Urlaub im Veneto: Das bedeutet für viele Badeurlaub an den bekannten Stränden von Bibione bis Jesolo. Doch auch das Hinterland der Adria und der Lagune von Venedig – auch Venezia Orientale genannt – hat einiges zu bieten. Von kleinen Weingütern über ein gut ausgebautes Radwegenetz entlang der Flüsse bis hin zu feiner Regionalküche zwischen Land, Lagune und Meer. Unsere Autorin hat sich umgesehen – und zwar ganz nachhaltig mit Bahn, Bike und E-Boot.
Das Hinterland des östlichen Veneto besticht mit Schilf gesäumten Kanälen, einsamen Lagunen, traditionellen Fischerhütten und charmanten Städtchen, wie dem mittelalterlichen Portogruaro an der Grenze zur Nachbarregion Friaul. Doch auch in Sachen Önogastronomie gibt es jede Menge zu entdecken. Erste Station meiner kleinen Rundreise: das rund 15 Hektar große Bioweingut Tessère in Noventa di Piave, wo (fast) nur Frauen arbeiten. Allen voran die sympathische Winzerin Emanuela Bincoletto. Die Königin der autochthonen Raboso-Rebsorte stellt charaktervolle Terroir-Rotweine her, wie etwa den ausschließlich im Stahltank ausgebauten Spezièr oder den Malanotte, dem der Zusatz von 15 Prozent Passito einen besonderen Schmelz verleiht.
Raboso wurde im heutigen Veneto bereits im 1. Jahrhundert nach Christus von den Römern angebaut und zeichnet sich vor allem durch sein robustes Rückgrat und eine prägnante Fruchtnote aus. Neben Raboso gehören außerdem ein charaktervoller Merlot und ein intensiv mineralischer Chardonnay zum Portfolio der Cantina – schließlich befindet sich das Weingut nur rund 20 Kilometer vom Meer entfernt.
Wer sich als reisender Gast neben dem Wein auch dem Kunst- oder Backhandwerk widmen will, dem bietet der an das Weingut angeschlossene Agriturismo Gazza Ladra zahlreiche Möglichkeiten. Vom Einführungskurs in die Kunst der Mosaike über Kräuterwanderungen bis zu gemeinsamen Koch- und Backstunden ist alles möglich. Hier lernt man, wie einst die Nonna von Emanuela die typischen Bussolai-Kekse und andere venezianische Köstlichkeiten zauberte.
Tradition und unberührte Naturlandschaften
Nachdem ich selbst ein kleines Mosaik-Kunstwerk in Form eines azurblauen Blumentöpfchens hergestellt habe, geht es ganz gemütlich mit dem Rad zurück in meine Herberge, das altehrwürdige Landgut B&B Casa dei Racconti in Ceggia. Hier hat Besitzer Gianni Pasin ein historisches Anwesen vom Anfang des 20. Jahrhunderts in ein Refugium mit traditioneller Gastlichkeit verwandelt. Eingebettet in einen weitläufigen, naturbelassenen Park, bietet das B&B einen großzügigen Poolbereich sowie den Nachbau einer traditionellen Fischerhütte, Casone genannt. Auf den Tisch kommen vor allem typische Spezialitäten der Region wie Pasta e fagioli, eine herzhafte Bohnensuppe mit Pasta, gegrilltes Gemüse sowie unterschiedliche Salumi und Käsespezialitäten aus der Region. Gianni reicht dazu einen weichen Merlot aus der Region und erzählt von alten Zeiten, dem Projekt des Schmetterlingsgartens und von seinem Traum, die Traditionen auch zukünftigen Generationen nahezubringen. Ein genussvoller Abend in jeder Hinsicht.
Auch am nächsten Tag bin ich wieder per Pedal unterwegs, und zwar mit einem Guide der Vereinigung »Adria Bikes Hotel« in Lido di Jesolo. Auf dem Giro di Laguna radeln wir entlang der Kanäle immer tiefer in die bezaubernde Lagunenlandschaft bis nach Lio Maggiore zum Agriturismo La Barena zur ausgiebigen Mittagspause.
Bei Spaghetti mit fangfrischen Krebsen und gegrilltem Fisch lässt sich hier Kraft für die nächste Etappe tanken. Weiter geht es dann per Ponton-Boot bis zur Piazza Cavallino und schließlich zurück nach Jesolo. Diese Radstrecke ist ein Genuss für alle Sinne und eine der entspannendsten Möglichkeiten, diese Landschaft zu erfahren.
Der Abend steht dann wieder ganz im Zeichen traditioneller Spezialitäten des Veneto, die wir in der Locanda Gioia di genießen. Inhaber Vincenzo und seine Frau Neli verwöhnen mich mit einem traditionellen Aal-Eintopf, gegrilltem Tintenfisch und kleinen Garnelen mit Polenta. Dazu genieße ich Chardonnay und Merlot aus dem Keller von Emanuela Bincoletto, die sich als perfekte Begleiter des Meeresfrüchtemenüs erweisen. Zur Locanda gehört außerdem ein herrlicher Pool mit Barbereich, wo man bereits vor dem Abendessen einen entspannten Nachmittag verbringt, begleitet von eiskalten Drinks und coolen Sounds.
Stille und Schokolade genießen
Am dritten Tag meines Veneto-Abenteuers steht eine Tour auf den E-Booten von »I love Piave« entlang des gleichnamigen Flusses auf dem Programm. Los geht es am Bootsanleger in Musile di Piave und dann flussabwärts bis Caposile, von wo man theoretisch einfach bis Venedig weiterfahren könnte. Das Beste daran: man darf die E-Boote auch ohne Patent steuern und selber Kapitän spielen! Unterwegs gibt es zahlreiche Anlegestellen, wo man für einen Cappuccino oder ein knuspriges Cornetto haltmachen kann.
An der Strecke zurück nach Musile liegt dann als süßes Highlight die Cioccolateria Veneziana der Brüder Francesco und Simone Mengo, die als die Schokoladenmagier des Veneto gelten. Nur einen Steinwurf von den Ufern des Piave Vecchio entfernt, entstehen in der kleinen Manufaktur köstliche Kreationen rund um edle Kakaobohnen. Feinste Tafelschokoladen, Pralinen und witzige Schoko-Gadgets gehören ebenso zum Sortiment wie feine handwerklich produzierte Aufstriche. Jeden Donnerstag können Besucher einen Blick hinter die Kulissen der Cioccolateria werfen und naschen. Ein Paradies für Süßschnäbel.
Mit dem Fahrrad zwischen Kochkunst und Kultur
Mittlerweile bin ich von der Casa dei Racconti in den Bio-Agriturismo Settecentoalberi in Noventa di Piave umgezogen. Hier haben Giorgio und seine Frau Sabrina ihr Anwesen für Gäste geöffnet, die hier so herzlich empfangen werden, dass man tatsächlich das Gefühl hat, zur Familie zu gehören. Giorgios Leidenschaft sind u.a. alte Gemüse- und Getreidesorten, die er in seinem nahe gelegenen Garten anbaut und aus denen Sabrina spannende Traditionsgerichte mit innovativem Touch zaubert.
So kredenzt sie etwa frittierte Meeresfrüchte und in Raboso marinierte Schweinebäckchen, zu denen natürlich die regionaltypische weiße Polenta aus der alten Maissorte Bianco Perla gereicht wird.
Übrigens: Auch wer keines der vier gemütlichen Zimmer im Settecentoalberi ergattern kann, kann am Wochenende für nur 10 Euro in den Genuss von Sabrinas köstlichem Frühstücksbuffet mit hausgemachten Produkten sowie Wurst- und Käsewaren von lokalen Produzenten kommen. Vor allem Sabrinas selbstgebackene Kuchen und Quiches sind ein Gedicht, so wie etwa die dunkle, mehlfreie Schokotorte – eine einzigartige, süße Sünde.
Doch nicht nur Feinschmecker und Aktivurlauber kommen in Venezia Orientale auf ihre Kosten. So lohnt sich für Kunst- und Kulturfans der Abstecher in das mittelalterliche Städtchen Portogruaro, dessen Altstadt zum gemütlichen Bummeln einlädt.
Unser Tipp: eine Pause in der Cantina 900, die neben einem hervorragend sortierten Weinangebot, zahlreiche Cicchetti, kleine, typisch venezianische Häppchen parat hält. Auch ein Besuch des pittoresken Wochenmarktes mit ausschließlich regionalen Produkten lohnt sich, um leckere Mitbringsel für die Daheimgebliebenen aufzustöbern. Venezia Orientale – eine rundum genussreiche Region, die es zu entdecken gilt.
Anreise, Wohnen und aktiv sein
Anreise mit dem Eurocity von DB/ÖBB, mehrmals täglich ab München nach Venedig. Vor Ort erreicht man mit dem gut ausgebauten Busliniennetz der ATVO fast jeden Punkt der Region schnell und unkompliziert.
Schön wohnt man im B&B Casa dei Racconti und im Settecentoalberi
E-Bikes und Touren am Giro di Laguna können Urlauber bei Adria Bikes Hotel buchen.
Touren mit dem E-Boot gibt es bei I love Piave.
Tour in Venice Motherland bei TVO.
Wein trinken und Speisen
Das Top-Weingut von Winzerin Emanuela Bincoletto Tessère Azienda Agricola ist sehr besuchenswert. Das an das Weingut angeschlossene Agriturismo Gazza Ladra bietet zahlreiche Möglichkeiten, aktiv zu sein – vom Einführungskurs in die Kunst der Mosaike über Kräuterwanderungen bis zu gemeinsamen Koch- und Backstunden.
Die Cantina 900 im mittelalterliche Städtchen Portogruaro bietet neben einem hervorragend sortierten Weinangebot zahlreiche Cicchetti, kleine, typisch venezianische Häppchen.
Im Locanda Gioia di verwöhnen Inhaber Vincenzo und seine Frau Neli die Gäste mit traditionellen Gerichten.
Für Schokoladen-Liebhaber ein Muss: Die Cioccolateria Veneziana.