Memphis ist weder eine besonders wohlhabende Stadt, noch würde der Durchschnittstourist sie als schön bezeichnen. Die Stadt ist voller Brüche, sie hat mit Gewissheit einige schlechte Viertel und finstere Kapitel der amerikanischen Historie wurden hier geschrieben. Gleichzeitig gilt die Stadt als Wiege des Rock’n’Roll. Unser Reise-Guide für die Stadt. Text: Ralf Johnen

Infos, Anreise, Orientierung. Memphis wurde 1819 gegründet und zählt etwa 650 000 Einwohner, mit Metropolregion sind es 1,26 Millionen. Die Stadt liegt im Südwesten des US-Bundesstaats Tennessee am Mississippi. Nonstop-Flüge aus Deutschland gibt es nicht, am besten steigt man in Chicago, Toronto oder Washington um. Tickets kosten bei rechtzeitiger Buchung ab 700 Euro. Für Memphis sollte man zwei bis drei Tage einplanen, einen möglichen Stundenplan gibt es hier.

Orpheum in Memphis Downtown

photosounds/ Shutterstock.com

Geburtsstätte des Rock’n’Roll und die Heimat von Elvis Presley

Doch Memphis war schon immer innovativ: Nach inoffizieller Geschichtsschreibung wurden hier zunächst der Supermarkt (Piggly Wiggly, 1916), dann das Motel (Holiday Inn, 1952) und schließlich die effiziente Zustellung von Paketen über Nacht ( Federal Express, 1971) erfunden. Vor allem aber ist Memphis die Geburtsstätte des Rock’n’Roll und die Heimat von Elvis Presley. Zudem wurde hier die Soul-Musik in neue Bahnen gelenkt und auch der Blues wäre ohne die Stadt kaum vorstellbar. In Memphis leben mehr als 63 Prozent Afroamerikaner, deren Vorfahren nach der Abschaffung der Sklaverei aus dem tiefen Süden ihr Glück in der Metropole am Mississippi gesucht haben.

Die meisten Menschen besuchen Memphis, um Elvis Presley zu huldigen und Graceland zu besuchen. Musikhistorisch wichtig aber sind auch das Sun Studio und Stax Records mit Isaac Hayes, Booker T und Otis Redding. Doch Memphis ist auch die Heimat von Alex Chilton und Big Star, Ardent Records, Tav Falco und James Luther Dickinson, die gemeinsam der Indie-Musik späterer Jahrzehnte den Weg geebnet haben.

Elvis Presley Statue in Memphis

f11photo/ Shutterstock.com

Übernachtungstipp: Guesthouse at Graceland

Übernachten. Guesthouse at Graceland. Der Name verspricht die Heimeligkeit und übersichtliche Größe eines Bed & Breakfast. Das aber entspricht in unmittelbarer Nachbarschaft zur Villa des King of Rock’n’Roll natürlich nicht der Realität. Die Unterkunft jedoch ist recht charmant: sie hat maßvoll glamouröse Zimmer mit sparsamen Elvis-Referenzen. Die Betten sind breit und bequem. Außerdem gibt es einen Shuttle zum Kassenhäuschen von Graceland. Toll – aber unnötig, denn der Eingang zum Themenpark befindet sich schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite. 3600 Elvis Presley Blvd, Memphis Tel. 901 443 30 00, Zimmer ab 150 $/Nacht.

Lobby des Guesthouse Graceland in Memphis

The Guest House at Graceland

Graceland und Stax Museum

Verkehrsmittel. Memphis besitzt ein anrührend schönes Straßenbahnsystem: Auf drei Linien und insgesamt 13,3 km verkehren alte Triebwagen, die zum Teil aus Porto, Rio und Melbourne stammen. Tickets kosten ein Dollar pro Fahrt.

Sehenswürdigkeiten. Graceland. Kurz nach seinem Durchbruch hat sich Elvis 1957 für 102 500 US-Dollar ein Anwesen in seiner Heimatstadt gekauft: Graceland wurde 1892 im Neokolonialstil errichtet und sollte bis zu seinem Tod 1977 sein Zuhause bleiben. Die im Süden von Memphis gelegene Villa belegt auf der Liste der meistbesuchten Häuser der USA mit jährlich 650 000 Fans Rang zwei nach dem Weißen Haus.

Touristen vor dem Graceland-Haus in Memphis

jejim/Shutterstock.com

Touristen haben die Wahl aus mehreren Paketen, zu denen auch der Besuch eines Museums- und Ausstellungskomplexes gehört. Wer sein Geld unbedingt loswerden möchte, kann neuerdings eine VIP-Tour buchen, zu deren Privilegien der Transport in einem Kleinbus und ein gestelltes Fake-Foto mit dem toten Künstler gehören. 3765 Elvis Presley Blvd., wechselnde Öffnungszeiten, mindestens tgl. 9–16 Uhr, Eintritt 39,75/19 bis 169 $ (Parken 3717 Elvis Presley Blvd., 10 $)

Stax Museum. Das Plattenlabel hat den »Memphis Sound« erfunden, eine der prägenden Stilrichtungen des Soul. Definiert wurde er von Künstlern wie Otis Redding, Booker T. & the MGs, Sam & Dave, und den Staple Singers, die allesamt auf Stax veröffentlicht haben. Größter Star war Isaac Hayes, dessen Verdienste das Unternehmen mit der Gründung seiner eigenen Marke honoriert hat: Enterprise Records. Hayes war vorrübergehend so reich, dass er sich seinen 72er Cadillac Eldorado zum Teil hat vergolden lassen. Der Wagen steht heute im Museum. 926 E. McLemore Ave., Tel. 901 942 76 85,  Di–So 10–17 Uhr, Eintritt 13/10 $

Eingang des Stax Museums in Memphis

Pierre Jean Durieu/ Shutterstock.com

Beale Street: Memphis Vorzeigestraße für guten Sound

Beale Street. Schon in den 20er Jahren waren die Clubs und Bars der Beale Street Auftrittsorte für die Protagonisten des Blues. Von Louis Armstrong über Muddy Waters bis zu B.B. King erfreuten alle ein fachkundiges Publikum. Heute ist Beale Street eine mit bunten Neonreklamen ausstaffierte Vorzeigestraße mit autofreiem Kernstück, in deren Lokalen immer noch Musiker auf der Bühne stehen.

Für viele aber ist die ehrwürdig abgerockte Straße nicht mehr als eine Partymeile. Gute Adressen sind das Rum Boogie Café (182 Beale St.), B.B. King’s House of Blues (143 Beale St.) und Silky O’Sullivans (183 Beale St.). Das New Daisy Theatre (330 Beale St.) ist eine Premiumadresse für Musiker, die auch andere Genres vertreten.

Die Beale Street in Memphis tagsüber

f11photo/ Shutterstock.com

Sun Studio: Wo Elvis, Johnny Cash und Roy Orbison ihre Platten aufnahmen

Sun Studio. Ein musikhistorischer Ort von kaum zu überschätzender Bedeutung und bis heute nur maßvoll kommerzialisiert: 1950 hat Samuel Cornelius Phillips den Memphis Recording Service ins Leben gerufen. Zwei Jahre später folgte mit Sun Records sein eigenes Label. Heute gilt der einstige Hobbymusiker als Wegbereiter des Rock’n’Roll. Im Sun Studio nahmen neben Elvis auch Johnny Cash, Carl Perkins, Jerry Lee Lewis und Roy Orbison ihre ersten Platten auf.

Seit 1987 dient das kleine Studio in nahezu unveränderter Form als Museum, nach dem Ende des Publikumsverkehrs können Musiker aber auch wieder ihre Songs hier aufnehmen. Das betriebsame Café und der Museumsshop stehen Fans auch ohne Tickets offen. Im Plattenladen ist ein guter Teil des Back-Katalogs erhältlich. 706 Union Ave., Tel. 901 521 06 64, tgl. 10–18 Uhr, Eintritt 14 $.

Aussenfassade der Sun Studios in Memphis

f11photo/ Shutterstock.com

Tipp: Das Sun Studio betreibt für Besucher einen kostenlosen Shuttle nach Graceland. So können Parkplatzsuche und Parkgebühren umgangen werden. Die Busse verkehren tgl. zwischen 10–18.30 Uhr, ein Trinkgeld allerdings gilt als obligatorisch.

National Civil Rights Museum

National Civil Rights Museum. Am 4. April 1968 wurde Martin Luther King auf dem Balkon vor seinem Zimmer im Lorraine Motel erschossen. Der überzeugte Pazifist wurde nur 39 Jahre alt. Mit ihm starb der wichtigste Wortführer der Bürgerrechtsbewegung, die 1964 durch die Unterzeichnung des Civil Rights Act durch Präsident Johnson das faktische Ende der Segregation in den Südstaaten erkämpft hatte. Kings Ermordung durch einen weißen Rassisten markiert eine Zäsur in der amerikanischen Geschichte. Sein Wirken und sein Einfluss auf seine Zeitgenossen werden in dem einstigen »Motel für Farbige« auf intensiv schmerzhafte Weise abgebildet. 450 Mulberry St., Tel. 901 521 96 99, Mi–Mo 9–17 Uhr, Eintritt 16/13 $

Zwei Oldtimer vor Museum in Memphis, USA

f11photo/ Shutterstock.com

Tipps zum Essen und Trinken in Memphis

Charlie Vergos’ Rendezvous. Das wohl bekannteste Lokal der Stadt serviert seit 1948 Rippchen und andere Fleischgerichte. Nicht übermäßig gesund, aber gut. 52 S. 2nd Street, Di–Do 16.30–22.30, Fr, Sa 11–23 Uhr.

The Arcade. Das älteste Restaurant der Stadt firmiert als Allzweck-Diner. Auf den Teller kommen Omeletts, Pizza, Burger und Salate. Nice! 540 S Main St, Tel. 901 526 57 57, So–Mi 7–15, sonst bis 22 Uhr.

Flying Saucer Draft Emporium. Nettes Lokal in der Nähe von Beale Street, wo an schwülheißen Tagen die Ventilatoren an der Decke rotieren. 130 Peabody Place, tgl. 11–0, Fr, Sa bis 2 Uhr.

Memphis Made Brewing. Sympathische Mikro-Brauerei mit Lagerhallenromantik und Flipper-Automaten. 768 S. Cooper St., Tel. 901 207 53 43, Do, Fo 16–22, Sa 13–22, So 13–19 Uhr.

Portion Chicken Wings in Restaurant in Memphis

f11photo/ Shutterstock.com

Angesagte Ausgehviertel in Memphis

Interessante Viertel. Overton Square – das Ausgehviertel von Midtown Memphis. Hohe Restaurantdichte, einige Theater und Geschäfte, die es in den Malls nicht gibt. Sehr angenehm. Ecke Cooper St./Madison Ave.,

Cooper/Young. Das definitiv netteste Ausgehviertel von Memphis mit Restaurants, Cafés, Brauereien, Geschäften und Galerien. Wie so oft in den USA ist das Viertel nach den beiden Straßen benannt, die sich in seiner Mitte kreuzen. Cooper St. zwischen Walker und Central Ave.

Brauerei in angesagtem Nachtviertel in Memphis

Mont592/ Shutterstock.com

Shoping im Bass Pro Store und in Crosstown Concourse

Bass Pro Store. Memphis wurde nach einer ägyptischen Stadt benannt – und Amerika wäre nicht Amerika, wenn nicht auch hier wenigstens eine Pyramide gebaut worden wäre. Sie ist 1991 vollendet worden und 98 Meter hoch. Als Veranstaltungszentrum ist das Bauwerk gescheitert. Seit 2015 beherbergt es einen der größten und spektakulärsten Outdoor-Stores des Welt. 1 Bass Pro Dr., Tel. 901 291 82 00, tgl. 8–22, So bis 19 Uhr

Crosstown Concourse. Memphis ist keineswegs nur Musik: Die Stadt war dank ihrer Lage am Mississippi lange ein wichtiges Handelszentrum. 1927 hat die Kaufhauskette Sears hier ein Verteilungszentrum aus Backstein errichtet. Das im Art-déco-Stil gebaute Warenhaus hat die Größe einer Kleinstadt. Anfang der 1990er wurde der Bau nicht mehr benötigt und ausgemustert. Zwei Künstler jedoch haben einen Wiederbelebungsversuch gestartet. Seitdem befinden sich hier Ateliers, Studios, Geschäfte und Restaurants. 1350 Concourse Ave., Tel. 901 203 83 00.

Treppenstufen in Kaufhaus in Memphis

Mont592/ Shutterstock.com

Weitere Informationen. Memphis Visitor Center. 3205 Elvis Presley Blvd., Tel. 901 543 53 33, , tgl. 9–18 Uhr (Okt.–März bis 17 Uhr) oder beim Tennessee State Welcome Center in der 119 N. Riverside Dr., Tel. 901 543 53 33, tgl. 9–18 Uhr (Okt.–März bis 17 Uhr).

Parken in Memphis. Mit über 40 000 Parkplätzen zu niedrigen Tarifen ist Downtown Memphis sehr autofahrerfreundlichen, nur bei großen (Sport-)Events gilt es aufzupassen. Für die Beale St., empfiehlt sich das Parkhaus mit der Adresse 250 Peabody Place.

Besser nicht: Spaziergänge einplanen. Memphis ist eine Flächen- und somit eine Autostadt. Nur Beale Street, Teile von Downtown und eine Brücke über den Mississippi (»Big River Crossing«) sind etwas für Fußgänger.

Ralf Johnen in Memphis

Ralf Johnen