Paris liebt die Kunst und die Künstler lieben Paris. Die Impressionisten begannen damit, Ateliers im Umland zu beziehen. reisen EXCLUSIV-Autorin Daniela David war den Künstlern und Kunstmäzenen auf der Spur und machte dabei umwerfende Entdeckungen in diesen Künstlerorten in der Region Paris

Die wiederentdeckte Malerin: Rosa Bonheur

»Rosa wer?« »Rosa Bonheur.« Bonheur bedeutet Glück auf Deutsch. Und Glück hatte die französische Tiermalerin im 19. Jahrhundert reichlich. Der Verkauf ihres monumentalen Gemäldes »Pferdemarkt« nach Amerika erlaubte ihr, Château de By bei Fontainebleau, südlich von Paris, zu erwerben. Die selbstbewusste Künstlerin zog aufs Land und richtete sich ein Atelier ein, welches nach ihrem Tod in einen rund 120-jährigen Dornröschenschlaf verfiel.

Château Fontainebleau bei Paris

Daniela David

Dann kam Katherine Brault, kaufte das Anwesen samt Garten und eröffnete 2018 das Musée Rosa Bonheur. Nach einer hässlichen Scheidung geriet das Projekt zu ihrer Lebensaufgabe mit ambitioniertem Ziel: »Wir wollen das Giverny der Île-de-France werden!« Im Gegensatz zu Claude Monets berühmtem Landhaus in der Normandie gilt das Museum Rosa Bonheur in Thomery in der Region Paris noch als Geheimtipp.

Unglaublich, aber solche Wundergeschichten der Wiederentdeckung gibt es durchaus. Und noch wunderlicher ist es, dass das Maleratelier tatsächlich noch genauso eingerichtet ist, wie zu Rosa Bonheurs Lebzeiten (1822-1899). Gemälde, Zeichnungen und ausgestopfte Tiere füllen die Wände des hohen Saals. Das Ganze wirkt wie eine imposante Theaterkulisse: Bonheurs Papagei Coco sitzt etwas verstaubt auf einer Stange und das Fell ihrer Löwin Fatma liegt wie ein Vorleger unter der Staffelei.

Musée du Rosa Bonheur in einem der Künstlerorte in der Region Paris

Daniela David

»Tatsächlich hielt Rosa Bonheur Löwen, die frei im Garten umherliefen«, erklärt Lou Brault, die Tochter der Eigentümerin. Wohl könnte man Rosa Bonheur eine »Tierversteherin« nennen. Bewusst malte sie keine kleinen Haustiere, wie es von Frauen damals erwartet wurde, sondern große Tiere: Ochsen, Hirsche, Löwen und eben Pferde. In ihren Bildern steht das Tier im Mittelpunkt – mit all seiner Würde.

Das Leben der unkonventionellen Künstlerin, die sich eine Sondergenehmigung erstritt, um als Frau Hosen tragen zu dürfen, ist im Musée Rosa Bonheur konserviert. Eine einmalige Gelegenheit, die Atmosphäre eines authentischen Malerateliers aus dem 19. Jahrhundert zu erfahren. Nur Rosa fehlt. Oder kommt sie gleich zur Tür herein?

Großbürgerliche Lebenswelt des Gustave Caillebotte

Die Spur der Künstler führt weiter – hin zu dem bedeutenden Maler des Impressionismus: Gustave Caillebotte (1848-1894), den es für viele noch zu entdecken gilt. Manche kennen sein großformatiges Gemälde »Straße in Paris bei Regen«von 1877, das zu einer Ikone des Impressionismus geriet. Die ungewohnte Perspektive lässt an Fotografie denken.

Hut und impressionistisches Bild in der Maison Caillebotte bei Paris

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In der Maison Caillebotte, im rund 20 Kilometer südlich von Paris gelegenen Yerres, taucht der Besucher in die elegante Wohnkultur des wohlhabenden Künstlers ein. Immer wieder zog er sich in das strahlend weiße Sommerhaus seiner Familie zurück. Eine edel gedeckte Tafel empfängt den Besucher gleich am Eingang, es folgen feine Salons und ein grünfarbenes Schlafzimmer im Stil des Empire.

Doch was einen besonders in den Bann zieht, ist das nachgestellte Atelier, in dem der Künstler gezeichnet und gemalt hat. Daneben arbeitete Gustave Caillebotte auch als Bootskonstrukteur und Gärtner. Einige seiner Bilder zeigen Szenen im Garten. Dort wachsen heute noch Jahrhunderte alte Platanen und Libanon-Zedern. 15.000 Blumen sprießen in Weiß und Rot, den Lieblingsfarben des Malers. So gerät der Spaziergang in dem gepflegten, elf Hektar umfassenden Park zu einer imaginären Wanderschaft durch Caillebottes Gemälde.

Künstlerorte in der Region Paris: Die Maison Caillebotte

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Eng war er mit den Großen des Impressionismus befreundet, darunter Monet, Manet, Renoir, Pissarro und Degas. Ob sie gemeinsam durch den Garten flanierten? Die gebogene Brücke jedenfalls soll sich Claude Monet bei Caillebotte abgeschaut haben. In Giverny wurde sie dann berühmt.

Die impressionistischen Gemälde, welche heute Millionenbeträge erzielen, kamen anfangs in Frankreich nicht gut an. Gustave Caillebotte kaufte viele dieser Bilder, um seine Freunde finanziell zu unterstützen. Nach seinem Tod vermachte er mehr als 50 Kunstwerke dem französischen Staat, die heute in den Pariser Museen zu bewundern sind. In der Maison Caillebotte lernt man einen außergewöhnlichen Maler und zugleich einen großen Mäzen der Kunstgeschichte kennen.

Der Wald der Künstler: Barbizon

Schon die Wegbereiter des Impressionismus wollten raus aus den Ateliers, weg von Paris, um erstmals unter freiem Himmel zu malen. Magisch zog sie der Wald von Fontainebleau an. Authentisch und ursprünglich sollten die Sujets der Landschaftsmaler von Barbizon sein, so ihr Credo. Da kamen Courbet, Daubigny, Corot, später Renoir und Monet, auch Rosa Bonheur malte hier.

»Wir können ihre Bildmotive direkt im Wald wiederfinden«, versichert Jean-Pierre Cojan von den »Amis de la forêt de Fontainebleau« (»Freunde des Waldes von Fontainebleau«). Der Franzose führt Natur- und Kunstinteressierte durch das ausgedehnte Waldgebiet. Vor einem Berg mystischer Sandsteinfelsen zeigt er auf seinem mitgebrachten Tablet ein Gemälde aus dem 19. Jahrhundert. Es bildet eben diese markante Stelle ab. »Schauen Sie, obwohl wir längst das 21. Jahrhundert schreiben, sind Bäume und Steine deutlich zu erkennen.« Und für einen Moment ist die kreative Energie dieses mystischen Waldes zu spüren, die einst die Maler an diesem Ort beflügelte.

Foret de Fontainebleau, ein Ort für Künstler bei Paris

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Barbizon, das berühmte und dennoch beschauliche Dorf am Rande des Waldes von Fontainebleau, lebt mit der Kunst. Abbildungen von Gemälden an den Hausfassaden erinnern an die weltbekannten Einwohner des Künstlerdorfes. Vorreiter der »L‘École de Barbizon«, der Schule von Barbizon, war Jean-François Millet (1814-1875). Wer sein Atelier in der Grande Rue betritt, atmet die Atmosphäre der ersten Stunde moderner Malerei. Unverändert hängen in dem privaten Museum die Originale an den Wänden. Viele zeigen den Menschen – eingebunden in die Natur. Und beinahe glaubt man, Millet vor der Leinwand am Fenster seinen Pinsel in die Farbe tunken zu sehen.

Musee Millet in Barbizon

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Inzwischen strömen die Künstler wieder nach Barbizon. Lionel Bensemoun, der frühere Besitzer des einstigen Top-Nachtclubs »Le Baron« in Paris, hat im Dorf das der Kunst gewidmete Konzepthaus »La Folie Barbizon« geschaffen, in dem Artists in Residence arbeiten. Neugierige Besucher sind willkommen.

Es herrscht eine lässige Atmosphäre mit offenen Türen, Secondhandsesseln, Pflanzen und Kunstwerken. Irgendjemand spielt Klavier. Nach dem vegetarischen Essen im hauseigenen Restaurant versuchen sich Gäste selbst in der Kunst. Die Keramikerin Thalia Dalecky lehrt sie, aus einem Tonbatzen eine Skulptur zu kreieren. Der künstlerische Zauber von Barbizon lebt fort.

Augen der Nacht im Château de Fontainebleau

Rührt das alles von der Energie des Forêt de Fontainebleau, dem Wald, in welchem schon der Sonnenkönig und später auch Napoleon Bonaparte jagte – mit einem Château, das zu den herrlichsten Schlössern Frankreichs zählt?

In den royalen Gemäuern atmet man die ganze Pracht der Renaissance-Künstler tief ein. Besonders eine Führung bei Nacht durch das raffiniert beleuchtete Château de Fontainebleau regt die Sinne an. In der »Galerie des Cerfs«, einer 74 Meter langen Galerie mit Jagdtrophäen, beäugen stolze Hirsche mit ihren dunklen Augen die nächtlichen Eindringlinge.

Nächtliche Tour durch das Chateau Fontainebleau

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Kunst der Spitzenklasse: Château de Versailles

Als Gesamtkunstwerk für sich präsentiert sich die Schlossanlage von Versailles, weltberühmt und zahlreich besucht. Doch abseits der Hauptbesucherroute tritt man auf einer geführten Tour in die intime Lebenswelt der Marie-Antoinette ein. In ihren privaten Räumen griff die Königin sogar selbst zum Pinsel. Eine verkannte Künstlerin auf dem Thron?

Um ihrer Liebe zur Natur zu frönen, ließ Majestät das »Hameau de la Reine« anlegen, ein idealisiertes Dorf mit Tieren, Küchengarten und Blumenbeeten. Die Masse der Besucher von Versailles schafft es nicht zu dem poetischen Kleinod am anderen Ende des Schlossparks. So genießt man das idyllische Landleben fast allein und fühlt sich königlich dabei.

Springbrunnen vor dem Schloss von Versailles

Daniela David

Ludwig XIV. für eine Nacht

Die Barockfreaks unter den Besuchern arrangieren sich einmal im Jahr selbst zu Kunstwerken. Wenn der Sonnenkönig posthum zum Ball ruft, strömen Kostümierte selbst von Übersee in den herrschaftlichsten Park Europas. Im üppigen barocken Dress stolzieren sie durch den Park von Versailles und posieren für Fotos ihrer Zeitreise. Höhepunkt der Nacht: das Feuerwerk mit Musik, sprühenden Wasserfontänen und raffinierten Lichteffekten. Dieses Event der ästhetischen Superlative goutieren dann alle Besucher gleichermaßen – ob mit oder ohne Kostüm.

Kostümball im Schlossgarten von Versailles

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In Bildern um die Welt reisen

Auf eine Zeitreise der anderen Art begibt sich der Besucher im Musée départemental Albert-Kahn in Boulogne-Billancourt, im Westen von Paris. Von 1909 bis 1931 hat der wissensdurstige Bankier und Kunstmäzen einige Fotografen und Kameraleute in die weite Welt geschickt, um Menschen und deren Alltag festzuhalten. »Albert Kahn legte ein riesiges ‚Archiv des Planeten‘ an«, erklärt der Ausstellungskurator Julien Faure-Conorton.

In einem nach außen abschirmenden, nach innen transparenten Neubau des japanischen Stararchitekten Kengo Kuma wird diese einmalige ethnologische Sammlung an Fotos und Filmen seit dem Frühjahr 2022 großartig neu inszeniert. Tausende farbiger Autochrome in der Größe von 9 auf 12 Zentimeter lassen längst verschwundene Welten in Asien, Amerika, Afrika und Europa vor den Augen staunender Besucher wiederaufleben.

Fotoausstellung im Musee Albert Kahn

Daniela David

Auch in dem weitläufigen Museumsgarten geht es spazierend durch einen Wald der Vogesen, einen französischen, englischen und japanischen Garten auf Reisen. Verständnis für andere Kulturen wollte Albert Kahn (1860-1940) mit seinem Engagement erreichen und damit einen Beitrag zu einer friedlicheren Welt leisten.

Paris

Die Reise durch die Region Île-de-France erfährt ihre Krönung in Paris. Auf einer privaten Bootstour auf der Seine ziehen die prächtigsten Bauwerke vorüber. Von der Bibliothèque nationale im Osten bis zum Eiffelturm im Westen – überall auf den Quais picknicken die Menschen. Der Fluss pulsiert als Halsschlagader durch die Stadt, die selbst ein Kunstwerk ist.

Am besten mit einem Glas Champagner in der Hand wandern die Augen über dieses lebendige Freiluftgemälde und verharren plötzlich: vor einer Staffelei stehend schwingt am Ufer ein Maler den Pinsel – mit Blickrichtung Seine. Am Ende landet der Gast vielleicht in dieser kunstliebenden Welt noch mitten in einem Gemälde…

Kunstwerke von Künstlern in Paris

Roman Kraft

Infos & Tipps zu den Künstlerorten bei Paris

Fontainebleau

Das Château Rosa Bonheur in Thomery bietet in den authentischen Räumen der Malerin geschmackvolle Gästezimmer zum Übernachten. Das Museum selbst ist nur mit einer geführten Tour zu besichtigen.

Zum 200. Geburtstag von Rosa Bonheur findet im Musée d’Orsay vom 18.10.2022 bis 15.01.2023 eine Ausstellung (auch mit Gemälden aus den USA) statt.

Obwohl Fontainebleau nur 16.000 Einwohner zählt, bietet es ein reiches kulturelles und gastronomisches Leben. Wer es anspruchsvoll liebt, lässt sich im L’Axel die kreativen Gerichte des japanischen Küchenchefs Kunihisa Goto auftischen, ein Künstler der neu interpretierten französischen Küche.

Im La Folie Barbizon kann man nicht nur gut vegetarisch speisen, sondern auch in individuell gestalteten Gästezimmern übernachten.

Das Hotel Victoria in Fontainebleau bietet modernisierte Zimmer mit ökologischem Anspruch.

Versailles

Gediegenes Wohnen im Grünen im Fünf-Sterne-Hotel Trianon Palace, direkt am Garten von Versailles gelegen. Die nächtlichen Licht- und Wasserspiele mit Feuerwerk sind von dort fußläufig zu erreichen.

Wunderschön im Grünen – in einer ländlichen Atmosphäre im Park von Versailles – kann man gut speisen im La petite Venise.

Paris

Le Chouchou ist ein stylisches Hotel mit Bühne und Läden.

Stilvolles Essen unter Arkaden, direkt an der Place de la Concorde, im Café Lapérouse.

Weitere Informationen findet ihr bei der Region Paris.