Nicht erst, seitdem der Klimaschutz in aller Munde ist, boomt der Ökotourismus. Immer mehr Menschen wollen möglichst umweltfreundlich verreisen, aber nicht jeder weiß, wie er das am besten anstellen kann. Wie also sieht eine solche Reise in der Praxis aus, und was genau ist Ökotourismus überhaupt? Text: Alexander Schulz
Ökotourismus hat auch eine soziale Komponente
Die International Ecotourism Society versteht unter Ökotourismus »verantwortliches Reisen in Naturgebiete, das die Umwelt schützt und den Wohlstand der Einheimischen mehrt«. Dies ist zwar nur eine von unzähligen Definitionen, dafür aber eine kurze und prägnante, die zudem zeigt, dass Ökotourismus – anders als der Begriff nahelegt – nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Komponente hat. Weil viele Ökotourismus-Ziele in Entwicklungsländern liegen, wo Umweltzerstörung zumeist eine direkte Folge von Armut ist, lässt sich beides nicht voneinander trennen.
Gefragt ist also ein stimmiges Gesamtkonzept an Maßnahmen zur Reduzierung von Umweltschäden und zur Verbesserung der Lebenssituation der lokalen Bevölkerung. Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigen zwei ganz unterschiedliche Beispiele.
Nicht wenige denken bei Ökotourismus vermutlich ganz klassisch an ebenso abenteuerliche wie entbehrungsreiche Dschungeltrips. Und genau solche Reiseerfahrungen lassen sich im Monsunwald des Bokeo Nature Reserve im Nordwesten von Laos auch sammeln. Die Besucher sind in Baumhäusern in den Wipfeln der Urwaldriesen untergebracht, rasen in Höhen von bis zu 100 Metern an Stahlseilen hängend von Baum zu Baum und können so – im Verlaufe ihrer mehrtägigen Touren durch das Naturschutzgebiet – rund um die Uhr die traumhafte Aussicht über den Dschungel genießen und sich in luftiger Höhe der heimischen Tierwelt nähern.
In den Baumkronen leben Schwarze Gibbons, die einst bereits als ausgestorben galten, von denen nun aber wieder rund 400 ebenso in dem schwer zugänglichen Naturschutzgebiet leben wie etwa Tiger oder Elefanten. »The Gibbon Experience« nennt sich das Projekt, das diesen innovativen Ansatz ersonnen hat, um Wilderei, Holzeinschlag und Brandrodungslandwirtschaft, einst die Haupteinnahmequellen der Einheimischen, zu stoppen und durch lokale Wirtschaftsformen zu ersetzen, die auf den Erhalt und die Inwertsetzung der Natur bauen. Die Baumhäuser und Verbindungsseile wurden in Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung errichtet, und rund 40 Bewohner der umliegenden Dörfer arbeiten aktuell – unter anderem als Guides und Waldschützer – am Projekt mit. Die Einnahmen werden in Maßnahmen zum Schutz des Waldes reinvestiert.
Luxus und Öko-Tourismus schließen sich nicht aus
Die Singita-Safarilodges in Südafrika wiederum zeigen, dass auch absoluter Luxus und Ökotourismus sich keinesfalls ausschließen. Es gibt wohl kaum eine Auszeichnung für die besten Hotels und Resorts der Welt, die an den Singita Ebony und Boulders Lodges im Sabi Sands Reservat am Rande des Krüger Nationalparks in den letzten Jahren vorbeigegangen ist. Gleichzeitig veranschaulichen sie, dass mit viel Geld – und bei Preisen von 800 Euro pro Person und Nacht dürfte hier in der Tat einiges zusammenkommen – auch viel Gutes und Sinnvolles getan werden kann, weshalb Singita auch mit dem anerkannten Label »Fair Trade in Tourism South Africa« ausgezeichnet wurde.
Beim Bau der Lodges wurde darauf geachtet, negative Umweltwirkungen so weit wie möglich zu minimieren, und es patrouillieren Naturschutzteams durch das Reservat, um Wilderei zu unterbinden und das ökologische Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. Das Management ist darauf ausgerichtet, dass auch die lokale Bevölkerung den größtmöglichen Nutzen aus den Tourismuseinnahmen ziehen kann. Kleine Unternehmen und Landwirtschaftsinitiativen werden gefördert und durch den Ansatz, möglichst viele Produkte über lokal ansässige Zulieferer zu beziehen, weiter unterstützt. Zahlreiche der Mitarbeiter stammen aus den umliegenden Dörfern, die meisten von ihnen sind ehemalige Schüler der von Singita unterstützten Schulen. Zudem beteiligt sich das Unternehmen an Gesundheitszentren und Behinderteneinrichtungen und einer ganzen Reihe weiterer Projekte zugunsten der Bevölkerung vor Ort.
Wer reist, hilft auch
Im Idealfall gelingt es so, eine Situation zu schaffen, von der alle Beteiligten profitieren und somit Umweltschutz zum Selbstzweck wird, da es ebenso im Interesse des Tourismusanbieters wie dem der Bevölkerung vor Ort liegt, dass sich auch langfristig Besucher an der intakten Natur erfreuen können und die Einnahmen aus dem Tourismus nicht versiegen. Ein großer Vorteil des Ökotourismus ist nämlich, dass ein sehr viel größerer Anteil des Reisepreises in die lokale Wirtschaft statt in die Kassen internationaler Touristikkonzerne fließt.
Allerdings gibt es selbstverständlich auch in diesem Bereich schwarze Schafe, die vom Ökotourismusboom profitieren wollen und versuchen, jegliche Form von naturnahem Reisen als Ökotourismus zu verkaufen. Wenn aber etwa ein Reiseveranstalter ohne stimmiges Gesamtkonzept seine Kunden einfach – frei nach dem Motto »Erfreut euch an der intakten Natur und den seltenen Pflanzen und Tieren!« – im nächstbesten Dschungel absetzt, hat das mit Ökotourismus nichts zu tun und ist aus ökologischer Sicht kontraproduktiv.
Was wiederum die Frage aufwirft, wie sich, bevor man eine Reise bucht, sicherstellen lässt, dass da wo »öko« drauf steht auch öko drin ist. Glücklicherweise gibt es eine Vielzahl glaubwürdiger und aussagekräftiger Informationsquellen, Initiativen und Kennzeichnungen, die hier Hilfestellung leisten können. In Deutschland etwa das »forum anders reisen«, ein Zusammenschluss von Ökotourismus-Reiseanbietern, oder die Dachmarke für umweltorientierten Tourismus »Viabono«, auf europäischer Ebene die »VISIT Initiative«, die verschiedene europäische Ökotourismus-Labels zusammenführt und gemeinsame Standards entwickelt, oder das weltweit vergebene »Green Globe 21«-Gütesiegel, um nur einige Beispiele zu nennen.
Aber wie löse ich die An- und Abreise?
Seinen Aufenthalt vor Ort möglichst umweltfreundlich zu gestalten, ist freilich nur eine Seite des Urlaubs, die andere betrifft die An- und Abreise. Sieht man den Tatsachen ins Auge, gibt es die umweltfreundliche Fernreise schlicht und einfach nicht. Wer zum Beispiel nach Bangkok reist, überzieht durch Hin- und Rückflug sein klimaverträgliches Jahresbudget an CO2-Emissionen bereits um mehr als das Doppelte.
Nun wäre es natürlich löblich, angesichts dieses Schreckensszenarios zu beschließen, nur noch mit der Bahn zu verreisen oder gleich vor der eigenen Haustür mit dem Fahrrad loszufahren, nur realistisch ist es nicht. Denn das Reisen und das Entdecken ferner Länder und Kulturen ist eine Leidenschaft, die niemand, der daran einmal Gefallen gefunden hat, so schnell wieder aufgibt. Was also tun, wenn man zumindest so umweltschonend wie möglich zu neuen Ufern aufbrechen möchte?
Sehr hilfreich ist dabei die Webseite von »atmosfair«, einer von der Umweltorganisation »Germanwatch« und dem »forum anders reisen« ins Leben gerufenen Initiative. Ihr entstammt das oben entworfene Bangkok-Szenario, und hier kann man sich als Passagier auch den Aufpreis berechnen lassen, den man zahlen müsste, um »atmosfair« in die Lage zu versetzen, die entstehenden klimaschädlichen Emissionen durch die Investition in Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern wieder auszugleichen. Für den Bangkoktrip würden für Hin- und Rückflug 150 Euro, für New York zum Beispiel 93 Euro fällig, die man als freiwillige Spende an »atmosfair« überweist. Ein grüner Freifahrtschein für Vielflieger ist das aber nicht, denn der Wochenendtrip nach New York bleibt trotz aller Ausgleichszahlungen ökologischer Wahnsinn.
Doch auch wenn man durch Reisen nicht die Welt retten wird, zeigt sich, dass es eine ganze Reihe von Möglichkeiten gibt, seinen Urlaub umweltverträglicher zu gestalten. Und das gilt nicht ausschließlich für Ökotourismus-Reisen, auch die Umweltbilanz einer konventionellen Pauschalreise lässt sich mit ein bisschen Eigeninitiative erheblich verbessern. Wieso also nicht mal den Jetski gegen das Surfbrett tauschen, den Rundflug ausfallen lassen und stattdessen die traumhafte Aussicht vom Berggipfel genießen, oder einfach nur die Klimaanlage im Zimmer abschalten, wenn man den ganzen Tag über unterwegs sein wird?