Der beste Weg, Tel Aviv zu erkunden, ist zu Fuß. Nicht, dass es keine öffentlichen Verkehrsmittel gäbe, das Bussystem ist einfach und gut. Aber selbst, wer mit dem Fahrrad unterwegs ist, kann den Blick nicht auf das Wesentliche richten, sondern muss auf den Verkehr achten. Spaziergängern eröffnet sich dagegen die ganze architektonische Pracht der israelischen Metropole. Autorin Susanne Freitag hat sich den Bauhaus-Stil in Tel Aviv angesehen.
Der Bauhaus-Stil in Tel Aviv ist omnipräsent. Rund 4.000 Gebäude im Bauhaus- und internationalen Stil verschafften der Stadt 2003 einen Eintrag als Unesco-Weltkulturerbe. Die meisten dieser Zeitzeugen, die zwischen 1928 und 1945 gebaut wurden, versammeln sich im Zentrum, in der »Weißen Stadt«. Nach der Machtergreifung der Nazis in Deutschland flüchteten viele jüdische Architekten nach Tel Aviv. Zu den Neuankömmlingen zählten Schüler der großen Bauhaus-Meister wie Walter Gropius und Mies van der Rohe, darunter Arieh Sharon, Shmuel Miestechkin, Shlomo Bernstein, Zeev Rechter und Richard Kauffmann. Sie setzten die Leitidee des Dessauer Bauhauses von bezahlbarem, schnörkellosem Wohnraum für alle konsequent um.
Orientierung an den Hauptverkehrsachsen
Verlaufen kann man sich in Tel Aviv kaum. Dank der frühen Weitsicht des ersten Stadtplaners Sir Patrick Geddes Ende der 1920er Jahre können sich Spaziergänger an den Hauptverkehrsachsen orientieren, die parallel zum Meer von Norden nach Süden verlaufen. Die kleineren Straßen und Alleen dagegen führen von Westen nach Osten und ebnen den Weg für eine angenehme Meeresbrise durch die Stadt.
Den Bauhaus-Stil in Tel Aviv kann man prima im Bauhaus Center in der Dizengoff Straße 77 erkunden. Im Museums-Shop können die Besucher einen Film über die Entstehung der Weißen Stadt anschauen. Dort können sie auch mit originellen Taschen und Bechern von israelischen Designern und Bauhaus-Plakaten eindecken.
Inhaber Dr. Mischa Gross kommt ursprünglich aus der Schweiz und bietet seit mehr als 25 Jahren geführte Touren an und erläutert dabei detailreich den Bauhaus-Stil in Tel Aviv. 13 Stationen umfasst der Rundgang und zu jedem der Häuser hält Gross eine Erklärung bereit. Höhepunkt ist der Zina-Dizengoff-Platz, benannt nach der Frau des ersten Bürgermeisters Meir Dizengoff, mit dem ehemaligen Kino, das mittlerweile als Boutiquehotel Cinema nicht nur Bauhaus-Liebhaber beherbergt. Der Platz ist derzeit allerdings eine Baustelle, er wird in seinen ursprünglichen Zustand von 1938 zurückversetzt.
Kulinarische Verschnaufpausen
Eine Verschnaufpause bietet das Dizengoff Centre, Israels erste Shopping-Mall mit internationalen Geschäften und Souvenirläden. Auch hier lohnt sich ein aufmerksamer Blick und zwar nach unten, von der Balustrade des Erd- in das Untergeschoss. Jeden Donnerstag- und Freitagvormittag sind dort Marktstände mit frischen, hausgemachten Speisen aufgestellt, an denen sich die Tel Aviver für den bevorstehenden Sabbat eindecken.
Für einen kulinarischen Blick auf die Stadt lohnt sich auch ein Abstecher zum Karmel-Markt am Magen David Square, dem größten Obst- und Gemüsemarkt in Tel Aviv.
Ähnlich einem orientalischen Basar reihen sich dort farbenfrohe Gewürz-, Obst- und Gemüsestände an Auslagen von Kippas, T-Shirts und Schuhen. Und mittendrin gibt es den besten Humus von Tel Aviv im »Humus«-Imbiss. Im einfachen Restaurant zeugen eine hinter Glas ausgestellte Thora sowie alte Schriften von der Vergangenheit des Gebäudes als Synagoge.
White City Center eröffnete zum Bauhaus-Jubiläum
Nach einer Viertelstunde Fußweg erreichen die Spaziergänger den Rothschild Boulevard und staunen über tatsächlich in Weiß erstrahlende Bauhaus-Gebäude, wundern sich aber auch über die vielen anderen, die heruntergekommen sind oder bei denen der Stil durch Klimaanlagen, vermauerte Fensterhöhlen, Etagenaufbauten oder Kunststoffjalousien unschön verfremdet wurde und der Putz bröckelt. Das hat seinen Grund: Die meisten Wohnungen haben verschiedene Eigentümer, die sich oft nur schwer einigen können.
Außerdem haben die Tel Aviver ihre Häuser, denen die salzhaltige, feuchte Luft zugesetzt hat, den klimatischen Bedingungen angepasst. Seit etwa 20 Jahren besinnen sie sich aber auf ihr architektonisches Juwel, und ein Umdenken hat eingesetzt. Architekten und Idealisten wollen die baufälligen Häuser retten und ein neues Bewusstsein für das deutsch-israelische Erbe schaffen.
Besonders eindrucksvoll ist das im Max-Liebling-Haus in der Idelson-Straße zu sehen. Das Gebäude wurde mithilfe des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit in Deutschland saniert. Es wurde 2019, zum 100-jährigen Gründungsjubiläum des Bauhauses, als White City Center eröffnet. Zum einen als Austauschzentrum für Architekten und Handwerker. Zum anderen, um Einwohner und Besucher für das Kulturerbe der Stadt zu sensibilisieren.
Besucher von Tel Aviv können das City-Break-Programm des städtischen Hotelverbands nutzen. Bei Anreise am Donnerstag oder Freitag und einem Mindestaufenthalt von drei Nächten sowie bei Anreise am Mittwoch und vier Nächten vor Ort erhalten sie Vergünstigungen in teilnehmenden Restaurants, Museen, Bars und Clubs. Zusätzlich gibt es ein kostenloses Dinner für zwei Personen in dem gebuchten Hotel. Diese Pakete sind bei vielen Reiseveranstaltern buchbar.