reisen EXCLUSIV hat Autorin Simone Sever in die Wüste geschickt. Anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, taucht unsere Reporterin vor Ort in eine fremde Welt ein und träumt am Persischen Golf im nördlichsten Emirat Ras Al Khaimah von 1.000 Sandkörnern und einer arabischen Perle.

Der Sand, der durch die Finger rinnt, ist so weich wie Samt. Während das fein gemahlene Steinsediment im Licht der aufgehenden Sonne mit einem Farbspektrum von Terrakotta bis Rosarot erstrahlt, malt die Hand wie ferngesteuert immer und immer wieder Zeichen der Unendlichkeit auf die Spitze der Wüstendüne. Es herrscht völlige Harmonie im Hier und Jetzt. Nichts als Stille und Sand, sehr viel Sand. Zeit für Träume …

Gebirge in Ras Al Khaimah

Photonell_DD2017/Shutterstock.com

Ein Bad in der Wüste …

… etwa vom Sprung in einen Pool inmitten der Wüste. Von einem großzügigen Pavillon mit Holzintarsien, dessen arabeske Muster die Märchen vom Orient erzählen könnten, von Schattenspielen der Arabian Lights, Betten so weich, dass selbst eine Prinzessin auf der Erbse nichts zu beanstanden hätte, und von Laken aus allerfeinstem Damast. Von duftenden Blüten in lichtdurchfluteten Badezimmern so groß wie Ein-Familienwohnungen in Hongkong … und tatsächlich: In der Wüste des Al Wadi Khadeja Rerservats werden Träume wahr, als drei elegante Oryxantilopen in Schwarz-Weiß livriert vor der Herberge warten. Auf dem Dach der Moon Bar sind die Sterne zum Greifen nah, leuchtet das Firmament und fügt den Träumen Sternschnuppenwünsche hinzu. Cinderella goes Orient irgendwo zwischen Realität und La La Land.

Frau springt durch Wüste

Connor Jalbert

Ein Kaffee am nächsten Morgen öffnet die Augen und bringt die Erkenntnis: Das Ritz Carlton Al Wadi ist ein real gewordenes Traumhotel, auch für nur eine und keine zusätzlichen 1.000 Nächte, denn die Karawane zieht weiter. Ras al Khaimah hat noch ein paar Überraschungen im Programm.

Himmelsritt

Der Berg ruft, auch aus der Wüste heraus. 1.934 Meter ragt der Jebel Jais, die höchste Erhebung der Bergkette Ru’us Al Jibal, Ras al Khaimahs, ja sogar der Vereinigten Arabischen Emirate, in den Himmel über dem Wüstenstaat. Wer den Traum vom Fliegen träumt, der darf sich seit Februar 2018 zum Jebel Jais Flight, zum Rekordflug an die längste Zipline – eine stählerne Seilrutsche – der Welt hängen.

Jebel Jais Flight

Jebel Jais Flight

2.830 Meter lang – und damit längst im Guiness-Buch der Rekorde eingetragen – fliegen Mutige bäuchlings und mit bis zu 150 Stundenkilometern sicher verzurrt durchs Tal. Helm, Sicherheitsbrille und -handschuhe, jede Menge Karabinerhaken und eine orangene Schutzhülle, die an Kleid und Teppich gleichermaßen erinnert – Aladdin lässt grüßen. Männer, Frauen, Jugendliche mit Nerven so dick wie die Stahlseile nutzen die Megarutsche der Macher von Toroverde. Wen der Mut am Ende doch verlässt, der fährt mit dem Auto zurück ins Tal des Hadschar-Gebirges, vorbei an steinernen Landschaften, Geröllteppichen und dem omnipräsenten Sand, der hier noch die Farbe der Steine trägt.

Ras al Khaimar kann Meer

Der Sand an den Ufern der Küste – übrigens mit einer Länge von insgesamt 64 Kilometern – strahlt hingegen perlweiß in der Mittagssonne. Das Meer schimmert gerade noch in sattem Grün. Es wechselt mit dem Sonnenstand sogleich in ein karibisch anmutendes Türkis, wobei die kleinen Wellenspitzen wie 1.000 Brillanten glitzern. Dabei ist das Juwel des Landes die arabische Perle. Die schmückende Meeresfrucht entsteht, in dem sich nur ein einziges Sandkorn zur richtigen Zeit, am richtigen Platz in einer Auster bettet. Mehr braucht es nicht, um etwas so Kostbares wie eine Perle entstehen zu lassen. Und Sand am Meer gibt es genug in Ras al Khaimah.

Mutter zwei Kinder Strand Ras Al Khaimah

Ras Al Khaimah Tourism Development Authority

Das Erbe der Perlentaucher

Mindestens so viele Geschichten erzählte auch einst ein Großvater seinem Enkel. Es waren die Erzählungen von Mohammed bin Abdulla Al Suwaidi, einem der letzten kommerziellen Perlentaucher der Al-Suwaidi-Familie, die – ähnlich wie ein Sandkorn in einer Auster – im Gedächtnis des jungen Abdulla Al Suwaidi einen ganz speziellen Platz fanden und zu etwas Besonderem heranwuchsen. »Mein Großvater nahm mich mit zum Hafen und erzählte mir von seinen Abenteuern und den tapferen Perlentauchern unserer Vorfahren. Für mich war er eine Art Superhero, wie Aquaman.«

Abdulla Al Suwaidi

Simone Sever

Täglich 50-, im besten Fall bis zu 200-mal ließen sich die Perlentaucher der letzten Jahrhunderte mit Nasenclip aus Schildpatt, an Seilen und mit Steinen beschwert hinab in Poseidons Reich. Immer auf der Suche nach den schimmernden Schätzen des Meeres. Ein hartes, karges Leben, das die Männer an Bord der Dhauen führten. Die Arbeit erschöpfend, manchmal tödlich. Anfang des 20. Jahrhunderts änderte sich alles. Das war die Zeit, als die Perlen aus dem Persischen Golf nicht mehr mit den Zuchtperlen aus Japan konkurrieren konnten. Perlentauchen kam aus der Mode.

Zeit und eine Vision

Es brauchte Zeit und eine Vision für die Gegenwart. Der Enkel war erwachsen geworden. Abdulla Al Suwaidis engagierte Suche und seine passionierten Visionen haben nun der arabischen Perle die Zukunft geschenkt. Mit modernen Möglichkeiten und dem vererbten Wissen der Generationen von Perlentauchern in der Familie hat sich Al Suwaidi die Gewässer, in denen schon vor Tausenden von Jahren die ersten Prachtperlen gefunden wurden, zu eigen gemacht. Heute ermöglicht der Visionär, Schatzsuchenden und anderen Besuchern seine schwimmende Perlenfarm im kleinen Ort Al Rams zu besuchen. Er hat daraus ein lukratives Business inklusive Freiluftmuseum entstehen lassen. Seine Leidenschaft und sein Stolz auf das Erbe seiner Vorfahren sind spürbar und mitreißend.

Metamorphose eines Sandkorns

»Wer möchte eine Perle finden?«, fragt Al Suwaidi, gekleidet im langen weißen Gewand der Emirati, selbstsicher. Eine Besucherin erspäht im smaragdfarbenen Wasser rund um die schwimmende Perlenfarm eine auftauchende Schildkröte. Das Glück scheint ihr hold. Kurze Zeit später liegt strahlend weiß das Juwel des Meeres in ihrer Handinnenfläche.

Frau hält Muschel mit Perle in der Hand

Simone Sever

Schönheit liegt im Auge des Betrachters, denn perfekt ist die Metamorphose des Fremdkörpers in diesem Fall nicht, erklärt Abdulla Al Suwaidi und öffnet vor den Augen der staunenden Besucher eine märchenhafte Schatzkiste mit den allerschönsten Exemplaren aus dem Familienbesitz. Perlen in unterschiedlichsten Farben und Formen, glänzend silbrig, goldschimmernd, weich und rund und manchmal murmelgroß.

Eine Misbaha, eine islamische Gebetskette aus perfekten Perlen und von unschätzbarem Wert. Meisterwerke, geboren in der Natur aus einem einzigen Sandkorn, das heutzutage auf der schwimmenden Perlenfarm lediglich wohlplatziert wird. Al Suwaidi lebt seinen Traum. Die Sonne brennt gnadenlos am wolkenfreien Himmel. Zeit, zurück an Bord der traditionellen Fischerboote zu gehen und auf den weichen orientalisch gemusterten Teppichen Platz zu nehmen. Die Hadschar-Berge im Rücken nimmt die hölzerne Dhau Fahrt auf Richtung Hafen. Wer gute Augen hat, erkennt das eine oder andere Kamel am Ufersaum.

Dhau-Fahrt

Simone Sever

Tischlein, deck’ dich!

Im kleinen Örtchen Al Dhait North liegt gleich neben einer Kamelplastik der Eingang zum Restaurant Al Fanar. Um ein Land und seine Menschen kennenzulernen, sollte gegessen werden, was auf den Tisch kommt. Es sitzen hauptsächlich Männer im klimatisierten Restaurant unter einem ausladenden Mandelbaum.

Kellner im Restaurant Al Fanar in Ras Al Khaimah

Simone Sever

Die Damen der Gesellschaft nehmen in extra Familienräumen Platz. Anoop, der junge Kellner, trägt mit einnehmendem Lächeln auf: erfrischende Salate, gegrillte Meeresfrüchte, ganze Fische, Hühnchen-Kebap, Reis, Datteln … und als Dessert Eis aus Kamelmilch, das etwas salziger schmeckt als das europäische Milchspeiseeis und in Variationen daherkommt: mit Datteln, Safran, mit Pistazien. Das Emirat Ras al Khaimah zeigt auch kulinarisch orientalische Vielfalt. In der Nacht wirbelt nur kurz ein kleiner Sandsturm durch die Straßen. »Mr. Sandman, bring me a dream!«

Tipps für eine Rundreise durch Ras Al Khaimah

Umfassende Infos zu Ras Al Khaimah gibt es hier. Mit Emirates geht es mehrfach täglich ab Frankfurt, München, Hamburg und Düsseldorf nach Dubai.

The Ritz-Carlton Ras Al Khaimah, Al Wadi Desert, 5 Nächte in einer Al Rimal Pool Villa inkl. Frühstück ab € 1.024 pro Person buchbar, z.B. bei Dertour.