Vor der Küste Abu Dhabis liegt ein kleiner Garten Eden: Sir Bani Yas. Aus der ehemaligen Einöde auf dem Eiland hat sich in den vergangenen 40 Jahren ein Naturreservat mit rund 10.000 Tieren entwickelt. Text: Markus Grenz

»Vorsicht vor Hyänen und Leoparden«kann ich gerade noch auf dem Eingangsschild lesen, bevor unser Jeep anfährt und das Tor hinter uns zuschnappt. Jetzt sind wir drin, im »Wildlife Park«. Aussteigen ist nun nur noch erlaubt, wenn unser Fahrer Darren sein Okay gibt. Einige Minuten auf der holprigen Piste später, kommt uns auch schon der erste Bewohner entgegengewackelt. »Bewohnerin«, korrigiert Darren. Natürlich stoppen wir, und die gewaltige Straußenlady steckt neugierig ihren Schnabel zwischen die Seitenplanken des Pick-ups. Ich hätte die Dame nicht so ohne Weiteres als solche erkannt, aber mit den Tieren in seinem Distrikt kennt sich der Chauffeur und Guide aus Bristol aus.

Zwei Mal am Tag startet er seine Safaritouren und fährt auf verschlungenen Wegen die rund 40 Quadratkilometer des umzäunten Territoriums ab. Wer aber nun glaubt, der Brite würde sein Geld irgendwo in Afrika verdienen, der täuscht sich. Sein Arbeitsplatz liegt drei Autostunden oder eine Tagesreise mit dem Boot von Abu-Dhabi-Stadt entfernt, im Persischen Golf. Hier, auf der Insel Sir Bani Yas, entsteht seit rund 30 Jahren der »Arabian National Park« mit (fast) allem auf zwei und vier Beinen, was dazugehört. Mehr als 23 Arten sollen es sein. Seltsam? Nicht wirklich, eher ziemlich außergewöhnlich.

Sir Bani Yas Eingang

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»Diese Wüste soll leben«

… hat sich vor Dekaden der damals fast allmächtige Scheich Zayed bin Sultan Al Nahyan gedacht, als er die Blicke von der Terrasse seines Inselpalasts über den kargen Rückzugsort der Familie schweifen ließ. Natürlich wurden ihm als Gründungspräsident der Vereinigten Arabischen Emirate alle Wünsche von den Augen abgelesen. Doch bevor er sein privates »Sylt« – die arabische Nobelinsel in spe verfügt etwa über die gleiche Fläche wie die größte der deutschen Nordseeinseln – geschaffen hatte, mussten vor allen Dingen Petrol-Dollars bewegt werden. Wie viele, darüber schweigt man hier diskret. Sehr viele müssen es aber gewesen sein, schießt es mir beim nächsten Stopp durch den Kopf.

»Insgesamt leben hier mehr als 10.000 Tiere.«

… unter anderem Antilopen, Gazellen, Emus oder Wildvögel. »Sie entsprechen den Arten, die auf der Arabischen Halbinsel heimisch sind oder waren«, erklärt uns Darren und wird von der langhalsigen Kleinfamilie zur Rechten direkt Lügen gestraft. Giraffen hat es im Nahen Osten niemals gegeben. Da hat Scheich Zayed wohl eher seiner Sammelleidenschaft gefrönt, in die Geldbörse gegriffen und sich einige Exemplare der bis zu sechs Meter hohen Tiere einschiffen lassen. Diese haben sich mittlerweile prächtig vermehrt. 50 von ihnen tummeln sich inzwischen auf dem Gelände.

Giraffe blickt in Kamera

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Neugierig dreht ein Kälbchen seinen Teleskophals in Richtung unseres Jeeps, überwacht von den aufmerksamen Blicken der Mutter. Sieben der prächtigen Tiere stehen gemütlich unter dem Schattendach der Futterstelle und blinzeln uns, eines nach dem anderen, entgegen. Gleißend hell und vor allem heiß ist es geworden, es ist immerhin schon 8.30 Uhr. Fast hätte ich vergessen, dass ich mich auf einer Insel in einer der wärmsten Regionen der Erde befinde.

Das war auch eines der größten Probleme, vor die der Scheich die Gestalter seiner arabischen Arche stellte. Ohne Wasser keine Pflanzen, ohne Pflanzen keine Tiere. 30 Tonnen grünes Frischfutter, die heutzutage hier Morgen für Morgen von den Booten geladen werden, reichen eben nicht aus für so viele Mägen. Trickreiche Ingenieure ließ er ein cleveres Bewässerungssystem austüfteln, das noch heute ständig ausgebaut wird. Eine eigene Entsalzungsanlage sorgt für das Leben spendende Nass. Das Grün folgte im zweiten Schritt dieser ungewöhnlichen Schöpfungsgeschichte. Mehr als drei Millionen Pflanzen ließ der Herrscher in den sandigen Boden stecken, auf dass daraus einmal ein kleiner Garten Eden sprieße.

Sir Bani Yas

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»Oha! Ein Leopard!«

Und es spross. Während unser Geländewagen langsam einen Hang hinunter rollt, lasse ich meine Blicke über die hügelige Landschaft schweifen. Wie durch ein Brennglas bündelt sich hier die Natur der Arabischen Halbinsel auf engstem, steinigem Raum. Rotbraun brüten die Felsen in der Sonne. Parzellen mit dürrem Gras lösen sich ab mit sandfarbenen Steinfeldern. Vorbei an kratzbürstigen Büschen windet sich die gleißend helle Sandpiste. In Reih und Glied stehen die Akazien entlang der Straße Spalier, mal dicht, mal licht.

Der Wagen stoppt. Fast hätte ich bei meinen Betrachtungen einen »Star« des »Arabian National Park« übersehen. Gut versteckt im strohgelben Gras, keine dreißig Meter von uns entfernt, räkelt sich ein Leopard im Schatten wie eine Ziehharmonika. »Das ist Safira«, ist sich Darren sofort sicher. Zusammen mit ihren Artgenossen Gibbs und Gabriel teilt sich die Leopardendame aus Nordafrika das Revier. Streit um die Nahrung wird es zwischen den Katzen mit den schwarzen Punkten, den Streifenhyänen und den wolfsähnlichen Schakalen hier auf der Insel wohl niemals geben. »Nahrung ist für die Fleischfresser mehr als genug da«, sagt mein Fahrer und grinst. Welche, das sollte ich 15 Minuten später und zwei Hügel weiter sehen.

Gepard

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»Die Safari geht weiter im kühlen Nass«

So viele Mühen muss man zeigen, hat sich auch Scheich Chalifa bin Zayid Al Nahyan, aktueller Herrscher im Emirat, gedacht und öffnete das Werk des 2004 verstorbenen Vaters vor wenigen Jahren für die Öffentlichkeit. Im Herbst 2008 begrüßte ein neues Luxushotel im ehemaligen Gästehaus des Scheichs, mittlerweile durch verschiedene Anbauten ergänzt, die ersten Gäste.

Von hier aus starten Darren und seine Kollegen ihre Safaris. Aktivurlauber, die den Teil der Insel außerhalb der Reservatszäune erkunden wollen, gehören ebenso zur Zielgruppe wie durchtrainierte Klettermaxe, die sich an den schartigen Salzfelsen probieren möchten. Will man in die Unterwasserwelt mit Delfinen und Meeresschildkröten rund um das Eiland eintauchen, herrschen optimale Bedingungen. Die Wassertemperatur ist das ganze Jahr über angenehm warm. Der Persische Golf ist glasklar, und vor allem gilt bis weit vor die Küsten ein Fangverbot. Für gemächlichere Naturen gibt es blendend weißen Sandstrand.

Strand auf Sir Bani Yas island

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Anreise. Etihad Airways fliegt von Frankfurt und München nach Abu Dhabi. Buchungen u.a. unter der Servicenummer 0180 500 54 00.

Übernachten. Seit 2008 kann man im ehemaligen Gästehaus Zayids im »Desert Islands Resort & Spa by Anantara«, Sir Bani Yas Island, Abu Dhabi, wie ein Scheich übernachten. Reservierungen direkt unter Tel.: +971 2801 5400. Ein Doppelzimmer mit Frühstück gibt es ab rund 350 Euro pro Nacht.

Mehr Infos beim Abu Dhabi Tourism Board.