5.855 Kilometer, 14 Tage, 20 Breitengrade nach Norden, von Hamburg nach Alta in Norwegen und wieder zurück. Das ist die Kurzfassung der Kreuzfahrt »Winter im hohen Norden«, die die AIDAaura im Februar und März bewältigt. Text: Verena Wolff

Winter im hohen Norden, das ist eine lange Zeit. Denn in Alta, dem nördlichsten Punkt der Reise, kann auch im Mai noch Schnee liegen. Im März jedenfalls ist der Winter noch so kalt und windig, wie man ihn in Deutschland kaum noch kennt. 23 Grad minus in der Nacht, dazu ein schneidender Wind. Handschuhe, Mütze und ein dicker Anorak sind hier die Grundausstattung.

Norwegens Küste im Winter

Verena Wolff

Bis nach Alta dauert es ganze fünf Tage oder knapp 1500 Seemeilen (2.725 Kilometer) – und die sind eben so, wie eine Kreuzfahrt im hohen Norden nun mal ist. Unvorhersehbar, erlebnisreich, aber auch eine recht wackelige Angelegenheit. Die Wellen sind bis zu zehn Meter hoch, der Wind bläst in Sturmstärke. Und da fühlt sich auch ein Schiff wie die AIDAaura, knapp 203 Meter lang, 28,1 Meter breit und zwölf Decks hoch, eher an wie ein Spielzeugboot in der aufgewühlten Badewanne.

Stopp in Haugesund: leider grau und verregnet während unseres Aufenthaltes

Die Gischt knallt auch im siebten Stock noch an die Fensterscheiben, bei Nacht spüre ich die Bewegungen noch deutlich mehr. Und sie sind alles andere als beruhigend und einschläfernd – denn kaum habe ich mich an die eine Richtung gewöhnt, bewegt sich der Nordatlantik wieder in eine andere. Und mit ihm das Schiff. Die drei Restaurants an Bord sind zu Beginn der Kreuzfahrt verdächtig leer, als wir die Deutsche Bucht bei Cuxhaven verlassen haben und entlang der Küsten von Dänemark und Schweden Richtung Norwegen unterwegs sind.

Passagiere auf der AIDAaura

Verena Wolff

Einige der rund 1.200 Passagiere werden in den kommenden Tagen erzählen, dass sie zwar schon viel erlebt haben auf Schiffsreisen – aber nun tatsächlich zum ersten Mal seekrank waren. So richtig. Böse ist jedenfalls keiner, als an Tag drei der erste Stopp in Haugesund ansteht und der Boden unter den Füßen nicht mehr schwankt. Haugesund? Ist nicht der Nabel der Welt, aber ein Ort mit abwechslungsreicher Wikingervergangenheit. Und mit wunderschönem Umland und zahlreichen Fjorden, das leider bei unserem Stopp in bleiernem Grau daherkommt und immer wieder angeregnet wird.

Auch der höchste Wasserfall weit und breit ist hier zu sehen – etwa eineinhalb Stunden muss man ins Landesinnere zum Langfoss fahren, der rund 600 Meter in die Tiefe fällt. Achtung Frischtluftfans: Der Wasserfall liegt so nah an der Straße, dass man bei offenem Fenster im Autoi nassgespritzt wird.

Einst die Wiege des Heringfangs

Die kleine Stadt liegt zwischen Stavanger und Bergen am Karmsund und war einst die Wiege des Heringsfangs. Heute sorgen Erdöl und Schiffsbau dafür, dass die Bewohner ein sicheres Einkommen haben.

Haugesund in Norwegen

Verena Wolff

Wer sich für die Geschichte des Landes interessiert, sollte einen Abstecher nach Avaldness machen. Der Ort war lange Zeit Wikingerresidenz, später legte Harald Schönhaar seinen Hof dorthin und damit den ersten Königssitz Norwegens. Bis heute kann man dort die »Olavskirken« besichtigen, einen rekonstruierten Wikingerhof sowie das »Nordvegen Historiesenter«, in dem es jede Menge Informationen über die Region gibt.

Zurück auf der AIDAaura steht der nächste Seetag an, Halt am fünften Tag in Bodø. Doch: Das Wetter ist schlecht, die See rau – und so entfällt der Stopp zugunsten eines weiteren Seetags. Gut, dass es an Bord eine Bibliothek gibt, ein Fitnessstudio, ein 1600 Quadratmeter großes Spa, jede Menge fast vergessener Gesellschaftsspiele und noch viele andere Menschen, die dem Lagerkoller nahe sind.

Unterwegs zwischen Haugesund und Alta

Doch je weiter wir nach Norden kommen, um so mehr reißt der Himmel auf. Und das bedeutet in diesen Breitengraden: Nordlichter. Von Haugesund bis Alta haben wir sie jede Nacht. Mal stärker, mal schwächer, mal sehr lang und manchmal nur ganz kurz. In grün, in lila, in weiß. Nur: Fotografieren lassen sie sich nicht so richtig gut, denn es ist weiterhin recht wackelig – und die Aurora Borealis brauchen ein Stativ und eine längere Belichtungszeit, um auf die Speicherkarte gebannt zu werden. Wie das genau geht mit der Fotografie – das werden sich einige Gäste in den kommenden Tagen noch erarbeiten. Die richtigen Kameras haben sie dabei, auch das schwere Stativ. Und es ist Hilfe an Bord: Astronomie-Experte Hartmut Renken kennt sich nicht nur mit Gestirnen und Astronomie aus, sondern weiß auch, wie man Sterne und Polarlichter fotografiert.

An Tag sechs, an dem wir eigentlich erst pünktlich zum Aurora-Ausflug am Abend den Hafen von Alta erreichen sollten, scheint die Wetterentschädigung loszugehen. Die Sonne geht am wolkenlosen, tiefblauen Himmel auf, rundherum sind schneebedeckte Berge zu sehen. Und wir lernen über den Bordfunk: So hoch die Berge rund um die Fjorde sind, so tief ist das Wasser. Die Berge um den Altafjord, 69.99 Grad Nord, 23.32 Grad Ost, sind bis zu 1000 Meter hoch, so der offizielle Norwegen-Experte Björn Lars Oberndorf.

Alta – Ankunft gaaaanz weit im Norden Norwegens

Alta ist die Hauptstadt der Provinz Finnmark – und wer nicht zum Nordkap fährt, ist hier schon so ziemlich im äußersten Norden Norwegens. Die deutsche Kriegsmarine war hier stationiert; auch das erfahren wir aus dem Bordfunk – denn offenbar sind einige Geschichtsinteressierte an Bord, die darüber Informationen haben wollten.

Es ist empfindlich kalt an Deck, auch in der strahlenden Sonne – aber noch vor dem Frühstück ist das halbe Schiff dort oben versammelt.

Sonnenuntergang vor der Küste Norwegens im Winter

Verena Wolff

Endlich schönes Wetter, endlich ruhige See. Und endlich ein Hafen in Sicht. Die AIDA legt deutlich früher an als geplant, dem liegengelassenen Hafen sei Dank – und kaum ist es dunkel, geht es los zur Jagd auf die Nordlichter.

Und wieder haben wir Glück: Denn sie sind extrem aktiv, schon recht früh am Abend. »Manchmal muss man bis spät in die Nacht warten, bis man die Lichter sieht«, sagt der Guide der Pæskatun-Touren, die die Jagd nach den Polarlichtern leider mit dem Halt an einer einzigen Stelle beendet haben. Da allerdings tanzten die Lichter über einer Hochebene in alle Himmelsrichtungen – und sogar vom Bus aus kommt man die grünen Strahlen am Himmel nahezu ununterbrochen sehen.

Aurora Borealis – die Belohnung für die harten Tage auf See

Und wer bei der Rückkehr auf Schiff mitten in der Nacht noch nicht verfroren genug ist, lässt das Stativ abtauen und macht auf Deck 11 gleich weiter mit der Fotografie – denn sogar im »lichtverseuchten« Alta ließen sich die Lichter mit bloßem Auge sehen. Ein Glückstreffer für alle, deren größter Wunsch es war, die Aurora Borealis einmal zu sehen. »Und eine Belohnung für die harten Seetage«, raunte der eine oder andere hinter seiner Kamera.

Verena Wolff

Denn selbstverständlich ist das nicht, die bunten Sonnenstürme gleich an mehreren Tagen zu sehen. Das Wetter im hohen Norden ist zu jeder Jahreszeit unberechenbar. Und gleich mehrere Tage mit klarem Himmel im Winter zu erwischen, ist echtes Glück. Das zeigte sich gleich am nächsten Hafen in Tromsø, wo ein Besuch der Ureinwohner Skandinaviens auf dem Programm steht. Die Sami leben außerhalb der freundlichen und bunten Universitätsstadt – in einer Mischung aus traditionellem und modernem Leben, wie Henrik uns erzählt.

Zu Besuch bei den Samis

Die Rentierherden sind ihre Einnahmequelle, und inzwischen auch der Tourismus. Doch schon lange sind sie nicht mehr mit dem kalten Holzschlitten im Gebirge unterwegs, mit dem jeder Besucher eine Runde auf dem riesigen Gelände eine Runde drehen darf. »Wir fahren natürlich mit dem Motorschlitten«, sagt er. Denn damit kann man in kürzerer Zeit mehr Tiere sehen und ihnen in den langen, kalten Wintern Futter bringen. Auch das Handy hat selbstredend jeder dabei, ohne geht es nicht.

Rentierfütterung in Norwegen

Verena Woff

Doch das Camp besteht aus mehreren Jurten, die auf traditionelle Weise errichtet wurden und mit einem offenen Feuer beheizt werden. Es gibt: Rentiereintopf mit Gemüse und Brot sowie Blaubeerkuchen. Ein traditionelles Gericht, das besonders bei großen Zusammenkünften für viele Hundert Sami gekocht werden kann. „Die gibt es bei uns immer wieder“, erzählt Henrik. Und: »Eine Hochzeit, zu der nicht mehrere Tausend Menschen kommen, ist kein richtiges Fest«.

Henrik zeigt die Besonderheiten seiner Tracht und führt den kehligen Gesang vor, der bei den Ureinwohnern weit verbreitet ist. Er erklärt, warum die Sami bis heute die Stiefel aus Rentierfell benutzen, wenn sie in den Bergen unterwegs sind und nach den Bullen schauen. »Die Rentierhaare sind die wärmsten, die es gibt – denn sie sind von innen hohl«, sagt er. Und die Sami haben noch einen Trick, wenn die Temperaturen weit unter die Marke von minus zehn oder 15 Grad rutschen. »Wir trocknen im Sommer das Seegras, und das wickeln wir uns in den Schuhen um die Füße.« Das wärmt nicht nur, sondern hält auch Wind und Nässe ab.

Südlich des Polarkreises ist es mit den Polarlichtern vorbei

Der Platz in Krokelvdalen wäre auch ein optimaler, um nochmal von den Polarlichtern überrascht zu werden – doch das Glück haben wir nicht. Stattdessen fällt dichter Schnee vom Himmel, der Wind wird merklich stärker und kälter. So schnell kann es gehen im hohen Norden.

Auf der Rückfahrt Richtung Hamburg nimmt die AIDAaura die Orte mit, an denen sie auf dem »Nordvegen«, dem Weg nach Norden, vorbeigefahren ist: Sortland, Trondheim und Bergen. Die Klassisker Norwegens.

AIDAaura in Norwegen

Verena Wolff

Der Schnee macht bald wieder dem Regen und diesem dunklen Grau Platz, das man so oft im Norden sieht. Und südlich des Polarkreises ist es auch mit den Polarlichtern vorbei. Wackelig bleibt die Reise jenseits der beeindruckenden Fjorde. Aber so ist das halt im Winter im hohen Norden.

Die Kreuzfahrten »Winter im hohen Norden« finden im Februar und März statt, entweder ist man mit der AIDAaura oder der AIDAcara unterwegs. Die Reisen gehören zum »Selection«-Angebot der Reederei, bei dem es stärker um Land und Leute geht. Experten halten Vorträge, etwa über die bevorstehenden Ziele und über Phänomene wie die Nordlichter. Die 14-tägige Fahrt ab Hamburg kostet ab 1390 Euro pro Person in der Innenkabine. Zu den anderen Reedereien, die in dieser Region im Winter unterwegs sind, gehören Viking und die Hurtigruten.

Ausflüge können im Vorfeld der Reise, an den Häfen oder auf dem Schiff gebucht werden. Liegt der Hafen außerhalb, fahren Shuttlebusses in die Innenstädte. An manchen Orten lohnt es sich auch, einen Mietwagen zu nehmen und auf eigene Faust die Region zu erkunden.