Das ist doch die berühmte Blumeninsel, auf der Cristiano Ronaldo aufgewachsen ist? Mehr wusste Reporter Harald Braun nicht über Madeira, bevor er neulich zum ersten Mal vorbeischaute. Seitdem hat sich einiges verändert – sein Verhältnis zu Bananen zum Beispiel.

Ich bin kein Freund von Cristiano Ronaldo. Zu perfekt der Waschbrettleib, zu angestrengt seine Attitüde, zu eitel sein Gesamtauftritt. Wer nicht weiß, wer Cristiano Ronaldo ist, und das kann ja in einem Reisemagazin schon mal vorkommen: Er ist ein portugiesischer Fußballer. In guten Zeiten war er der zweitbeste Kicker der Welt. Im Moment verkauft er seinen alternden Körper und ein bisschen auch seine Seele in Saudi-Arabien. Wie gesagt: Ich bin kein Fan.

Prominente »Begegnungen« am Flughafen

Als ich am Cristiano-Ronaldo-Flughafen in Funchal auf Madeira lande, habe ich allerdings ein wenig Mitleid mit ihm. Nicht, weil der Flughafen seit dem 29. März 2017 nach ihm benannt worden ist. Das ist Helmut Schmidt in Hamburg, Franz Josef Strauß in München und John F. Kennedy in New York schließlich auch schon widerfahren. Nein, es ist die Büste mit seinem Konterfei, die am Flughafen Besucher aus der ganzen Welt begrüßt. Das also soll der Botschafter der Insel sein? Ein essigsauer dreinschauender Kantenkopf mit angeklatschtem Haupthaar? Angeblich soll die erste Version der Büste noch lachhafter gewesen sein und an Chucky, die Mörderpuppe, erinnert haben. Die aktuelle Variante sieht eher so aus, als wäre Leni Riefenstahl für den Feinschliff verantwortlich gewesen: Mehr idealisierter Mann-Mann als dieser Ronaldo 2.0 ist schwer vorstellbar.

Cristiano Ronaldo Büste am Ronaldo-Flughafen in Madeira

Cristina Bernardo/Shutterstock.com

Unterwegs mit der »Happy Hour Crew« in Madeira

In diesen Minuten am Flughafen stelle ich mich schon mal darauf ein, in den nächsten Tagen auf Madeira noch sehr, sehr häufig auf den portugiesischen Halbgott zu treffen. So ist das wohl, denke ich, wenn man sonst keine Berühmtheiten hat, auf die man stolz sein kann. Von wegen. Joao und Alex lachen mich aus. »Vergiss diesen Gockel einfach«, sagt Joao und winkt ab, »die meisten Leute auf Madeira lächeln hinter vorgehaltener Hand über ihn.« Die Jungs sind Anfang, Mitte zwanzig, Alex ist einer der Besitzer des Segelboots, das wir am zweiten Tag auf der Insel an der Südküste Madeiras gechartert haben. Vom Boot aus lerne man Madeira am besten kennen, behauptet Alex, der seine Firma »Happy Hour Madeira« 2021 mit einem Freund gegründet hat. Er hat zwar einen Uni-Abschluss in Business Affairs, im Tourismus sei auf Madeira allerdings deutlich mehr zu verdienen.

Alex von der Happy Hour Crew auf einem Segelboot am Ruder

Harald Braun

Funchal: In wilder Kulisse

Vom Boot aus ist gut zu erkennen, dass Madeira im Bereich seiner Hauptstadt Funchal nicht gerade aus lieblichen Landschaften besteht. Zerklüftet und abweisend wirken die gleich hinter den Küstenstreifen hoch aufragenden Berge, die Felsen steil, die Strände karstig. Madeira ist eine Vulkaninsel rund 1.000 Kilometer vom Festland Lissabons und nur rund 700 Kilometer von Marokko entfernt. Rund 250.000 Menschen leben auf ihr, mehr als die Hälfte davon in Funchal.

Ausblick auf Funchal in Madeira

Dimitry B.

Madeira: Das Zuhause der Surfer

Während wir auf dem Meer schon bald einer munteren Gruppe von Pilotwalen hinterherjuckeln, erzählt Alex, was ihm an seiner Heimatinsel am besten gefällt. Also unabhängig von den Walen und Delfinen, die sein Geschäft ankurbeln, dem fantastischen Essen, von dem er unablässig schwärmt, und der leckeren Poncha. Poncha? Dazu später mehr.

Sind es die Blumen möglicherweise, will ich wissen, die berühmte Vegetation der Insel? »Wirklich nicht«, wieder lacht Alex mich aus, »seh’ ich aus wie ein Erdkundelehrer? Nein, es sind die fantastischen Surfspots auf der Insel. Schon mal von Jardim do Mar gehört?« Klingelt da was bei mir? Zumindest ganz leise womöglich? Nein. Ich muss mir detailliert erklären lassen, dass dieser kleine Fischerort an der Westküste der Insel unter Surfern aufgrund seiner günstigen Lage für sogenannte »Point Breaks« weltberühmt ist.

»Jardim do Mar, Paul do Mar, Ponta Pequena – das sind hier heilige Orte für Surfer. Nichts für Anfänger allerdings«, sagt Alex – und er kennt sich aus. In jeder freien Minute ist er an den besten Surfspots der Insel anzutreffen. »Für Beginner und Leute, die sich noch ein bisschen verbessern könnten, würde ich allerdings die Nordküste von Madeira empfehlen. Ist sicherer.«

Ein Surfer am Wellenreiten auf Madeira

Colin Watts

Die Tipps der Einheimischen

Der Törn mit der »Happy Hour«-Crew endet nach einem halben Tag da, wo sie begonnen hat – an der Funchal Marina, dem kleinen, beschaulichen Yachthafen der Hauptstadt. Gleich ums Eck beginnt schon die malerische Altstadt Funchals.

»Vergesst nicht, die Poncha zu probieren. Wenn ihr das verpasst, wart ihr eigentlich gar nicht auf Madeira«

gibt uns Alex noch mit auf den Weg. »Aber lasst euch keine Touristenplörre andrehen.«

Madeira Food on Foot

Am nächsten Morgen treffen wir Jaqueline. Sie ist unser Guide auf einer kulinarischen Tour durch Funchal, der einzigen großen Stadt auf Madeira. Jaqueline war früher mal ein einfacher Guide, der Touristen durch die »Old Town« Funchals führte. Doch ein kulinarischer Spaziergang in Island brachte sie auf den Gedanken, so ein Unternehmen auch auf Madeira zu gründen: »Madeira Food on Foot«.

Tacos in einem Restaurant auf Madeira

Harald Braun

Eine Kulinariktour durch Funchal

Mehr als drei Stunden kreuzen wir durchs gemütliche Funchal, um uns exotische Teesorten vorstellen zu lassen, Schokolade und Kuchen zu vertilgen, Weine zu verkosten und uns nebenbei mit den wichtigsten Informationen zur Stadtgeschichte ausstatten zu lassen. Wir schauen uns die berühmte Kathedrale an der Avenida Arriaga an und fahren aus Spaß mit der populären Seilbahn vom alten Teil der Stadt hoch nach Monte. 15 Minuten dauert die Fahrt vor der Hintergrundkulisse des Atlantischen Ozeans.

Getrocknetes Obst und Gemüse auf Madeira

Mafalda Ramos

Ein Auf und Ab in der Altstadt

Der Clou: Anschließend geht’s mit einem rustikalen Korbschlitten, gesteuert von zwei sogenannten Carreiros, wieder in die Altstadt. Kurios. Aber hilfreich. Denn Funchal ist wie fast alle Orte auf Madeira nicht unbedingt fußgängerfreundlich. Wer nie im Leben bei den Bundesjugendspielen eine Siegerurkunde bekommen hat, wird bei dem ständigen Auf und Ab in der Stadt ganz sicher außer Puste geraten.

Food-Guide Jaqueline macht einen prima Job, auch wenn ihr meine ständigen Nachfragen nach der berühmten Poncha so langsam auf die Nerven gehen. »Den gibt es erst auf unserer letzten Station«, sagt sie, »vorher würde dich die Wirkung dieses Getränks ein wenig … nun ja … ablenken.« Während wir uns in einem traditionellen Restaurant in der Innenstadt eine zünftige »Espetada« schmecken lassen, denke ich darüber nach, was Jaqueline wohl damit meint. Ablenken? Wovon bloß?

Ein Blick auf die Stadt Funchal auf Madeira mit Bäumen und Taxis

Illia Panasenko

Espetada – Der Madeirenser und sein Fleischspieß

Falls sich derweil jemand gefragt haben sollte, was eine Espetada ist: Es handelt sich um einen Rindfleischspieß, der mit Lorbeer und Meersalz gewürzt wird und dann üppig über dem Tisch an einer Art Haken baumelt. So dürften Seeräuber früher gespeist haben, das Setting jedenfalls ist perfekt dafür. Der Fleischspieß wird über dem offenen Holzfeuer gegrillt und ist eine der beliebtesten Speisen auf Madeira. Was dem Wiener sein Schnitzel und dem Berliner die Bulette ist dem Madeirenser sein Fleischspieß – das habe ich an diesem Tag gelernt.

Eine Gruppe von Freunden sitzen an einem Tisch und halten ihre Fleischspieße in die Luft

Lomb/Shutterstock

Streetart: Kunterbunt in Zona-Velha

So eine Fleischspeise macht durstig, doch vor der finalen Einkehr in eine stabile Bar führt Jaqueline uns noch in die Rue de Santa Maria in der Zona Velha. Früher hätten sich in diesem abseitigen Teil der Altstadt Funchals nur Gesindel, Ganoven und andere Nachtgestalten herumgetrieben. Für den bürgerlichen Teil der Bevölkerung sei das eine Art No-go-Area gewesen, erzählt sie. Es musste erst 2010 eine Flutkatastrophe halb Madeira unter Wasser setzen, um das zu ändern.

Street-Art auf Madeira

Harald Braun

Statt alles wieder so schmucklos zu restaurieren, wie es vorher war, bat die Stadtverwaltung Künstler aus der ganzen Welt, im Rahmen eines groß angelegten Kunstprojekts die Türen des Zona-Velha-Viertels nach ihren Vorstellungen zu gestalten. So entstand dort nach und nach ein kunterbuntes Street-Art-Szenario, das mit den neugierigen Touristen auch immer mehr Bars und Restaurants anzog. Heute ist das Viertel längst ein Hotspot der Stadt. Auch Cristiano Ronaldo begegnet mir hier ständig: Als Name auf den zahlreichen Trikots, die hier in beinahe jedem zweiten Laden und in jeder Größe angeboten werden.

Poncha: Der Drink für überall und zu jeder Zeit

Am Ende der Tour landen wir dann wie versprochen in einer kleinen Bar, in der es, so Jaqueline, besonders gute Poncha geben soll. Es handelt sich, wie wir bei der Zubereitung des süßen Gesöffs lernen, um ein Gemisch aus Zuckerrohrbrand, Zitrone und Honig, dem je nach Gusto auch Maracuja, Ananas und wer weiß was noch für Säfte zugeführt werden können. Klingt harmlos, sorgt aber für amtlich Schlagseite, weil man die Wirkung des leichtgängig-süffigen Getränks völlig unterschätzt.

Das bekannte Getränk Poncha von Madeira

Mauro Rodrigues/Shutterstock.com

Ich weiß jetzt, was Jaqueline mit »ablenken« meinte. Nach dem zweiten Glas Poncha heißt die Lösung nur noch: fokussieren, Junge, fokussieren – und schnell für ein, zwei Stunden ins Hotelzimmer.

Wer sich ein Fläschchen von der feinen Poncha, die auf Madeira wirklich zu jeder Zeit und zu jedem Anlass getrunken wird, mit nach Hause nehmen will, sollte im »Pereira D’Oliveira« vorbeischauen. In diesem historischen Gebäude aus dem Jahr 1619 lagern nicht nur zahlreiche der hervorragenden Dessertweine aus Madeira, sondern auch Poncha-Bestände in allen Varianten.

Was sagt der Wetterbericht?

Reden wir über das Wetter. Das ist zwar in der Regel langweilig, wenn’s um Madeira geht, aber unerlässlich. Madeira gilt als sogenanntes Ganzjahresziel. Der Grund ist sein grandioses Klima: Es wird im Sommer nicht richtig heiß, im Winter aber auch nie wirklich kalt. Das macht vor allem Wanderer glücklich, die im Norden der Insel an den Levadas, den kleinen, von Menschen angelegten Wasserkanälen entlangwandern. Da der Süden Madeiras trockener ist als der Norden, hat man das Wasser mittels dieser kleinen Kanäle schon in den alten Zeiten von Nord nach Süd transportiert, um dort die vielen Bananenplantagen und Weinberge zu bewässern.

Eine Blume auf der ein Schmetterling sitzt, an einem sonnigen Tag in Madeira

Nadia a Maia

Heute dienen die Levadas oft als Planken, an denen sich Wanderer auf Madeira orientieren – rund 2.000 Kilometer soll das Wandernetz auf der Insel lang sein.

Ohlala, die Natur sie blüht!

Wir fahren mit dem Jeep in den Norden und stellen fest: Je höher wir kommen, umso spektakulärer zeigt sich die Landschaft – vor allem der 1999 zum Weltnaturerbe erklärte Lorbeerwald tut sich in dieser Hinsicht hervor.

Der Lorbeerwald in Madeira

Yves Alarie

In diesem Abschnitt Madeiras erschließt sich dann auch, warum man immer von der »Blumeninsel« spricht: Die Vegetation auf Madeira ist reich und vielfältig, es heißt, dass die Insel ein wahrer Schmelztiegel der Pflanzenarten sei. Hier gedeihen friedlich Gewächse aus allen fünf Kontinenten zusammen, irgendwas blüht immer.

Ein Glas Wein gefällig?

Auch im Norden der Insel wird Wein angebaut, wie wir beim Lunch auf einem der urigen Güter hoch oben in den Bergen Madeiras erfahren. Im »Quinta do Barbusano« kredenzt man uns neben den hauseigenen Weinen auch wieder eine deftige Espetada. Nur bei der Poncha winken wir ab. Ein Nachmittag Schlagseite reicht fürs Erste.

Schließlich steht heute auch noch ein Museumsbesuch an. Allerdings handelt es sich dabei um ein wirklich kurioses Bildungsinstitut.

Zu Besuch im BAM, dem Bananenmuseum von Madeira

Das BAM ist ein privat geführtes und technisch anspruchsvolles Haus auf einer Bananenfarm. Die Banane ist auf Madeira eine große Sache, auch wenn man die gut 20 produzierten Tonnen im Jahr nur für den eigenen Verbrauch nutzt und maximal noch ein paar krumme Geschäfte mit Spanien macht.

Mehrere Bananenstauden hängen in einem Raum von der Decke

Artem Zhukov

Im Centro da Banana da Madeira erklärt ein junger Farmer, der aussieht wie ein angesagter House-DJ, warum die Banane auf Madeira so eine große Bedeutung hat. Vor allem aber zeigt er uns, wie die Frucht sich im Laufe ihrer Blüte entwickelt. Unterlegt wird das im BAM mit interaktiven Aufbauten, Filmen, Folianten und nicht zuletzt mit Fotos aus den Anfängen der Bananenfarmerkunst. Interessant. Und verrückt zu sehen, wie fortschrittlich, interaktiv und unterhaltsam ein Museum sein kann, selbst wenn es nur um die Banane geht.

Ronaldo. Who?…That’s the Spirit

Bevor wir das BAM verlassen, frage ich den Bananen-DJ noch kurz nach Cristiano Ronaldo, ob man sein Hotel, das Pestana CR7 oder sein eigenes Museum gleichen Namens gesehen haben müsse. DJ Banane schaut mich kurz verblüfft an, dann grinst er bloß breit und fragt: »Wie soll der Typ heißen?« That’s the spirit.

DJ Banane steht im Bananenmuseum in Madeira

Harald Braun

INFO

Übernachten: Luxushotel direkt am Atlantik mit grandiosem Pool nahe Funchal: Savoy Palace, Av. do Infante 25, 9004-542 Funchal. DZ ab € 265 die Nacht, www.savoysignature.com

Bootstour: Private Bootstouren von Funchal aus bietet Happy Hour Madeira an. Von Sunset-Touren über Familienausflüge bis hin zu Gastronomic Tour mit privatem Koch an Bord. www.happyhourmadeira.com

Food-Tour: Zu geheimen Bars und Restaurants, die Einheimische besuchen, führen die Touren von »Madeira Exquisite Food on Foot«. In vier Stunden probiert man sich durch die Spezialitäten der Küche Madeiras.

Alles rund um die Banane finden Besucher im BAM. Von Kunst über informativ bis hin zum kleinen Shop mit netten Souvenirs. www.bam-centrodabananadamadeira.pt/de/

Mehr Infos über Madeira unter: www.visitmadeira.com