Seit mehr als einem halben Jahrhundert bereichert Frank Gehry die Welt der Architektur mit seinen revolutionären Entwürfen. Dabei verschwimmen gerne mal die Grenzen zwischen Skulptur und Architektur. Wir finden, dass seine Werke immer eine Reise wert sind. Und dafür muss man nicht immer um den Globus fliegen. Gehry sei Dank.
In einem Artikel der Vanity Fair wurde Frank Gehry 2010 als »der wichtigste Architekt unserer Zeit« bezeichnet. Doch seine avantgardistischen Bauten, die sich über das traditionelle Verständnis von Architektur hinwegsetzen, stoßen in der Öffentlichkeit oft auf gemischte Gefühle.
Ich bin – das ist ja kein Geheimnis – ein leidenschaftlicher Kanada-Fan. Und Gehry stammt ursprünglich aus Toronto. Ich interessiere mich zudem auch für Architektur. Und da kommen natürlich zwei Interessen zusammen, die sich auf Frank Owen Gehry konzentrieren. Und ich muss sagen, mich beeindruckt seine Geschichte sehr.
Wer ist Frank O. Gehry?
Als er 18 Jahre alt ist, zieht seine Familie von Kanada nach Los Angeles. Er ist nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren, deshalb erkämpft er sich seinen Weg nach oben. Tagsüber arbeitet er als Lastwagenfahrer und studiert abends am College. Später wechselt er dann an die School of Architecture der University of Southern California. Er beißt sich durch und zwar so präzise, dass er es in den 1950er-Jahren sogar auf die renommierte Harvard Graduate School of Design schafft und dort Stadtplanung studiert. 1967 gründet Gehry sein eigenes Büro, Gehry Partners, in Los Angeles, das bis heute einzigartige Entwürfe hervorbringt, darunter das 45-stöckige Grand L.A., das in Kürze eröffnet wird.
Dennoch hagelt es immer wieder Kritik. Vielleicht liegt es daran, dass er sich eher als Künstler sieht, der seine ersten Ideen oft mit Kritzeleien skizziert. Berühmt ist seine Stimme in der ersten Folge der Simpsons, in der er eine Konzerthalle in Springfield entwirft, nachdem er von einem zerknüllten Stück Papier auf dem Bürgersteig inspiriert wurde. Es steht jedoch außer Zweifel, dass Gehry eine Liebe zum »Out-of-the-box-Denken« hegt. Und damit hat er einiges in der Architektur bewirkt. Wo ich schon den ein oder anderen Artikel zitiere, muss auch dieser aus der Salon herhalten, aus dem Jahr 1999. Da wird festgestellt, dass »die Leute um die halbe Welt reisen, um sich ein Gebäude anzusehen«. Ja, und ich bin eine davon. Hier sind meine fünf Favoriten:
Guggenheim Museum Bilbao
Das Guggenheim Bilbao ist mehr als ein Gebäude. Es ist ein Hingucker. Ein Nicht-Vergesser. Selbst diejenigen, die es nur einmal auf einem Foto betrachtet haben, können es immer wiedererkennen. Und auch das macht Gehry aus. Das Guggenheim Museum Bilbao, das in einer ehemaligen Werft am Ufer des Nervión-Flusses untergebracht ist (Bilbao ist eine der wichtigsten Hafenstädte Spaniens), war das Hauptaugenmerk eines großen Wiederbelebungsprojekts der Stadt. Das Museum wurde 1997 offiziell eröffnet und erregte so viel internationale Aufmerksamkeit, dass ein neuer Begriff geprägt wurde, der »Bilbao-Effekt«, der ausdrückt, wie der Bau eines hochkarätigen Gebäudes eine zuvor angeschlagene Metropole verändern kann.
Das Guggenheim Museum dort besteht aus miteinander verbundenen Gebäuden, die mit 33.000 hauchdünnen Titanplatten verkleidet sind. Es ist so außergewöhnlich, kompliziert und komplex, dass Gehry für die Konzeption und Planung die Computersoftware CATIA einsetzen musste, die für die Luft- und Raumfahrtindustrie entwickelt wurde, um sein Budget von 89 Millionen Dollar einzuhalten. Im Inneren ist das Museum um ein großes Atrium und 19 Galerien herum angeordnet. Besucher werden feststellen, dass es in der gesamten Struktur kaum eine gerade Linie gibt – eine bewusste Entscheidung von Gehry. In einem Interview mit Charlie Rose aus dem Jahr 1993 sagte Gehry, er habe sich von den Bewegungen der Fische inspirieren lassen und wollte gegen die Postmoderne rebellieren. »OK, wenn schon zurück, dann vor den Menschen«, sagte er. »Zurück zu 300 Millionen Jahren Fisch.« Klar gefiel das den Kritikern nicht. Aber die Investition für Bilbao hat sich gelohnt. Das Museum ist ein Erfolg.
Neuer Zollhof, Düsseldorf
Ich kann den Zollhof eigentlich nicht mehr sehen. Und das liegt weniger an Gehrys Architektur, als an dem Fakt, dass bei jedem Text über Düsseldorf dieses markante Bauwerk eine Rolle spielt und ich darüber schon so oft geschrieben habe, wie eine Milchschnitte gegessen.
Pünktlich zur Jahrtausendwende hat sein expressiver Gebäudekomplex dem Düsseldorfer Hafen ein internationales Denkmal gesetzt. Plötzlich – es ist ähnlich wie in Bilbao – war ein Stadtteil, der wiederbelebt werden sollte, in aller Munde. Gehry schuf für Düsseldorf ein Ensemble an Gebäuden, das sich in seinen drei organisch geformten Bauten keiner Geometrie unterwegt. Jedes Haus ist anders – in Höhe, Form und Material der Fassaden.
Die Kritik in Deutschland hielt sich ja auch in Grenzen. Ich glaube, wir waren so stolz darauf, dass die Majestät unter den Architekten ein Projekt bei uns übernommen hat, dass es die Meckerer im Keim erstickt hat.
Düsseldorf ist immer eine Reise wert. Und das sage ich als Kölnerin. Das zählt also doppelt! Und die Gehry-Bauten sind ja nicht nur schön anzusehen. Es gibt auch was Leckeres zu essen in den dazugehörigen Restaurants.
Walt Disney Concert Hall, Los Angeles
Die Walt Disney Concert Hall, eines von Gehrys berühmtesten Werken, gilt international als eine der akustisch besten Konzerthallen der Welt. 1987 stellte Lillian Disney 50 Millionen Dollar zur Verfügung, um in der Innenstadt von Los Angeles eine Konzerthalle zu errichten, die an ihren verstorbenen Mann Walt – ja, genau, Walt Disney – erinnern sollte. Gehrys Vorschlag wurde aus mehreren Bewerbern ausgewählt, und das Gebäude 2003 fertiggestellt. Leider verstarb Lillian Disney 1997 und erlebte das fertige Werk nicht mehr.
Heute beherbergt die Walt Disney Concert Hall das Los Angeles Philharmonic Orchestra, aber auch zeitgenössische Musik, Jazz und Weltmusik sind in der Halle zu hören. In einem eher ungewöhnlichen Schritt wurde die Halle so konzipiert, dass das Orchester und das Publikum denselben Raum einnehmen – einige Sitze sind so nah an den Musikern, dass die Konzertbesucher die Notenblätter der Interpreten sehen können. Um den Klang des Saals zu perfektionieren, arbeitete Gehry mit dem japanischen Akustiker Yasuhisa Toyota zusammen. Die Trennwände im Inneren des Saals und die wellenförmige Decke sind Teil des akustischen Systems des Raums und greifen Elemente des Außendesigns auf.
Die Walt Disney Concert Hall gilt heute als eines der bedeutendsten Beispiele für dekonstruktivistische Architektur, eine Designbewegung der 1980er-Jahre, die sich gegen Symmetrie wandte. Gebäude-Rebellion sozusagen. Wissenswertes: Ursprünglich sollte die Walt Disney Concert Hall aus Stein gebaut werden, aber nach dem Erfolg des Guggenheim Museums in Bilbao bestand das Komitee trotz Gehrys Protesten auf Metall.
Das Tanzende Haus, Prag
Dieses ikonische Prager Bauwerk wurde in Zusammenarbeit zwischen Gehry und dem kroatisch-tschechischen Architekten Vlado Milunić geschaffen. Das skurril gestaltete Bauwerk, das auf einem ehemals leeren Grundstück am Flussufer steht, wird heute vielseitig genutzt. Es gibt Restaurants, Büroräume und ein Hotel.
Nach seiner Fertigstellung im Jahr 1996 hatte der skurrile Neubau in der Prager Innenstadt ebenso viele Gegner wie Fans. Die beiden säulenartigen Strukturen des Gebäudes scheinen sich fast zu wellen, als würden die beiden Säulen im Wind tanzen. Gehry nannte das Gebäude ursprünglich »Fred und Ginger«, nach Fred Astaire und Ginger Rogers, entschied sich aber, die Idee zu verwerfen, weil er »Angst hatte, amerikanischen Hollywood-Kitsch nach Prag zu importieren«. Das Gebäude steht in scharfem Kontrast zu den Jugendstil-, Gotik- und Barockbauten, für die Prag eher bekannt ist.
Museum of Pop Culture, Seattle
Es ist eins meiner allerliebsten Museen weltweit und für Musikfans ein Muss. Das dann auch noch in der Stadt des Grunge. Eine Musikrichtung, mit der ich ja sozusagen groß geworden bin und bei der ich heute noch mitwippe.
Dabei ist das Museum selbst schon eine Sensation auf so vielen Ebenen. Eröffnet wurde es im Jahr 2000. Ins Leben gerufen wurde das Museum of Pop Culture (auch bekannt als MoPop) von Microsoft-Mitbegründer Paul Allen und trug ursprünglich den Namen »Experience Music Project«, in Anlehnung an die Jimi Hendrix Experience. Das Gebäude, das sich in unmittelbarer Nähe der Seattle Space Needle befindet, besteht aus fünf verschiedenen, gekrümmten Abschnitten, die mit 21.000 Aluminium- und Edelstahlplatten verkleidet sind. Die verschiedenen Oberflächen der einzelnen Abschnitte reagieren unterschiedlich auf das Licht und können – je nach Blickwinkel des Betrachters – ihr Aussehen verändern, was eine Metapher für die sich ständig verändernde Popkultur sein soll.
Im Inneren beherbergt das Museum eine Reihe von semi-permanenten Galerien und Wechselausstellungen. Zu den aktuellen Ausstellungen gehört Contact High: Die Geschichte des Hip-Hop in Bildern. Mit dabei einige der einflussreichsten Künstler des Genre wie Tupac und Missy Elliott konzentriert, sowie Nirvana: Taking Punk To The Masses, die den Aufstieg der Grunge-Rockband anhand von über 200 Artefakten nachzeichnet. Grunge in der Stadt des Grunge. Besser geht’s nicht, oder?