Notebook, Strom und Internetempfang: Mehr brauchen viele Menschen nicht, um ihren Berufen nachzugehen. Einige Orte auf der Welt buhlen mittlerweile offensiv um die digitalen Nomaden. Aber nicht jedes Land kommt für jeden in Frage – wer nicht genug Geld auf den Tisch legt, schaut in die Röhre.
Morgens E-Mails beantworten und Kunden-Besprechungen, nachmittags mit Handtuch an den Strand oder bei einem Cappuccino im Café das bunte Treiben in der Stadt beobachten: Was für das Gros der Arbeitnehmer wie ein surrealer Traum klingt, ist für viele Freelancer, Blogger, aber auch Studenten längst Alltag: als digitaler Nomade im Ausland arbeiten und leben. So nennt man Arbeitnehmer, die ihrer Arbeit vollständig im Internet nachgehen können.
Immer mehr Unternehmen ermöglichen es ihren Mitarbeitern, von anderen Orten als dem klassischen Büro oder von zu Hause aus zu arbeiten. So haben führende Unternehmen wie Twitter, Microsoft, Coinbase, Slack und Mastercard verkündet, dass ihre Mitarbeiter auch nach der Corona-Pandemie für unbegrenzte Zeit von überall auf der Welt aus ihrem Job nachgehen dürfen. Der Trend dürfte sich fortsetzen: Weil es generell für immer weniger Menschen notwendig ist, physische präsent am Arbeitsplatz zu sein, bietet sich für eine immer größer werdende Zahl von Arbeitgebern und -nehmern die Möglichkeit, an traumhaften Orten dem Job nachzugehen. Arbeiten und leben, wo andere Urlauber machen, so das Motto.
Coworking-Hotels buhlen um digitale Nomaden
Der Werbeslogan ist längst Wirklichkeit für digitale Nomaden. Und die Angebote, dem für viele tristen Winterhalbjahr in Deutschland zu entkommen, werden immer attraktiver. Weltweit haben sogenannte Coworking-Hotels das Potential des neuen Reise- und Arbeitsverhaltens erkannt und passen ihr Konzept auf die Bedürfnisse der digitalen Nomaden an.
Beispiel Teneriffa auf den Kanaren: Die Insel wirbt mit geringen Lebenshaltungskosten – denselben Standard, der in Berlin für 2.100 Euro pro Monat erhältlich ist, soll auf Teneriffa rund 1.500 Euro im Monat kosten, rechnete das Fremdenverkehrsamt der Insel jüngst vor. Die Kanareninsel punktet vielerorts mit schnellen Internetverbindungen, die das Arbeiten stark erleichtern und das ortsunabhängig. Um den Einstieg ins Arbeitsleben zu erleichtern, bietet Teneriffa einen »Welcome Pass« an, der online beantragt werden kann. Dieser beinhaltet ein Paket an Sonderangeboten für Gastronomie, Freizeit und Transport sowie Kontaktinformationen lokaler Steuer- und Rechtsberater. Auch werden regelmäßig Events veranstaltet, um das Networking zu fördern und neue Mitglieder in die Gemeinschaft zu integrieren. Yoga- und Surfkurse oder gemeinsame Abendessen sind nur einige Beispiele der Initiativen von Tenerife Work & Play.
Auf dem Festland umgarnt die Metropole Barcelona digitale Nomaden. Die Stadt wirbt mit dem Programm »Barcelona Workation« als ideales Ziel für temporäres Arbeiten aus der Ferne mit dem Hauptziel, Besucher anzuziehen, die abseits ihres eigentlichen Wohnortes arbeiten und dort nach neuen Erfahrungen suchen. Eine sechsmonatige spezielle Karte ermöglicht darüber hinaus den Zugang zu 25 Museen in Barcelona, enthält Vereinbarungen mit Clubs und Sporteinrichtungen, Transport- und Mobilitätsunternehmen und bietet Co-Working an. Als Zielgruppe werden aber nicht nur digitale Nomaden anvisiert, sondern auch andere Fachleute, die sich einen Arbeitsaufenthalt im Ausland leisten wollen und können.
Für wen sich Coworking-Orte eignen
Wer nicht in der eigenen Urlaubsunterkunft allein vor sich hinarbeiten möchte, kann sich in Coworking-Orten einmieten. »Die Coworking Hotels bieten einerseits die besten Bedingungen für konzentriertes Arbeiten und stärken gleichzeitig die Vernetzung unter den Coworkern. Oftmals bringen die Coworking Spaces nicht nur Hotelgäste, sondern auch Besucher von außerhalb zusammen – zum Beispiel lokal ansässige Selbständige und kleine Firmen, die sich keine eigene Infrastruktur anschaffen möchten«, sagt Torsten Richter von HolidayPirates Group.
Dabei muss es nicht unbedingt in die Ferne gehen. Im Bad Belzig in Brandenburg etwa bietet das Workation Retreat Coconat Landhaus-Idylle. Das Gutshaus liegt an einem See im Grünen. Die Erholung soll hier nicht zu kurz geraten. Die Betreiber des Hauses arbeiten eng mit Yogalehrern und andere Anbietern aus der Region zusammen. Wer genug über neue Projekte gegrübelt hat und den Kopf frei bekommen möchte, kann in der nahe gelegenen SteinTherme entspannen oder auf einem Baumkronenpfad die verlassenen Lungenheilstätten bei Beelitz erkunden.
Als digitaler Nomade in Amsterdam oder Lateinamerika
Auch das Volkshotel in Amsterdam setzt auf unkonventionellen Stil und Kreativität. Das in einem ehemaligen Redaktionsgebäude untergebrachte Coworking-Hotel beschwört mit seinem Innendesign den produktiven Vibe einer Zeitungsredaktion und richtet sich an ein junges, kosmopolitisches Publikum. Damit die Hipster-Bärte vor lauter Arbeit nicht zu lang werden, kommt sogar einmal die Woche ein Barbier vorbei!
In Lateinamerika ist vor allem die Selina Group mit ihren Coworking Hostels in Panama, Costa Rica, Mexiko, Nicaragua, Ecuador, Kolumbien und seit Neuestem in Berlin-Mitte ein interessanter Kandidat für digitale Nomaden. Das Angebot ist groß, für jeden Geldbeutel dürfte etwas dabei sein. Digitale Nomaden können in Hängematten, Zelten, Schlafsälen oder Suiten übernachten. Wie auch andere Coworking Hotels haben die Selina Hostels verschiedene Angebote für die Nutzung der Coworking Spaces. So kann man zum Beispiel zwischen einem monatlichen »Hot Desk«, also einem frei wählbaren Arbeitsplatz, und einem täglich fest zugewiesenen Stammplatz wählen. Die Niederlassungen in Mexiko bieten sogar ein 12-wöchiges Coding Bootcamp und Business Coaching für angehende Entwickler an.
Visum nicht vergessen
Aber längst nicht überall auf der Welt könnten sich digitale Nomaden monatelang gratis niederlassen. Denn nicht wenige Länder verlangen ein Visum. Und das fällt mitunter ganz schön happig aus. Das Hamburger Technologieunternehmen WorkGenius hat die Konditionen der Visa-Angebote für Digitalnomaden von 41 Ländern unter die Lupe genommen, die eine Kurzzeit-Arbeitserlaubnis für Ausländer anbieten. Tenor der Untersuchung: Vieles ist möglich, aber bei den Details gibt es große Unterschiede.
Georgien etwa gilt als Geheimtipp unter digitalen Nomaden. Das Land am Ostufer des Schwarzen Meeres bietet für Bürger von 95 Nationen ein komplett kostenfreies Visum. Die Bearbeitungszeit beträgt in der Regel nur wenige Tage und lässt sich online abwickeln. In Georgien sind sämtliche Kosten vergleichsweise gering. Nicht nur das: Das Klima ist angenehm und die Natur Georgiens lockt mit vielen Ausflugsinspirationen. Das Visum ist für ein Jahr gültig. Haken für Geringverdiener: Für die Zulassung müssen Interessenten ein monatliches Einkommen von 1.885 Euro oder ein Bankguthaben von 22.617 Euro nachweisen.
Digitale Nomaden, die es weiter in die Ferne zieht, finden in Mauritius eine Alternative. Die örtliche Regierung des ostafrikanischen Inselstaats bietet wie Georgien ebenfalls ein kostenfreies Visum, das online beantragt werden kann. Die Behörden versprechen eine Bearbeitungszeit von 48 Stunden für das »Premium Travel Visa«. Es ist sechs bis zwölf Monate gültig und kann um drei Monate verlängert werden. Abgesehen von den allgemein gängigen Dokumenten, wie Versicherungs- und Unterkunftsnachweisen, müssen Antragstellende hier kaum Anforderungen erfüllen. So gibt es beispielsweise kein notwendiges Mindesteinkommen oder -vermögen wie bei 32 der anderen untersuchten Staaten.
Hohe Visakosten in der Karibik
Wie unterschiedlich die Voraussetzungen für digitale Nomaden sein können, zeigt der Vergleich mit Barbados und Anguilla. In beiden Ländern bezahlen Einzelpersonen jeweils fast 1.900 Euro fürs Visum. Im internationalen Vergleich ist das ein Rekord. Bei beiden Inselstaaten beträgt die Gültigkeit des Visums ein Jahr. Während Anguilla keine Auskünfte über das Einkommen der Antragsteller erfragt, fordern die Behörden auf Barbados nachweisbare Nettoeinkünfte von mindestens 47.150 Euro pro Jahr. Nähere Informationen für Interessierte gibt es auf der eigens für diesen kulturellen Austausch zwischen Besuchern und der Bevölkerung eingerichteten Website. Mit Grenada findet sich ein weiterer Karibik-Staat unter den Top-Drei der teuersten Visa. Einzelpersonen zahlen circa 1.414 Euro. Zusätzlich wird ein Nachweis über Einkünfte in Höhe von mindestens 47.150 Euro pro Jahr gefordert. Dafür erhält man ein zweijähriges Visum.
Bis zu zehn Jahre: Am längsten darf man in Thailand bleiben
In Thailand wird der Zugang zum sogenannten »Long Term Residency Visum« extrem streng eingeschränkt. Wer es bekommen möchte, muss mindestens umgerechnet 75.000 Euro verdienen oder ein Vermögen von mindestens 950.000 Euro nachweisen. Dafür ist es ein sehr mächtiges Dokument, das seinen Trägern erlaubt, sich zehn Jahre im Land aufzuhalten. Das beschert dem Land den Spitzenplatz des Aufenthaltsdauer-Rankings.
Am kürzesten hingegen ist der Aufenthalt auf Aruba gestattet. Nach lediglich 90 Tagen läuft das Visum auf den Kleinen Antillen ab. Es besteht keine Möglichkeit zur Verlängerung.