Sie ist die trockenste Wüste der Welt: Wer den Weg in die Atacama jedoch auf sich nimmt, der wird belohnt. Mit einer einzigartigen Flora und Fauna, einem sich ständig wechselnden Farbspektakel und nachts kann man ganz nebenbei die Sterne vom Himmel pflücken.
San Pedro de Atacama. Der Name klingt verheißungsvoll, von weitem. Bei näherer Betrachtung zeigt sich der heilige Peter, also dieses einstige verschlafene Eldorado für Backpacker und Outdoorfans, doch etwas ernüchternd. Unzählige Touranbieter buhlen um Individualtouristen. Bars, Kneipen und Restaurants wechseln sich ab mit Läden für Trekkingklamotten und Kunsthandwerk. Immerhin die kleine Dorfkirche aus Lehmziegeln gibt einem ein vages Gefühl von Geborgenheit.
Ansonsten wirkt das ehemalige Kolonialstädtchen auf mich seltsam trist und eher wie eine Mischung aus Disneyland und überdrehten Jahrmarktschreiern, die ihre Dienste an Frau, Mann, Divers bringen wollen. So weit, so gewöhnlich. Schließlich geschieht genau das recht häufig bei Orten, die als Eingangstür für touristische Hotspots fungieren. Hat man aber erst einmal seine Unterkunft gefunden, die Koffer ausgepackt und sich so weit akklimatisiert, dann gewinnt nach und nach der zweite Namensteil die wohltuende Überhand. Und deshalb bin ich ja überhaupt erst in den Norden Chiles gereist.
Im Herzstück der Trockenheit
Die Atacama also. 1.200 Kilometer Trockenheit von Nord nach Süd, eingerahmt von Küstenkordillere auf der Pazifikseite und den mächtigen Anden im Landesinnere auf der anderen. Dazwischen der Talkessel mit seiner Wüstenhauptstadt San Pedro. Genau in diesem Herzstück der Trockenheit stehe ich jetzt am Fenster meines Hotels und blicke hinüber zum Vulkan Licancabur.
Wunderschön ist er, gleichmäßig, oben eine kleine, weiche Schneehaube und ein paar Eisadern, die den braunen Hügel hinunterzulaufen scheinen. Darüber strahlt nur noch das flirrende Azurblau des Himmels. Es sind diese Momente der völligen Ruhe, nach denen ich mich auf Reisen immer sehne. Hier werde ich sie bekommen, beinahe im Überfluss. Natur erleben. Farben und Formen sehen. Spüren, was ist und was war. Vielleicht bin ich auch etwas zu gefühlsduselig, weil mich die Kombination aus Trockenheit, 2.400 Meter über dem Meeresspiegel sein und dünne Luft gerade nach der Ankunft etwas träge machen.
Erst einmal akklimatisieren im Explora Hotel
Ich fühle mich ausgedörrt. Der permanente Griff zur Wasserflasche und ein Nachmittagsschlaf werden die nächsten Tage meine treuesten Begleiter sein. Noch vor dem Abendessen gehe ich hinüber ins Haupthaus des Explora Hotels. Die Hotelkette ist bekannt dafür, ihre Klientel bestmöglich an der Umgebung teilhaben zu lassen. Exploraciones, Erkundungen, heißen die Ausflüge, die man halb- oder ganztags mitunter sogar mehrtägig im Rahmen seine Aufenthaltes unternehmen kann. Die mehrsprachigen Guides kümmern sich um die Gäste, legen ihnen Karten vor und erklären, wofür die Atacama bekannt ist, und wo es was für welches Faible zu sehen gibt. Flamingos auf den Salzseen, klar. Geysire, das Mondtal und das Tal des Todes, Vulkanbesteigungen, Wanderungen zu den Thermalquellen, wenn gewünscht auch Teilstrecken mit dem Mountainbike oder mit einem Ausritt auf den hauseigenen Pferden, deren Stallungen sich ebenfalls auf dem Hotelgelände befinden.
Etwas übermüdet fallen mir die Entscheidungen nicht so leicht. »Vielleicht ein halber Tag, leicht anfangen, also hinauf zu den warmen Quellen?«, frage ich Félix, der die Ausflüge organisiert. Der nickt.
»Gute Entscheidung. Zu den Termas Puritama fährt man erst mal eine halbe Stunde mit dem Auto zu einem Talstück, dann wandert man etwa zweieinhalb Stunden hinauf und kann sich anschließend im warmen Pool entspannen.«
Das hört sich gut an, irgendwie auch wunderbar adäquat, um den Akklimatisierungsprozess langsam in meinen Körper fließen zu lassen. Den wiederum fördert man in erste Linie mit gutem Schlaf, weshalb ich mir nach dem Abendessen noch einen Pisco Sour bestelle. Der hilft beim Einschlafen bekanntlich immer.
Über trockenes Allerlei zur Puritama Thermen
Die Steine knirschen unter meinen Sohlen. Es ist kalt, trocken, alles wirkt ein bisschen lebensfeindlich. Wüste eben. Gut 30 Minuten sind wir frühmorgens mit dem Auto durch trockenes Allerlei gefahren. Die Sonne versteckt sich noch, die Farben auch. Meine Mitwanderer sind ein amerikanisches Pärchen und eine brasilianische Mama mit ihren drei Teenager-Söhnen. Der Guide heißt Rodrigo, hat lange Haare und sieht ein bisschen aus wie René Higuita, der große Torhüterstar des kolumbianischen Fußballs. Für das Torhüten ist Rodrigo aber zu klein, dafür entstammt er einer chilenischen Arbeiterfamilie aus Santiago.
Zehn Minuten dauert es, bis endlich Leben in die Wüste kommt. Zunächst kündigen ein paar Kakteen das Tal an, das der Fluss Puritima hier in die Wüstenlandschaft gegraben hat und an dessen dünnem Lauf wir die nächsten eineinhalb Stunden zu den Thermen wandern werden. Von einer Hangkuppe oben blicken wir auf ein grünes Band, das sich am dürren Hang nach oben schlängelt. Sobald wir unten sind, begleiten uns wilder Schilfwuchs, Farne und Fuchsschwänze mit roten Rispen.
Und natürlich Rica-Rica. Die Indios hier schwören auf die Heilkraft der Blätter und Zweige des kleinen Busches. Damit aromatisieren sie etwa den Mate und man sollte sie unbedingt einfach mal probieren. Sie schmecken ein bisschen nach wilder Minze und sollen zudem auch antioxidantische Wirkung entfalten können, also gesund sein. Das erklärt, warum er in der regionalen Küche bis hin zum Speiseeis verarbeitet wird.
Ein Bad in den Naturbecken der Atacama zur Belohnung
Apropos Kälte, die ist inzwischen einer wohligen Wärme gewichen. Beständiges Grün säumt den Pfad, der mal eben, mal holprig ist und manchmal muss man über den Puritama springen, für den der Begriff Bach aber weitgehend eine sehr deutliche Übertreibung ist. Beim Blick links und rechts die Hänge hinauf, kann ich so viele Grau- und Braunschattierungen sehen, dass mir die Wörter dafür längst ausgegangen sind. Über uns der klare Himmel und einen Sonne, die uns jetzt unerbittlich anstrahlt. Mittlerweile schwitze ich. Während die Brasilien-Fraktion noch Selfies mit Schilf und Kaktus macht und auch das Pärchen aus den Staaten ein paar ihrer Honeymoon-Bilder knipsen, laufe ich weiter.
Die Gedanken sprühen beim Gehen, das wussten schon die alten Römer. Aber so dünne und trockene Luft kannten die nicht. Immer wieder hält Rodrigo Vorträge über Flora und Fauna, warum die Kakteen ausgerechnet hier stehen und überleben, welcher Vogel sich davon ernährt und wo die Wüstenfüchse am liebsten Schlafen. Es ist unglaublich, wie vielfältig sich die Atacama bei diesem kurzen Marsch zeigt. Am Ende kommt die Belohnung in Form zahlreicher Naturbecken, die aus einer heißen Quelle gespeist werden.
20 Grad in der Sonne, etwa 30 im Wasser, der Boden maximal 4. Kein Wunder, dass manche Leute hier Stunden verbringen. Wir bleiben knapp eine, was völlig ausreicht und nach einer kleinen Stärkung, geht es mit dem Auto wieder zurück ins Hotel. Schlafen.
Physik hat mich nie interessiert, plötzlich schon
Ich liege vor dem Observatorium und lausche Manuel bei seinen Ausführungen zum Sternenhimmel.
Es ist mein letzter Abend. »Was siehst du, wenn du nach oben blickst?«. Nun ja, Sterne. Die Milchstraße, unzählige Sternbilder, die ich klarer noch nie gesehen habe. »Ja, auch«, antwortet er.
»Vor allem aber ist der Blick nach oben immer einer in die Vergangenheit. Alles, was Du gerade siehst, ist alt, teilweise Millionen – manchmal sogar Milliardenjahre.«
Der Grund: Das Licht braucht seine Zeit, um auf die Erde zu treffen. Vielleicht ist der Stern, den wir gerade anschauen, schon längst Geschichte. Von der Galaxie geschluckt und ausradiert. Wir sehen ihn trotzdem, was ausnahmsweise nicht am Pisco Sour liegt, den man hier traditionell an jeder Ecke bekommt und, ganz fatal, auch noch richtig gut schmeckt. Es ist Physik. Mich hat die nie sonderlich interessiert, aber jetzt, wo ich so daliege auf der harten Matratze und nach oben blicke, finde ich mich auf einmal furchtbar klein. Das Universum ist zum Greifen nah, das Kreuz des Südens und sogar die Große Magellansche Wolke kann man erkennen. Ein Wust an Sternen, die aussehen, als würden sie wie eine Wolke am Rand der Milchstraße schweben. Später mit dem Hotelteleskop schaue ich mir den Mond an und die Ringe des Saturn. Auch Omega Centauri, den größten Kugelsternhaufen unserer Galaxie. Das sind etwa 10 Millionen Sterne, die da ein Gebilde formen, das durch die Schwerkraft zusammengehalten wird. Ihr Durchmesser: schlappe 55 Lichtjahre, also gar nicht so klein, aber von hier unten schon irgendwie.
Das Lama kann ich noch gut erkenne, beim Fuchs hört es auf
Mich fasziniert die Milchstraße. Die leuchtet derart hell hier auf die Atacama, dass man sich wundert, warum die Leute überhaupt Licht benutzen. Bei den Inkas hingegen gab es gar keine Sterne. Also, es gab sie schon, nur haben sie daraus keine Sternbilder kreiert, sondern aus den schwarzen Räumen dazwischen. Das ergibt viel Sinn, wenn man hier in der Wüste einmal den Sternenhimmel beobachtet. Um ein vielfaches heller funkelt er auf uns herab als zu Hause. Es gibt kaum Luft- und Lichtverschmutzung, Wolken sieht man wegen der Trockenheit so gut wie nie und auch die Höhe spielt eine Rolle. Ideal also, um sich dieses Lichtermeer anzusehen. Schließlich zeigt Manuel das Lama und die Schlange. Bei Kröte, Fuchs und Wachtel muss ich jedoch aussteigen.
Der Blick nach oben ist jener in die Vergangenheit. Die letzten Tage waren intensiv. Ich war im wunderbaren Valle de la Luna, dem Mondtal, Gesteinsformationen, die wie eine unglaubliche Mondlandschaft aussehen. Bizarre Formen gegerbt aus Salz und Wind. Wenn es einmal regnet, »blüht« es anschließend weiß, das Salz kommt zum Vorschein.
Bei der Wanderung durch das Tal knackt es an allen Ecken und Enden. Das Salz arbeitet, dehnt sich aus und zieht sich zurück. Beinahe sieht es aus wie eine angezuckerte Winterlandschaft, nur die kurze Hose verrät, dass etwas anders ist. Dann die Exkursion zum Geysirfeld Tatio mit einer Anfahrt inklusive Platten, der mich an einem der schönsten Aussichtspunkte hier in der Atacama verweilen ließ. Lamas und Vicuñas grasen auf der Hochebene, alles sanft in Gelbtönen ausgeleuchtet durch die aufgehende Morgensonne. Magisch.
Alles im Fluss in der Atacama: Die Natur gibt und nimmt
Die Geysire mögen vielleicht nicht so spektakulär erscheinen wie in Island, weil die Dinger nicht so hochschießen. Dafür spucken sie über ein sehr großes Areal ganz beständig heißen Wasserdampf in die Luft, was der Szenerie auch ein bisschen Mystik verleiht.
Die anschließende Wanderung ist einfach nur schön. Warme Quellen, Bergpanoramen, Lamas, Füchse, Wildhasen und ein paar Kolibris sind auf der Suche nach Essbarem. All das sehe ich beim Vorbeigehen. Auch Bergpumas soll es geben, die sich in den Felsspalten verstecken. Die sehen wir nicht, was vielleicht auch ganz gut so ist. Denn sie jagen Hasen, aber auch Lamas und Guanacos. Die sind teilweise größer als ein Erwachsener, was ich leicht erkennen kann, als wir an einem Lamakadaver vorbeimarschieren.
Der bleibt dann so lange liegen, bis die Natur ihn voll wieder in ihren Kreislauf aufgenommen hat. Ich mag diese Vorstellung, dass die Natur gibt und nimmt und alles im Fluss ist. Hier wird das einmal mehr sehr offensichtlich. Unser Mittagessen haben wir für die Ganztagestour im Rucksack dabei. Im Schatten rasten, essen, über Gesehenes und Nichtgesehenes sprechen. Gemeinsames Erleben schweißt zusammen. Wir haben es ungleich besser als der Puma, der für sein Essen jagen muss. Schon am Ende der Wanderung wartet der Jeep, davor fein säuberlich drapiert eine neuerliche Stärkung. Natürlich strengt wandern an, aber ums Überleben müssen wir uns keine Sorgen machen. Schön ist es dennoch.
Warum das Gefieder von Flamingos rosafarben ist?
Zu guter Letzt der Salzsee mit der Laguna Chaxa, und, na klar, den Flamingos. Ich war erst gestern dort, kurz vor dem Sonnenuntergang. Der See versprüht eine unheimliche Kraft, fast wie der Himmel jetzt über mir. Die Flamingos suchen im Salzwasser nach kleinen Krebsen zum Fressen, die Sonne spiegelt sich im seichten Wasser und im Hintergrund türmen sich majestätisch die Berge und Vulkankegel.
Wenn dann diese großen rosa Vögel von einer Seite auf die andere des Sees fliegen und über unserer Köpfe schweben, dann ist das nicht nur schön, sondern ungemein erhaben. Und friedlich. Die Frage, warum das Gefieder der Vögel rosafarben ist, erklärt sich quasi nebenbei. Dass ihre Ernährung von Krebse und Algen dominiert wird, die Carotine enthalten und diese sich nach und nach auch im Gefieder ablagern, wo die Babyflamingos vornehmlich weiß sind – das kann man direkt am Eingang nachlesen oder von einem der unzähligen Guides erfahren. Schön anzusehen ist es allemal, ganz besonders, wenn die Sonne untergeht und die ganze Umgebung von Gelb über Orange bis ins Dunkelrot hinein anmalt.
Auch meine Tage in der Atacama sind gezählt, der Blick gleitet von oben nach unten, von der Vergangenheit in das Hier und Jetzt. Mit einem Pisco Sour verabschiede ich mich standesgemäß von den Sternen und der unendlichen Trockenheit. Als lebensfeindlich wird die Wüste gemeinhin beschrieben. Wer genauer hinschaut, sieht, es ist ein Ort voller Leben. Und Magie.
Das Rundum-Sorglos-Paket
Die Anreise zur Atacama erfolgt über Santiago de Chile, etwa mit British Airways (via London) oder Lufthansa (via Frankfurt und São Paulo) und anschließend weiter nach Calama mit LATAM.
Das Hotel Explora bietet ein besonderes Rundum-Sorglospaket an. Bei Zimmerpreisen ab ca. 600 USD pro Person sind die An- und Abreise zum Flughafen in Calama, sämtliche Tages- und Halbtagesausflüge sowie alle Mahlzeiten inkludiert. Neben dem Frühstück gibt es dann mittags und abends ein 3-Gänge-Menü.