Ein Besuch im größten Emirat wird schnell zur Achterbahn der Sinne: Aufregende Architektur, vielfältige Freizeitaktivitäten und ein Land, das sich ungemein offen zeigt. Das alles gepaart mit Kulturschätzen, die ihresgleichen suchen. Der ideale Ort für eine Familienauszeit. Autor Andreas Dauerer hat für uns getestet – zwar ohne Kinder, dafür aber mit erhöhter Adrenalinausschüttung.
Gerade einmal 90 Autominuten trennen Abu Dhabi vom glitzernden Dubai. Obwohl die beiden Metropolen einige Gemeinsamkeiten haben, unterscheiden sie sich doch deutlich. Den überbordenden Größenwahn und das übertriebene Chichi und Bling-Bling – weshalb Touristen ja auch nach Dubai reisen – das gibt es in Abu Dhabi zwar auch, aber man muss regelrecht danach suchen, um es zu finden. Die entspannte Variante: man lässt es einfach sein und genießt seinen Urlaub.
Abu Dhabi also. Im Gegensatz zum bekannteren Dubai war ich noch nie da. Heiß ist es, das ist kein Geheimnis, aber so heiß?! Über den griechischen Werbespruch, der Deutsche über die Wintermonate nach Griechenland locken soll, können die Leute hier nur müde lächeln. No German will freeze in Greece. Das mag schon stimmen. Im größten Emirat, und natürlich gilt das auch für alle anderen der Vereinigten Arabischen Emirate, wäre ich mehrmals am Tage dankbar, wenn ich genau das tun dürfte. Nur einen Moment lang ein bisschen frieren.
Das geht immerhin Drinnen, denn da kühlen die Emirati das Leben mal eben um die Hälfte herunter. Statt 40 Grad herrschen in Gebäuden moderate 20 Grad, und bei einem solchen Unterschied kann man schon mal ein wenig frösteln. Interessant, dass ich mich dabei ertappe, mich sogar ein wenig darauf zu freuen. Im ersten Moment, das gebe ich zu, mit etwas schlechtem Gewissen, schließlich bedeutet der ununterbrochene Einsatz von Klimaanlagen ein größeres Defizit der eigenen Klimabilanz. Allerdings ist es bei der unerbittlichen Sonne und trockener Hitze tagsüber und Temperaturen, die nur in der tiefsten winterlichen Nacht unter 30 Grad fallen, anders eigentlich nicht möglich.
Ein Hauch von Luxus überall
Abu Dhabi ist bei Fans schneller Autos sicher bekannt. Schließlich findet dort auf dem Yas Marina Circuit das letzte Formel 1 Rennen statt. Sonst könnte es aber dünn werden in Sachen Bekanntheitsgrad. Geht es nach Herrscher Chalifa bin Zayid Al Nahyan, soll sich das ganz schnell ändern. Und dafür legen sich alle richtig ins Zeug, wie der erste Eindruck der Hauptstadt Abu Dhabi zeigt: Alles ist super modern, gut organisiert und ziemlich unkompliziert. Gute Hotels finden sich in Hülle und Fülle, jene mit weniger als vier Sternen haben hingegen Seltenheitswert. Wer nach Abu Dhabi kommt, den umweht also ganz automatisch dieser Hauch von Luxus.
Mit den öffentlichen Bussen geht es kostengünstig durch die Stadt und über die angrenzenden Inseln. Ansonsten nimmt man das Taxi, die Preise bewegen sich im Vergleich zu Deutschland in einem sehr moderaten Rahmen. Wer es bequemer mag, der bucht einen privaten Fahrer für 100 bis 150 Euro am Tag. Das kann sich je nach Anzahl der Personen schnell rechnen. Viele Fahrer kommen aus Nepal. Sie freuen sich über ein Namaste und ein Resham Firiri. Ersteres ist ein Gruß, zweiteres ein traditionelles Lied, das ich einmal bei einer Annapurna Umrundung aufgeschnappt habe.
Vielleicht liegt’s aber auch an meiner stümperhaften Aussprache oder der melodischen Nachlässigkeit, allerdings würden sie dir das niemals ins Gesicht sagen, denn dazu sind sie zu höflich. Mein Fahrer heute heißt Norbu, kommt aus der Gegend um Pokhara. Was ihn nach Abu Dhabi geführt hat? Er will Geld verdienen, und einen Teil davon der Familie nach Hause schicken. Prekär ist die Situation für ihn nicht, sagt der Anfang 30-jährige. Aber Reichtümer wird er hier auch nicht anhäufen. Für den Moment aber ist alles gut.
Zu Besuch im Präsidentenpalast Qasr Al Watan
Dann brausen wir los. First stop: Qasr Al Watan. Der Präsidentenpalast. Den man mit eigenen Augen gesehen haben sollte. Er ist von A bis Z überbordend. Und, so ehrlich darf ich sein, ungemein toll anzusehen. Ausladend und einladend gleichzeitig. Der weiße Granit, die gelben und blauen Steine, die schiere Dimension, die einen ganz klein werden lässt. Vielleicht war das auch die Idee hinter diesem repräsentativen Prunkbau. In der Eingangshalle könnte man Fußball spielen. Der Blick schweift nach vorne und hinten, hinauf in die Kuppeln, alles funkelt und strahlt. Hinein in den Plenarsaal, behangen mit einem tonnenschweren Kronleuchter made in Germany. Zum Putzen, das verrät der Guide, kann man sogar innen hineinsteigen. Der Bankettsaal ist groß wie ein Theater und ich frage mich allmählich, wie es wohl aussieht, wenn hier wirklich Staatsgäste empfangen werden.
Ohne lebendige Kulisse wirkt es doch ein bisschen steril. Das ändert sich jedoch in der öffentlich zugänglichen Bibliothek. Hier leihen tatsächlich gerade eine Handvoll Studenten Bücher aus. Bildung ist wichtig. Das wissen die Herrscher und deshalb ist sie im Emirat kostenfrei. Und nicht nur das. Die Emirati bekommen eine Wohnung oder ein Haus und auch die Krankenversicherung wird vom Staat übernommen. Weil die fossilen Energiequellen international immer mehr gemieden werden, versucht das Land, den Tourismus zu fördern. Dafür braucht es gut ausgebildetes Personal, damit nicht alles extern eingekauft werden muss. Draußen verweile ich noch ein bisschen und gucke abwechselnd auf die ultramoderne Skyline mit ihren dünnen Hochhaustürmen, die die flirrende Luft durchstoßen, und das Gebäude aus tausend und einer Nacht, das selbst bei 45 Grad eine Eleganz an den Tag legt, die seinesgleichen sucht.
Auf zur Hapiness Island
Second Stop: Happiness Island. Oder einfach nur Saadiyat. Ins Kulturviertel, denn ich möchte den Louvre sehen. Ja, richtig gehört, Louvre. Die arabische Dependance kooperiert eng mit dem Pariser Stammhaus, das auch über die Hälfte der 6.000 Exponate als Leihgabe zur Verfügung stellt. Den übrigen Teil steuerte das Emirat selber bei. Herausgekommen ist ein überaus feiner Ritt durch die Kunstgeschichte. Der Vorteil: Es ist nicht überladen und so haben selbst Kinder Spaß dabei, durch das Museum zu streifen. Auch das Gebäude selbst kann dank Jean Nouvel als übergroßes Kunstwerk gesehen werden.
Die 55 quaderförmigen Räume sollen an traditionelle Wüstenbauten erinnern und sind sowohl am Ufer als auch im und über dem Wasser gebaut. Allumspannend ist die Kuppel, die 180 Meter im Durchmesser misst und deren netzartige Metallkonstruktion zwischen Beton, Sonnenstrahlen und Meer die Blicke der Besucher fesselt. Der Louvre ist einer der wenigen Bauten, die bereits fertig gestellt wurden. Frank Gehry plant ein neues Guggenheim, Norman Foster das Zayed-Nationalmuseum und nach den Entwürfen des Architektenbüros von Zaha Hadid soll ein Theaterkomplex entstehen. In den kommenden Jahren dürfte sich also einiges tun.
Heiße Reifen auf dem Yas Circuit
Third Stop: Yas Island. Hier kommen Motorsportbegeisterte und Adrenalinjunkies voll auf ihre Kosten. Wenn keine Formel 1 Boliden auf dem Yas Marina Circuit um die Wette rasen, kann hier Ottonormalverbraucher auf Vettels oder Hamiltons Spuren wandeln. Entweder als Beifahrer in einem der schnellen Tourenwagen. Oder man traut sich nach einer intensiven Einführung selbst hinter das Steuer und testet seine Rennfahrerqualitäten in einem professionellen Rahmen. Vorausgesetzt, man besitzt neben dem Führerschein auch ein bisschen Kleingeld, denn billig ist dieser Nervenkitzel nicht.
Günstiger wird der Spaß für alle, die nur mal auf dem Podium stehen oder die Aufenthaltsräume der Teams sehen möchte. Immerhin ermöglicht das einen kleinen Einblick, wie der Formel 1 Zirkus von den Dimensionen her aussieht. Besucher sollten aber auch die Mini-Raser-Variante in Betracht ziehen. Also rein in die Rennkleidung und ab auf die Kartbahn nebenan, um ein bisschen Rennfeeling unter arabischer Sonne zu genießen. Leider hilft der Fahrtwind hier nur bedingt gegen die Hitze, aber dem Spaßfaktor tut das definitiv keinen Abbruch. Noch nicht einmal die Tatsache, dass einem ein Teenager mit Flaumbart über drei Sekunden abnimmt, was laut Rennleiter Welten sind. Sei es drum. Nach 15 Minuten unter der Kunstlederhaut bin ich allerdings froh, aus selbiger schlüpfen und unter der Dusche dem Körper eine Erfrischung zu gönnen.
Der Tag ist noch lang nicht vorbei, und nur einen Steinwurf weit entfernt liegt unser fourth stop: die Ferrari World. Gewissermaßen ein Vergnügungspark rund um die rote italienische Edelmarke, die ganz früher mal in Gelb gefahren ist wie man beim Rundgang lernt. Unverhofft finde ich mich in der Formula Rossa wieder, einer Art Achterbahn, bei der Mutige die Beschleunigung eines Formel-1-Wagens spüren können. Von null auf hundert in unter drei und auf 240 in knapp fünf Sekunden. Vielleicht ist es ganz gut, dass ich vorher nichts gegessen habe. Während ich in gefühlten 30 Sekunden durch den Parcour fliege, bekomme ich allerdings kurz Bedenken, ob unser Wagen auch fest mit der Schiene verankert ist und nicht in Richtung aufgehendem Mond fliegt. Es ist erstaunlich, was man dem eigenen Körper zumutet für einen Kick.
Das Fliegen lernen in Abu Dhabi
Im Flying Aces geht’s mit vergleichsweisen moderaten 120 Stundenkilometern durch den höchsten Looping der Welt, während man beim Turbo Track erst in Richtung Himmel rast um dann rückwärts hinunterzufallen. Etwas familientauglicher dürfte der Flying Carpet sein, bei dem es Aladin-like durch italienische Städte geht. Womöglich ist jetzt der perfekte Zeitpunkt, um an der italienischen Piazza mitten in Abu Dhabi Nudeln oder eine Pizza zu essen.
Wer jetzt glaubt, dass das alles gewesen ist, der irrt. Fifth stop: The Clymb. Nur Fliegen ist schöner, heißt es doch und dieses Gefühl macht jede Menge Laune. Ganz ohne sich aus dem Flugzeug stürzen zu müssen und dennoch ein Netz und doppelten Boden zu haben. Die ersten Flugversuche sind dann auch entsprechend ungelenk, aber meine Lernkurve zeigt steil nach oben. Wenn die Profis durchziehen, könnte man fast meinen, dass hier Tom Cruise den nächsten Actionfilm dreht. Wem es jetzt noch nicht reicht, der kann noch in die Water-World weiterziehen. Oder einfach beseelt ins Bett fallen und der Frage nachgehen, ob für Abenteuer dieser Art wirklich eine Reise nach Arabien nötig ist. Freilich nicht. Und wieder doch. Denn diese Dinge machen einfach Spaß und das darf, nein, muss auf Reisen auch mal sein. Und es fährt ja auch niemand wieder nach Hause, ohne sich zusätzlich zum Spaß-Faktor die wunderschöne Sheikh Zayed Moschee anzuschauen. Sie ist ein architektonischer Leckerbissen, hat den größten gewebten Teppich im Gebetsraum und ist noch einmal einen Tick beeindruckender als der Präsidentenpalast. Am besten zum Sonnenaufgang oder -untergang hingehen, dann ist es nicht ganz so voll.
Abu Dhabis zweitgrößte Stadt: Al-Ain
Die Wiege von Abu Dhabi steht in der zweitgrößten Stadt Al-Ain. Im kleinen Fort Al Jahili lebte einst der bedeutendste Herrscher Scheich Zayid bin Sultan Al Nahyan. Er gilt als Wegbereiter des Aufbruchs in die Moderne und war maßgeblich beteiligt an der Ölförderung im Land. Die Bevölkerung schätzte ihn vor allem, weil er nie die Verbindung zu seinem Volk verlor, fast einer von ihnen zu sein schien.
Im Fort ist eine interessante Fotoausstellung des britischen Abenteurers Wilfred Thesinger zu sehen, der sich mit dem Scheich anfreundete und zwischen 1946 und 1950 zahlreiche Expeditionen durch die Rub al-Chali Wüste mit zwei Kindergefährten unternahm. Damals war dieses Unterfangen alles andere als ungefährlich und die Fotos dokumentieren eindrucksvoll die Zeit, die im 21. Jahrhundert schon unvorstellbar ist. Nach dem Ausflug nach Al Ain geht es zurück in die bunte, heiße Welt von Abu Dhabi. Ins Leben. Von Klimaanlage zu Klimaanlage. Zum Abschluss der Reise zu Beit El Khetyar in der Najda Straße, um das beste Shawarma der Stadt zu probieren. Es ist nach 22 Uhr als ich hinaus trete in die 30 Grad warme Nacht. Ein leiser Wind weht mir ins Gesicht und ich spaziere die 20 Minuten zurück ins Hotel. Fast schon verrückt.
Infos
Eine gute Anlaufstelle ist das offizielle Tourismusbüro von Abu Dhabi.
Anreise: Etihad bietet Direktverbindungen aus Deutschland, etwa von München, Frankfurt oder Berlin nach Abu Dhabi.
Unterkünfte: Es gibt zahlreiche gute bis sehr gute Hotels in Abu Dhabi. Das Corniche Sofitel an der Corniche Rd. liegt in der Nähe der wichtigsten Sehenswürdigkeiten und ist ideal für alle, die am Abend die Innenstadt erkunden möchten. Ein Luxury Zimmer mit Kingsize-Bett und Meerblick kostet ab 185 Euro im Doppelzimmer mit Frühstück.
Auf Saadyhat und für Badefans ist das Park Hyatt zu empfehlen. Es bietet direkten Strandzugang und eine herrliche Beachbar. Preise für ein Doppelzimmer mit Meerblick ab 490 Euro, die 100 Quadratmeter große Park Suite ab 1.000 Euro inkl. Frühstück.
Essen: Es gibt zahlreiche Möglichkeiten und für jeden Geldbeutel ist etwas dabei. Besten Fisch gibt’s im Beach House des Park Hyatt auf Saadyiat. Einen Hauch von Orient bietet dagegen das Mezlai im Emirates Palace. Ansonsten haben nahezu alle guten Hotels auch einen sehr guten Küchenchef engagiert, so dass Tipps hier beinahe überflüssig sind.