Kreta überrascht. Noch vor einigen Jahren, bevor der Fernreise-Boom einsetzte, wurde die Insel als Pauschalreiseziel abgetan. Seit einiger Zeit aber entdeckt sich die Insel neu. Besser gesagt: Individualreisende entdecken sie neu. Sie wollen nicht nur für 14 Tage in einem Hotel absteigen und sich am Strand die Vorzeige-Bräune für daheim holen. Sie wollen mit nachhaltigen Erinnerungen zurückkehren. Was mit Sicherheit gelingt, sobald man die Strände verlässt und im Inselinnern das wahre Gesicht der Insel entdeckt. Text: Stefan Weißenborn

Die Anreise. Von Deutschland aus gibt es nur zur Hauptreisezeit Nonstop-Flüge nach Kreta. Wer in der Nebensaison kommt, muss meist zwischenlanden. Von mehreren deutschen Flughäfen aus über die griechische Hauptstadt Athen fliegen Aegean Air (+30 80111 20000; ) und Olympic Air (+30 210 3550500; ) nach Heraklion, Chania oder Sitia. Condor und Tuifly bieten in ihren Sommerflugplänen Direktverbindungen in die genannten Städte. Ab März fliegt auch Eurowings auf die Insel. Ab Amsterdam nonstop fliegt auch in der Nebensaison der niederländischen Billigflieger Transavia – ab 150 Euro für Hin- und Rückflug. Inlandsflüge bieten Sky Express (+30 80111 282888) und Minoan Air (+30 2810 333183).

Strände, Berge, Höhlen

Die Insel. Kreta, 175 Kilometer westlich von Athen im Mittelmeer gelegen, ist nach der eher unbekannten Euböa mit über 600 000 Einwohnern Griechenlands größte Insel. Ihre Fläche beträgt über 8000 Quadratkilometer, ihre bergreiche Landschaft mit karibisch anmutenden Stränden, tiefen Schluchten und Bergmassiven wie die Weißen Bergen im Westen oder das Psiloritis-Massiv weiter östlich erstreckt sich bis auf 2456 Meter in den Himmel. Es gibt hunderte Höhlen, die teils besucht werden können. Die Küstenlinie misst über 1000 Kilometer, während vor allem die Nordküste mit den größten Städten Chania, Rethymno und Heraklion über eine durchgehende Straße und eine Hotel-Infrastruktur am meisten erschlossen ist und das Gros der Urlauber aufnimmt. Ierapetra im Südosten ist vor allem deshalb bekannt, weil es sich – geografisch gesehen – um die südlichste Stadt Europas handelt.

Blick aufs Meer auf Kreta

Stefan Weißenborn

Griechenland-Urlauber können die Insel auch per Fähre erreichen. Schiffe verkehren das ganze Jahr über zwischen Piräus und den Häfen von Heraklion, Chania, Rethymnon, Agios Nikolaos und Sitia. Auch von italienischen Häfen wie Venedig, Ancona oder Bari aus bestehen Verbindungen. Fährgesellschaften sind Minoan, Blue Star Ferries und Anek.

Massentourismus im Norden, Abgeschiedenheit im Süden

Die Regionen. Kreta lässt sich grob in Regionen aufteilen, nach denen sich auch die Reisenden sortieren. Während sich der Massentourismus meist im Norden abspielt, wo es auch Luxus-Resorts wie das »Elounda Mare« oder das »Daios Cove« mit Privat-Pools und Gourmet-Küche gibt, ist der Süden weit unzugänglicher und nicht im Ansatz so fancy. Die Südküste entlang zu fahren, ist schlicht unmöglich, denn eine durchgehende Straße existiert an der Steilküste nicht. Obwohl es mit Elafonisi und Preveli zwei der schönsten Strände der Insel zu entdecken gibt, wird man im Süden statt Urlauber eher Reisende treffen, die sich vorgenommen haben, die Insel zu entdecken. Ein Tipp ist dabei auch der wilde, karge Osten, wo es auch im Sommer weit ruhiger zugeht.

Die Reisezeit und das Klima. Die Insel wirbt mit 300 Sonnentagen. Wenn einen die Temperaturunterschiede zwischen Sommer und Winter nicht weiter stören, ist Kreta ein Ganzjahresziel. Nur sollte man sich darauf einstellen, dass längst nicht alle Unterkünfte über funktionierende Heizungen verfügen, was zum Problem werden kann, wenn die Nachttemperaturen selbst in den Niederungen doch mal an den Gefrierpunkt heranreichen. Grundsätzlich aber sind die Winter für mitteleuropäische Verhältnisse sehr mild. Oft wird sich der Reisezeitpunkt nach der Art des Urlaubs richten, denn die heißen Sommer eignen sich weniger für Outdoor-Urlaub als Frühjahr oder Herbst.

Bis zu 40 Grad heiß im Sommer

Wer keine Sommerhitze braucht, erlebt ab März, wenn der Frühling beginnt, Kreta bei milden Temperaturen als ein einziges Blütenmeer. Am frühesten erreichen die Gewässer Badetemperatur im Südosten, wo Kreta am wärmsten ist. In den Bergen des Westen ist es grundsätzlich kühler.

Strand auf Kreta

Stefan Weißenborn

Im Hochsommer liegen die Tageshöchsttemperaturen in Juli und August meist leicht über 30 Grad, können aber auch auf 40 Grad und mehr klettern. Die Hitze ist jedoch aufgrund der recht niedrigeren Luftfeuchtigkeit und der immerwährenden Brise nicht drückend. Ab Oktober/November, wenn die Charterflüge ihren Betrieb einstellen, verwaisen die Top-Sehenswürdigkeiten wie Knossos so langsam; eine ideale Zeit, diese bei Temperaturen von um die 20 Grad zu besuchen. Auch das Meer ist noch warm. Allerdings fängt es im Hochgebirge an zu schneien und die Schneefallgrenze sinkt auf 700 Meter. Die Ski-Saison beginnt.

Die Geschichte. Im Osten, aber auch anderen Spots, findet sich eine der wichtigsten geschichtlichen Spuren früherer Zivilisation: die Schlucht der Toten oder der wohl älteste Friedhof Kretas. Das Volk der Minoer, die Europas erste Hochkultur erschufen, schlug Höhlen in die steilen Wände der acht Kilometer langen Erdfurche und bestattete dort seine Toten; in einem unversehrten Grab fand man mumifizierte Leichname von zwei Frauen, deren Alter man auf bis zu 4300 Jahre schätzt. Am Ende der Schlucht können Überreste des Minoer-Palastes von Kato Zakros bestaunt werden.

Auf den Spuren der griechischen Mythologie

Der größte der vier auf Kreta erhaltenen großen Minoer-Bauten der Bronzezeit stand allerdings im antiken Knossos. Die archäologische Stätte südlich von Heraklion ist zentral gelegen, von der Unesco als Welterbe geadelt und heute auch aufgrund der guten Erreichbarkeit eine der meist besuchten Sehenswürdigkeiten der Insel. Einem Mythos zufolge wurde dort Minotaur, halb Mensch, halb Stier, gefangen gehalten. Ebenfalls soll König Minos direkt von der Göttern abstammen – er ist der Sohn des Zeus, der auf der Insel geboren sein soll.

Um eine der vermeintlichen Geburtsstätten des Übergotts der griechischen Mythologie zu sehen, erschließt man sich im Inselinnern – mit dem Auto oder als Aktivurlauber per Trekkingrad oder mit Wanderschuhen in Frühjahr oder Herbst, wenn die milden Temperaturen es zulassen – eine weitere typische Landschaftsform Kretas: das Hochplateau. Die Hochebenen werden aufgrund ihrer fruchtbaren und ebenen Böden für den Anbau der typischen Oliven ebenso genutzt wir für Gewürze oder Trauben. Bekannt ist das Lasithi-Plateau im Osten auf gut 800 Metern. Das Licht der Welt soll Zeus in der dortigen Diktäischen Grotte von Psychro erblickt haben. Eine weitere Höhle, von der Gleiches erzählt wird, liegt auf der von Weideland geprägten Nida-Hochebene (über 1300 Meter).

Götter sind offenbar überall. Und auch die Touristen. Denn trotz seiner versteckten Winkel und teils nur per Boot zu erreichenden Orte und Flecken an der Südküste: Kreta ist nicht unentdeckt und bedient viele Geschmäcker, auf die sich der örtliche Tourismus eingestellt hat: Sonnenanbeter, Landschaftsfreaks, Outdoor-Freunde, Bildungsreisende, Leckermäuler, den Luxus liebende Hedonisten.

Schöner schlafen auf Kreta

Die Unterkunft. Nach Kreta kann man reisen, ohne vorher ein Hotel oder Zimmer gebucht zu haben. Noch in dem kleinsten Dorf gibt es Unterkünfte zu mieten. In der Hochsaison zwischen Juli und August, kann es sicherer sein, schon von zu Hause aus über einen Veranstalter alles festzuzurren.

Hotelanlage mit Pool am Meer auf Kreta

Stefan Weißenborn

Das Spektrum der Unterkünfte ist breit: Von alten kretischen Natursteinhäusern im Landesinnern bis zu den absoluten Luxusresorts ist alles dabei. Es gibt über die Insel verteilt über ein Dutzend Campingplätze und etliche Ferienwohnungen. Spezialanbieter sind zum Beispiel kreta-ferienwohungen.de oder kreta-reisen.de.

Äußerst günstig mit Übernachtungskosten teils unter zehn Euro sind die Jugendherbergen, die es unter anderem in Heraklion gibt (Tipp: archäologisches Museum; heraklion-crete.org/archaeological-museum), Sitia (Tipp: die byzantinische-venezinianische Festung »Kazarma«), Rhethymno (Tipp: Kretas schönster Hafen aus venezianischer Zeit) oder Plakias (Tipp: Ausflug zum oberhalb gelegenen Bergdorf Mirthios). Weit über 100 Euro selbst in der Nebensaison werden dagegen in der »Casa Delfino«, einer Villa aus dem 17. Jahrhundert in Chania fällig. Nur über das Wasser ist das Hotel »Porto Loutro« in einer hübschen Bucht an der Südostküste erreichbar. Einige Kilometer weiter östlich befindet sich das »Vritomartis«, Kretas einziges FKK-Resort.

Morgens im Kaffeehaus, mittags in der Taverne speisen

Das Essen. Die Kreter behaupten, ihre Küche sei die gesündeste der Welt. Eine der gesündesten dürfte stimmen, denn Fleischmassen wie beim örtlichen Griechen hierzulande stehen weniger auf dem Essensplan als jede Menge an Hülsenfrüchten, Kräutern, Getreide und Olivenöl. Diese dienen als Grundzutaten für viele der leckeren, oft auch vegetarischen Gerichte. Zudem wird essen nicht heiß, sondern lauwarm serviert, was es verträglicher macht. Dass die Kreter länger leben als viele Menschen, könnte ein Beleg für die Güte ihres Essens sein.

Allerdings ist man vor einem Continental Breakfast, wie es in vielen Hotels am Morgen als Büfett angeboten wird, auch in Kretas Unterkünften nicht gefeit. Wer dies umgehen mag, kann das Frühstück einfach außerhäusig in einem der Kaffeehäuser – Kafeía – einnehmen. Oder man kauft sich in einer der Konditoreien – Sácharoplastíon – etwas auf die Hand.

Zur Mittagszeit wird eine der über alle Orte und Städte der Insel verstreuten Tavernen aufgesucht, in denen es Griechischen Salat gibt, Fischgerichte, Meeresfrüchte, verschiedene Sorten Oliven, überbackene Auberginen oder die berühmte Mousakás gibt, ein Auslaufgericht, das Hackfleisch und Béchamelsauce enthält und variierende Gemüsesorten.

Essen auf Kreta

Stefan Weißenborn

Zum Abschluss einen Ráki

Die Speisekarten sind aufgrund des schon lange auf der Insel florierenden Tourismus meist auch auf Englisch verfasst, die Beträge enthalten Mehrwertsteuer, nicht aber das Trinkgeld. Hier werden um die zehn Prozent des Rechnungsbetrages erwartet. Wer abends feiner essengehen möchte, findet in einem Restaurant – Estiatório – Gelegenheit; spezielle Fischlokale nennen sich Psárotavérna.

Gereicht wird immer eisgekühltes Leitungswasser, von dem empfindliche Naturen vor allem auf dem platten Land besser Abstand nehmen sollten. Nur zum Essen verköstigen die Kreter Wein, bekannte Inselsorten sind Láto, Minós, Malvasia oder Moschato Spinas. Noch bekannter ist allerdings der Ráki, der anders als der gleichnamige türkische Anisschnaps aus Weintrester destilliert wird.

Action und Abenteuer. Wer nicht nur am Strand liegen, sondern aktiv werden möchte, hat mehr Optionen als Sandburgen zu bauen oder Beachball zu spielen.

Autos in den Bergen auf Kreta, Ziegen

Stefan Weißenborn

Das Angebot an Wassersportmöglichkeiten ist groß. Vor allem in der Nähe der großen Hotels an der Nordküste werden Kanus, Tretboote oder Surfbretter verliehen. Teurer wird es, wenn man Wasserski fahren oder beim Parasailing hinter einem Boot abheben möchte. Ebenfalls im Norden konzentrieren sich die Tauchbasen, die mehrtägige Kurse zum Erwerb von PADI- oder CMSA-Brevets sowie Tauchtouren anbieten.

Inselhopping per Bootsausflug

Organisierte Bootsausflüge führen zum Beispiel zur traumhaften Laguna Balos im Nordwesten oder zum Preveli-Strand an der Südküste, wo die gleichnamige palmenbestandene Schlucht endet. Auch auf Europas südlichste Insel, Gavdos, werden je nach Wind und Wetter Trips angeboten. Und Spinalonga, eine kleine Insel nördlich von Elounda wird ebenfalls angesteuert. Das Eiland wurde vor allem bekannt, weil hierhin noch bis in die Fünfzigerjahre Leprakranke verbannt wurden.

Jenseits des Wassers ist Kreta ein ideales Ziel für Wandertouristen. Der europäische Fernwanderweg E4 führt als Wegenetz einmal quer über die Insel, beginnt in Kissamos und endet in Kato Zakros im Osten. Er kann von Quartier zu Quartier beschritten werden, es gibt Schutzhütten, die teils auch bewirtschaftet werden, Vornameldungen über Alpinclubs empfehlen sich.

Spezialanbieter haben entsprechende Reisen im Programm. Die Etappen spiegeln die landschaftliche Vielfalt wider und führen durch tiefe Schluchten (es gibt über 400 auf Kreta!) und dichte Pinienwälder, über Hochebenen wie das Omalós-Plateau, aber auch entlang bezaubernder Strände wie den von Elafonisi oder auf Berggipfel wie den des Gigilos auf 1980 Metern. Allerdings erfordert das Wandern auch guten Orientierungssinn, denn die Beschilderung der Wege ist teils dürftig.

Wandern und staunen in der Samariá-Schlucht

Wer nicht tagelang wandern möchte, kann als eine der beeindruckendsten Natursehenswürdigkeiten die Samariá-Schlucht in den Ausläufern der Weißen Berge wählen, die von Mai bis Oktober betreten werden darf. Bei Xiloskalo, 70 Kilometer südlich von Chania, erhält man gegen eine Eintrittsgebühr Zutritt. Die Schlucht ist 18 Kilometer lang und endet am Libyschen Meer. In Staunen versetzt vor allem die »Eiserne Pforte«, eine Engstelle, wo die Schlucht am Grund nur sechs Meter breit ist, die Felswände rechts und links aber bis zu 600 Meter hoch.

Wanderweg auf Kreta

Stefan Weißenborn

Auch für Freunde des Klettersports warten jede Menge Möglichkeiten. Auf Kreta gibt es Klettervereine, die Touren organisieren – etwa zur Ha-Schlucht, Tsoutsouras- oder Kalami-Schlucht. Ausgangspunkte für Klettertouren sind unter anderem Agiofarago, Voulismeno Aloni, Therisso, Kalathas Stavros, Plakias, Latzimas oder Kofinas.

Und natürlich haben längst auch Radreisende die Insel entdeckt – das Angebot ist mittlerweile sehr professionell. So bietet Crete Cycling  Trainingslager für Rennradfahrer ebenso an wie Mountainbike-Touren für Fortgeschrittene. Weitere Anbieter von Radreisen sind zum Beispiel Pedalo oder Radissimo. Ebenfalls einen Blick wert sind Touren über Kreta mit einem Ranger Rover Evoque.

Skifahren im Winter

Weniger bekannt, aber angesichts des gebirgigen Charakters der Insel, wo mancher Gipfel bis in den Juli hinein eine Schneehaube trägt, naheliegend, sind die Wintersportmöglichkeiten: Die Bergsteigerclubs bleiben in der kalten Jahreszeit aktiv und organisieren Schneeschuhwandern ebenso wie Tourenski-Trips. In Ermangelung von Liftanlagen ist diese Wintersportart oft die einzige Möglichkeit, den Berg hochzukommen und bietet obendrein die einsameren Abfahrten. Beliebte Areale sind die Weißen Bergen oder das Ida-Massiv mit seinem 2456 Meter hohen Timios Stavros. Teils wird alternativ zum Paragliding im Sommer auch der Trend-Freizeitsport Snowkiting angeboten, bei der Snowboarder oder Skifahrer mit einem Zugdrachen abheben und die vielleicht noch bessere Aussicht auf das blaue Mittelmeer haben.

Persönliche Tipp. Wer auf Kreta richtig runterkommen möchte, dem sei Milia Mountain Retreat in den Bergen Westkretas empfohlen. Milia war einmal ein Dorf, wurde dann, wie so manche Siedlung an abgelegenen Flecken der Insel, verlassen, bis zwei Griechen auf die Idee kamen, es als Ökodorf für Touristen wieder aufzubauen. Der Strom wird per Solaranlage erzeugt, das Gemüse selber angebaut und der Biomüll als Dünger zurück in den Kreislauf gegeben. Klar, dass es in den einfach, aber stilvoll im historischen Stil eingerichteten Steinhäusern keinen Fernseher gibt. Famos ist die Küche, viele leckere, auch vegetarische Gerichte stehen auf der Speisekarte; Brot wird vor Ort lebst gebacken. Fantastisch ist die hausgemachte Mousakás. Und immerhin: Obwohl so abgelegen, sind es vom Dorf bis zum Traumstrand Elafonisi nur rund 45 Minuten mit dem Auto. (milia.gr/de/)

Weitere Informationen. Griechische Zentrale für Fremdenverkehr, Tel. 069/257 82 70. Das Fremdenverkehrsbüro von Kreta informiert hier.