Als 2010 Julia Roberts mit wehendem Haar auf ihrem Fahrrad durch die Reisfelder fuhr, schien die indonesische Insel ein Ort der vollkommenen Zufriedenheit. Paradiesische Strände, saftig grüne Reisfelder, mystische Tempel und ein entspanntes Leben unter Palmen. Leider ist der Sehnsuchtsort Bali schon lange nicht mehr das, was er mal war.
Oft ist es ja so, man mag einen Ort – oder eben nicht. Bali fällt allerdings aus meinem Raster. Ich habe diese Insel zu lieben gelernt. Doch was mit ihr passiert, das macht mich traurig – ich merke wie meine Liebe langsam verblasst. Denn: Die Insel ist nicht mehr das, was sie mal war.
Das erste Mal war ich 2011 zu Besuch in der indonesischen Provinz, die zwischen Lombok und Java kurz unterhalb des Äquators liegt. Klar, im Süden um Kuta tummelten sich die australischen Touristen, für die die Insel Strand, günstige Cocktails und ein Urlaub unter Palmen bedeutet. Bali ist für Australier quasi das Äquivalent zum Ballermann auf Mallorca für Deutsche. Doch beschränkte sich das Party-Treiben auf ein, zwei Städtchen im Süden. Und auch hier befand sich neben dem neuen McDonalds noch ein Warung, ein typisches kleines Essenslädchen, in dem Einheimische und Touristen allerlei Selbstgekochtes genossen, mit viel scharfem Sambal versteht sich. Das balinesische Leben war überall zu spüren, der Räucherstäbchen-Duft und eine innere Gelassenheit durchströmten die Straßen der Insel. Auch die knatternden Motorräder und die krähenden Hähne konnten diesem Flair nichts anhaben.
2015 kam ich wieder
2015 verbrachte ich zunächst wieder ein paar Tage im Süden. Es war voller geworden, besonders auf den Straßen. Auch nahmen die Taxifahrer einen nicht mehr zu Taxometer-Preisen mit. Schnell verließ ich den Süden, um mit einem Motorrad den Westen der Insel zu erkunden. Ein paar Jahre zuvor hatte ich mir auf diese Weise den Osten der Insel angesehen – bald hatte ich die Insel also komplett umrundet. Einmal raus aus dem Süden, und wurde es ursprünglicher, ruhiger. Doch schon hier bemerkte ich eine Veränderung. War ich ein paar Jahre zuvor noch alleine auf den Mount Batur gestiegen, dem zweithöchsten Vulkan der Insel, hörte ich nun, dass man in einer Kolonne dort hinaufwandern musste. Und die Touristen dort ihren Müll hinterließen. Ich bestieg diesmal den Mount Agung, den 3.000-Meter hohen Schichtvulkan auf der Insel. Hier war noch alles sauber. Meine Liebe zu dem, was Bali ist, blieb.
Denn Bali ist besonders. Ja, die Insel bietet eine tolle Landschaft. Palmenhaine soweit das Auge reicht, Traumstrände und rauchende Vulkane. Doch was die Insel besonders macht, ist ihre einzigartige Kultur. Während die Indonesier fast vollständig im Mittelalter von arabischen Händlern zum Islam konvertiert wurden, blieb Bali hinduistisch, mit vielen Elementen traditioneller, animistischer Glaubensrichtungen. Großartig errichtete Tempel zieren die Berge der Insel. Die Menschen pflegen ihre Traditionen, Männer tragen stolz ihren Sarong – auf Bali sind Röcke Männersache. Auch gibt man allen Erstgeborenen den gleichen Namen, so allen Zweitgeborenen und so weiter.
Eine reiche Kultur, die langsam am Tourismus zugrunde geht
Als ich 2016 wiederkam, um gleich einen ganzen Monat zu bleiben, war ich geschockt. Kuta ist zu einem dieser ersetzbaren Touristenorte geworden. Welcher die immergleichen Strandtücher verkauft. Wo die Touristen sich per Uber fortbewegen und in amerikanischen Fast-Food-Ketten und Starbucks essen. Auf Elefanten reiten und mit angelockten Schildkröten schnorcheln.
Ich wagte einen Ausflug auf die Nachbarinsel. Nach Lombok zum Vulkan Rinjani. Ein toller Nationalpark – nur leider völlig vermüllt und überbevölkert mit tausenden Touristen, die in kürzester Zeit auf den 3.700 Meter Vulkan getriezt werden. Eine Massenabfertigung, keine Toiletten für drei Tage und keine Sicherheitsmaßnahmen bei einem solchen Andrang. Auf dem Rückweg machte ich Stopp auf den Gili-Inseln, drei »Trauminseln« zwischen Bali und Lombok. Auch hier: Ferieninseln, die auch gut im Mittelmeer liegen könnten. Party-Touristen, die Bierpong-Turniere feiern und am nächsten Tag verkatert auf einem Partyboot die Insel umrunden und ein paar Selfies mit Schildkröten machen.
Wirklich – das ist Bali für euch? – dachte ich mir
Es sind nicht mehr nur die australischen Touristen, die kommen. Flugschnäppchen machen es mittlerweile möglich, mal eben schnell und günstig von Europa herzukommen. Es sind vor allem junge Backpacker. Manche kommen zum Surfen, viele für eine billige, gute Zeit unter Palmen.
Was ist passiert, Bali?
Es ist ein Kreislauf. Irgendwann haben die »Digitalen Nomaden« die Insel für sich entdeckt. Das sind Leute, die von überall übers Internet arbeiten können, darunter auch viele Blogger. Bali ist schön günstig, die Sonne scheint oft und das Leben ist exotisch. Seit ein paar Jahren ist die Insel deswegen Hotspot auf Instagram geworden, da viele Blogger ihr Leben natürlich fleißig auf Social Media teilen. 40 Millionen Mal wurde bereits der Hashtag #Bali auf Instagram verwendet – im Vergleich: Ganz #Deutschland findet sich 9 Millionen Mal auf der Social-Media-Plattform. Was noch mehr Leute anlockt, die von der »Finde-und-verwirkliche-dich-selbst-auf-Bali«-Szene angezogen werden.
Die Folgen auf der Insel? Als ich 2011 das erste Mal auf die Insel kam, war sie mit 2,5 Millionen Besuchern jährlich bereits ein beliebtes Urlaubsziel. 2015 war ich einer von vier Millionen, 2016 einer von fünf Millionen Besuchern auf der Insel. Letztes Jahr waren es fast wieder eine Million Touristen mehr, fast dreimal soviel wie noch bei meinem Besuch wenige Jahre zuvor. Und die Zahlen werden weiter steigen.
Die Probleme?
Die Insel ist nicht für einen solchen Massentourismus ausgelegt. In Indonesien gibt es kein etabliertes Müll-Recycling-System, auch die Wasser- und Stromversorgung ist nicht so geregelt, wie wir das kennen. Als Folge davon gehen 65 Prozent des Wassers der Insel in den Tourismus. Die Bauern, die ihre Reisfelder bewirtschaften müssen, gehen oft leer aus.
Nicht alle Touristen und Einheimische achten auf die Umwelt. Müll schwimmt im Meer, das die Fischer wiederrum in ihren Netzen wiederfinden. Viele Touristen, die beim Elefantenreiten, dem »Monkey-Forest« oder anderen Tierattraktionen teilnehmen, unterstützen die Tierquälerei auf der Insel. Und wer für sieben Tage auf einen Kurztrip herkommt, der tut der Umwelt nichts Gutes. Immerhin werden 8.570 Kilogramm CO2 in die Luft geschleudert, mag der Flug noch so billig sein.
Das Geld, das sich mit dem Tourismus verdienen lässt, lockt auch immer mehr Indonesier nach Bali. Die Bevölkerung auf der Insel wächst so rasant wie noch nie. Ein Kreislauf, unter dem besonders die Natur leidet.
Was tun?
Aus dem Sehnsuchtsort ist eine Insel geworden, dessen Süden versmogt ist, die Berge und Strände teils vermüllt. Zu deren vier Millionen Einwohnern nun jährlich anderthalbmal soviele Touristen anreisen, die oft gar nicht mit dem Klima und der Kultur klarkommen. Die durch die Benutzung der westlichen Restaurants, Uber und allerlei touristischen Paralleleinrichtungen den lokalen wirtschaftlichen Märkten Konkurrenz machen, zum Beispiel den Taxifahrern.
Dabei muss das gar nicht sein. Unsere Autorin Verena Wolff war auf der Insel zu Besuch und hat sich nach nachhaltigen Urlaubsmöglichkeiten umgesehen, die sich mehr und mehr auf der Insel etablieren.
Ansonsten lautet die Devise: Wenn es der klassische Strandurlaub sein soll, ist vielleicht Mallorca oder ein anderes Ziel am Mittelmeer die bessere Wahl. Und wer dennoch auf die Insel reist, der sollte sich an ihrer wahren Schönheit erfreuen – und nicht an dämlichen Tiersafaris teilnehmen oder Eimer-Saufen in Kuta. Und nicht in sieben Tagen alle Insta-Hotspots sehen wollen, die sind mitunter gar nicht mehr so schön.
Mehr Kultur, weniger Eimer-Saufen
Am besten: Viel Zeit einplanen, in einem Resort unterkommen, das auf Nachhaltigkeit setzt und gelassen die Insel erkunden. Wer wahrlich an der Kultur der Menschen vor Ort interessiert ist, dem begegnen die Einheimischen äußerst herzlich. Dazu reicht es oft, ein paar Dankes- und Willkommensgrüße auf Indonesisch zu kennen! Bei meinem letzten Besuch wurde ich von meiner Gastgeberin auf ein Tempelfest mitgenommen – ein unglaubliches Erlebnis, das absolut nichts mit Eimer-Saufen in Kuta gemein hat.
Ich werde erst mal so schnell nicht wiederkommen. Ein bisschen plagt mich das schlechte Gewissen, was auch ich der Insel mit meiner Begeisterung für sie angetan habe – hätte ich das gewusst! Deswegen nun dieser Appell. Ich hoffe so sehr, dass der Sehnsuchtsort Bali den Massentourismus unbeschadet überlebt – man kann dort nämlich wirklich entspannten Urlaub machen, ohne der Natur und den Bauern zu schaden. Denn die Insel der Götter ist so schön.