 Uhr verlässt die Riviera dann den Hafen von Piräus. Während bei AIDA und Co. jetzt die Bordmusik erklänge und die Leute an Deck mit Sekt auf ihren Urlaub anstoßen würden, sehen die Gäste im »Grand Dining Room« unter dem riesigen Kristalllüster keinen Grund dazu, ihr gediegenes Abendessen zu unterbrechen. Nicht einmal eine Durchsage gibt es.
Auch am nächsten Morgen, die Riviera ankert in der Caldera von Santorin, gibt es keine Aufregung. Tiefenentspannt sitzen die überwiegend älteren Gäste in der Lounge und warten, bis ihre Gruppe zum Ausbooten aufgerufen wird. Gedrängel Fehlanzeige. Auf einem deutschen Schiff habe ich bei einer Expeditionsreise in einer ähnlichen Situation tumultartige Szenen erlebt. »Deutsche sind oft schon sehr ungehobelt«, sagt Bill aus Delaware. »In der Masse zumindest«, schränkt er ein, als ich mich zu erkennen gebe.
Auch auf dem Pooldeck haben nur einige britische Familien Sonnenliegen reserviert. Den meisten Amerikanern ist es dort nachmittags ohnehin viel zu heiß. Total angenehm findet das ein Schweizer Ehepaar, das sich im Meerwasserpool erfrischt. 36 Kreuzfahrten haben die beiden Senioren schon gemacht, immer auf amerikanischen Schiffen. Auch die angezeigte »country club attire« schreckt sie nicht ab. »Ein Polohemd reicht zum Essen«, sagt er aus Erfahrung.
So schläft es sich in der Riviera von Oceania Cruises
Auf der Joggingstrecke oben auf Deck 15, die viele Mein-Schiff-Gäste jeden Morgen nutzen, ist man auf der Riviera allein. Eher geht man hier ins klimatisierte Fitnessstudio. Apropos Klimatisierung: Die Lüftung in meinem Stateroom – einer Balkonkabine – lässt sich nicht abschalten. Suraj hat sie auf volle Leistung eingestellt, sodass beim Öffnen der Balkontür gleich die Scheibe beschlägt. Am Abend habe ich aber vergessen, sie wärmer zu stellen.
Als ich in der Nacht aufwache, finde ich das gar nicht mehr schlimm. Das geräumige Bett ist derart weich gepolstert und dick bezogen, dass man sonst unweigerlich ins Schwitzen käme. Der Schlafkomfort ist indessen außergewöhnlich hoch und offenbar so begehrt, dass die gesamte Ausstattung von der Bettwäsche bis zur Matratze mittlerweile auf der Website des Veranstalters zum Kauf angeboten wird.
Kostenloser Room-Service und ein Streichquartett
Bei der Küche macht die Reederei keine Kompromisse. Es gibt zwar in keiner der Bars deutsches Bier, echtes Schwarzbrot, echte Brötchen oder eine deutsche oder österreichische Torte sind auch nicht zu finden, aber abgesehen von der Poolbar servieren die Restaurants alles andere als Burger und Pommes. Französische, italienische, asiatische Küche oder Steaks – in den stilecht gestalteten Lokalen wird jeder fündig, der rechtzeitig einen Tisch reserviert hat. Ansonsten gibt es auch einen kostenlosen Room-Service. Nachmittags servieren Kellner in weißen Jacketts zu Klängen eines Streichquartetts Afternoon-Tea mit Sandwiches und Scones.
Das Frühstück hingegen ist amerikanisch mit Eggs Benedict und French Toast auf Bestellung. Wirklich exzellenten Kaffee oder eine Wiener Melange gibt es in der Baristabar oben auf Deck 14 mit Blick auf den Pool. Bei der »regionalen« Weinprobe in La Reserve muss man als Europäer hingegen etwas schmunzeln, als in der Ägäis ein Sauvignon Blanc aus Frankreich und ein Rioja aus Spanien eingeschenkt werden. Da merkt man als Europäer, wie klein unser Heimatkontinent aus Sicht anderer ist. Selbst in Griechenland fühlt man sich plötzlich fast »einheimisch«.
Essen spielt auf der Riviera generell eine große Rolle
Dafür hat der französische Chefkoch Alexis Quaretti in Athen Käse, Oliven, Fisch und Lamm eingekauft. Zwei Tage lang zaubert sein Team ein griechisches Büfett mit Meze, Moussaka und Baklava ins Terrace Cafe.
27 solcher lokalen Büfetts hat die Reederei je nach Reiseziel im Angebot, auch ein deutsches. Und im bordeigenen Kochstudio mit 15 Arbeitsplätzen zeigt die ehemalige Fernsehköchin Stephanie Hersh bei einem Kochkurs zwischen Mykonos, Kreta, Rhodos und Chios Schritt für Schritt, wie man Feigen füllt, Melonensalat mit Tomaten, Feta, Erdnüssen, Basilikum und Honig mischt und griechischen Joghurt anrichtet. »Die lokale Küche gehört ja unbedingt zum Urlaubserlebnis dazu«, sagt Alex Quaretti. Auf einer Kanaren-Kreuzfahrt von Mein Schiff finden sich kanarische Spezialitäten dagegen eher selten.
Auch auf den Ausflügen spielt Essen bei Oceania Cruises eine wichtige Rolle. Kochkurse vor Ort, Spezialitätenessen oder Weingutbesuche sind Bestseller. Die Preise dafür sind im Vergleich zu europäischen Anbietern verhältnismäßig hoch. Und auch der Tonfall ist noch eine Spur lockerer. »Kaliméra, guten Morgen. Merken Sie sich einfach Calamari«, witzelt Georgos Ntantis, der auf Santorin ein Weingut und sich selbst als »clown of the day« vorstellt. Am besten, man nimmt gleich einen ordentlichen Schluck. Dann fällt die ungewohnte Heiterkeit leichter.
Infos zur Riviera von Oceania Cruises im Überblick
Die Riviera von Oceania Cruises bietet in Suiten und Kabinen Platz für maximal 1.250 Gäste. Alle Kabinen sind mit Marmorbädern, Minibar und bequemen Betten ausgestattet. WLAN, Room-Service, alkoholfreie Getränke, die Spezialitätenrestaurants und Trinkgelder sind inklusive. Auf den ab zehn Tagen langen Routen werden meist auch kleinere, unbekanntere Häfen angelaufen. Passagen werden zu Sonderpreisen ab 2.500 Euro pro Person in einer Doppelkabine innen ohne Anreise angeboten.
Mehr Infos gibt’s auf der Website von Oceania Cruises.