Eine Naturkatastrophe bescherte der Stadt in Flandern den Reichtum, der ihr Flair bis heute prägt. Ein Ausflug nach Brügge ist wie eine melancholische Reise in eine Vergangenheit, die man sonst nur noch in Historienfilmen aus Hollywood sieht. Unsere Tipps für Brügge!

Ein Dienstagnachmittag am »Grote Markt« in Brügge, kurz vor Ladenschluss. Kein Feiertag, kein besonders gutes Wetter, keine Veranstaltung auf irgendeiner Bühne – im Prinzip also ein ganz gewöhnlicher Werktag in Flandern. Und doch liegt ein Hauch von Feiertag über dieser Szene an diesem majestätischen Platz, der mit seinem gotischen Rathaus und den barocken Fassaden seit 1998 zum Weltkulturerbe der Unesco zählt.

In der Altstadt wirkt Brügge mit seinen vielen verwinkelten Gässchen, den traditionellen Geschäften und den urigen, gemütlichen Kneipen oft wie ein Freilichtmuseum. Oder ersatzweise wie das Straßenbild eines historischen Kinofilms, durch das man mit ungläubigem Kopfschütteln spaziert und sich ständig fragt: Wie haben all diese prächtigen Gebäude, diese Schlösser und Gutshöfe bloß die Jahrhunderte überlebt?

Brügge im Winter

Sabine Braun

Im Jahr 1134: Sturmflut sorgt für direkten Zugang zur Nordsee

Um das zu erklären, muss man ein wenig weiter ausholen. Verantwortlich dafür ist im Grunde eine Sturmflut: Im Jahr 1134 pflügte sie eine mächtige Rinne in die Meeresbucht vor Brügge – auf einmal verfügte die Stadt über einen direkten Zugang zur Nordsee.

Schnell entwickelte sich die bis dahin eher unbedeutende flandrische Kleinstadt – selbst heute mit 120.000 Einwohnern nicht unbedingt eine Metropole – zu einem der populärsten Häfen in ganz Europa, zu einer Drehscheibe für Textilien und Wein. Selbst die italienischen Medici eröffneten gut gehende Geldhäuser in Brügge. Derartiger Reichtum lockte Künstler und Bauherren an, in Brügge entstand innerhalb von wenigen Generationen eine prächtige, von Kirchen, Palästen und Türmen geprägte Stadt.

Ausflug nach Brügge: Diese alten Bauwerke sollte man besuchen

Zu den bekanntesten in jener Zeit entstandenen Bauwerken gehört der Belfried, der Glockenturm am Groten Platz, der nicht zuletzt durch seine Präsenz in dem bekannten Hollywood-Film »Brügge sehen und sterben« 2008 eine gewisse Berühmtheit erlangte. (Weil sich einer der Helden vom Turm hinunter stürzte…)

Aussicht auf Brügge vom Fluss

Sabine Braun

Für Touristen gehört der Aufstieg in diesen prächtigen, 83 Meter hohen Turm in der Regel ebenso zum Pflichtprogramm wie ein Besuch in einer belgischen Chocolaterie. Allerdings werden in diesem Fall eher Kalorien abgebaut als zu sich genommen: Wer ganz hoch auf die oberste Plattform des Belfrieds hinauf will, muss sich durch enge Gewölbe und über 366 steile Treppenstufen kämpfen.

Zu den Dingen, die man in Brügge nicht braucht, gehört ein Stadtplan. Der würde in Anbetracht der absurd großen Zahl von so genannten Sehenswürdigkeiten nur verwirren. Da der historische Stadtkern nicht allzu groß ist, empfehlen die Brügger Einwohner ihren Gästen gerne, auf gut Glück durch die Stadt zu streifen und die Augen offen zu halten. Wer das beherzigt, wird zwangsläufig vor Sehenswürdigkeiten wie eben dem Belfried, dem gotischen Rathaus und den vielen reich verzierten Patrizierhäusern innehalten und sich darüber freuen, dass diese prächtigen Gebäude all die Jahrhunderte überlebt haben.

Kunst in Brügge: Was hinter der »Flämischen Primitive« steckt

Aber das ist nicht alles: Der große ehemalige Wohlstand der Stadt lockte auch eine Menge Künstler nach Brügge. Ein Segen, wie sich heute herausstellt, denn zu ihnen gehörten auch die Maler, die man heute als die Meister der Flämischen Schule kennt. Unter der Bezeichnung »Flämische Primitive« erschufen sie eine ganz eigene Gattung in der Kunstgeschichte, zu ihren Vertretern gehört etwa der berühmte Jan van Eyck.

Kunst und Shoppen in Brügge

Sabine Braun

Das Groeningemuseum in Brügge zeigt über 300 Kunstwerke aus dieser Ära – viele auch von (zu Unrecht) vergessenen Meistern. Wie populär die »flämischen Primitiven« in der europäischen Kunstwelt waren, verdeutlicht eine Anekdote, die der Kurator des Groeningsmuseums Till-Holger Borchert im Deutschlandfunk erzählte: „Fassen Sie sich an den Kopf: Till Eulenspiegel bewirbt sich beim Landgrafen von Hessen als Hofmaler, indem er ihm Bilder zeigt, die er in Flandern gekauft hat. Und wird aufgrund dieser Qualifikation zum Hofmaler des Landgrafen von Hessen.“

Brügge und seine mild-melancholische Stimmung

Die Zeit der großen Brügge-Blüte und dem damit verbundenen Reichtum endet mit dem 15. Jahrhundert.  Die Verbindung zur Nordsee versandete, die maritimen Handelswege trockneten buchstäblich aus. Die Folge: Wirtschaftlicher Stillstand und Armut. Selbst die industrielle Revolution machte einen großen Bogen um das nun wieder versteckt im Niemandsland liegende Brügge.

Niemand in Brügge dachte in der Folgezeit daran, die alten Gebäude abzureißen, um neue architektonische Moden mitzumachen oder Platz für Fabriken zu schaffen. Dazu war schlichtweg kein Geld da. Selbst in den beiden Weltkriegen blieb Brügge – wegen nachgewiesener fehlender Bedeutung – unberührt.

Wer heute durch die verwunschenen Gassen schlendert – und alles andere als schlendern verbietet sich angesichts der mild-melancholischen Stimmung in der Stadt von ganz allein – der atmet diese ganz besondere Aura der Vergangenheit mit jedem Schritt, mit jedem neuen Blickwinkel auf die Schönheiten Brügges geradezu ein.

Dazu gehören natürlich auch die Weihnachtsmärkte, von denen es in der Stadt gleich zwei inmitten wunderschöner historischer Gemäuer gibt. Nicht nur auf dem Grote Markt, auch auf dem Simon Stevin Platz werden alljährlich die aufwändig dekorierten Holzchalets aufgebaut, auch eine Eisbahn gehört traditionell dazu. Weil die Märkte so erfolgreich sind und Besucher aus der ganzen Region anziehen, werden sie weit bis ins neue Jahr hinein verlängert. 2025 etwa schließen sie erst am 8. Januar ihre Pforten.

Weihnachtsmarkt beim Ausflug nach Brügge

Sabine Braun

Tipps für Brügge: die schönsten Attraktionen

Touristische Attraktionen bietet die Stadt in Flandern ohnehin im Übermaß: Der Beginenhof gehört dazu, diese herrliche Hofanlage mit Kreuzgang, die schon 1230 im Stadtzentrum von Brügge gegründet wurde und seit 1998 ebenfalls zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Das gilt auch für die Heilig-Blut-Basilika, dem ältesten sakralen Bauwerk der Stadt, die als sogenannte Doppelkirche auf dem Gelände der Grafenburg im Zentrum Brügges errichtet wurde. Die jährliche Christi Himmelfahrt-Prozession durch die mittelalterliche Stadt zählt zu den bedeutendsten Events in Brügge.

Wie schrieb ein Publizist in einem Sonntagsmagazin so schön:

»Brügge ist ein Dornröschen, das vor mehreren Jahrhunderten in den Schlaf gefallen ist. Und obwohl es jeden Morgen von den Touristen wach geküsst wird, träumt es, gleichsam mit offenen Augen, weiter von zierlichen Stufengiebeln, Türmchen und Winkelgässchen.«

Schön gesagt, und nichts als die Wahrheit. Das wäre auch ein schönes Schlusswort. Aber mal ehrlich: Wer besucht schon die schönste Stadt in Belgien, ohne wenigstens einmal die legendären belgischen Fritten probiert zu haben oder in eine der über 50 Chocolaterien einzukehren, die sich im Stadtgebiet von Brügge verteilen.

Kein Brügge-Ausflug ohne Pommes und Schokolade

In Belgien wurde das gefüllte Schokoladenbonbon schließlich vor über 100 Jahren erfunden. Besonders die Confiserie Verheecke in der Steenstrat erfreut sich bei den Touristen besonderer Beliebtheit. Auch aus einem delikaten Grund: hier gehören Penisse aus braunem Gold zur Produktpalette.

Brügge Tipps: La Belgique Gourmande, in der Breidelstraat

Sabine Braun

So was würde Dominic Persoones vermutlich nicht einfallen: Der Mann wagt es mit seiner Firma The Chocolat Line stattdessen, Zutaten wie Speck oder Wasabi für seine köstlichen Pralinen zu verwenden. Hört sich merkwürdig an, schmeckt aber. Genauso wie die Belgische Waffel, die in der Brügger Variante tatsächlich subtiler gerät als so ziemlich alles, was wir in Deutschland unter dieser Bezeichnung kennen.

Bleibt noch ein Verweis auf die belgische Leibspeise, die Pommes. Oder wie der Brügger ganz vornehm sagt: Fritüren. Das Besondere an der belgischen Variante: Die Pommes frittiert man in Nierenfett, das macht sie knusprig und – jawohl: nussig! Man empfiehlt in Brügge das »Chez Vincent« gleich an der Sint-Salvators-Kathedrale, hier soll es die besten Fritten der Stadt geben. Und wer sie nicht nur probieren, sondern auch etwas zur Geschichte der beliebten Kartoffelspeise erfahren möchte, findet in der Vlamingstraat sogar ein Pommes-Museum in einem der schönsten Gebäude Brügges, der Saaihalle. Kein Witz. Allein dafür muss man Brügge doch lieben, oder?