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Auf Madeira wartet im Frühjahr eine tolle Blütenpracht. Aber auch so: Die portugiesische Insel im Atlantik ist das ganze Jahr eine Reise wert. Autor Andreas Dauerer wanderte und schlemmte auf der Blumeninsel – und traf ganz viele Einheimische.

Die Banane zu hässlichem Fisch verhält sich so wie die Ankunft Reisender ohne Gepäck: Da passt einfach etwas nicht ganz zusammen – und hat doch Tradition. Zumindest, wenn wir von Madeira auf der einen und einer Anreise mit der TAP auf der anderen Seite sprechen. Nun gut, ich möchte der Airline gar nichts Böses andichten, aber sie hat sich dazu entschlossen, mir wiederholt diese Streiche zu spielen, und hey, wenn jemand eine Reise tut, so kann er anschließend auch etwas erzählen. Ein Stück weit angenehmer wird das Reisen natürlich, wenn man nach Ankunft auch den eigenen Koffer in Händen hält, aber selbst auf der Insel soll es ja Geschäfte geben, die einem bei der temporären Ausweichkleidung helfen.

Aussicht beim Urlaub auf Madeira

Andreas Dauerer

Die Geschichte grätenlosen Fisches

Doch nun zur angesprochenen Espada (Degenfisch). Jenem wirklich gruseligen Fisch, der auf Madeira über die ganze Insel verteilt sehr gerne in Maracujasoße und eben mit jener Banane, etwas unbeholfen quer darüber drapiert, kredenzt wird. »Eigentlich hat das Ganze rein gar nichts mit Tradition zu tun«, schimpft Ricardo und rudert gleichzeitig mit seinen Armen, wohl um dem Gesagten etwas mehr Nachdruck zu verleihen. Der Enddreißiger muss es wissen, schließlich ist er in der Inselhauptstadt Funchal geboren, im Osten Madeiras aufgewachsen und natürlich gab es auch in der mütterlichen Küche immer frischen Fisch.

»Der hatte aber Gräten und meine Mutter pflegte zu sagen: Ein Fisch ohne Gräten, der hat nicht nur kein Rückgrat, sondern er schmeckt auch nicht.«

Tatsächlich ist der Tiefseefisch weitgehend grätenlos und erinnert eher an eine Muräne. Wenn er dann aber so auf der eisgekühlten Markttheke liegt, mit aufgerissenem Maul und seinen spitzen Zähnen, dann kann das schon ein wenig Furcht einflößend werden. Wenn da nur nicht die geplatzten Augen wären, die einen gleichzeitig milchtrüb anblicken. Weil der Fisch tief unten mit Netzen gefangen wird, halten sie den Druckunterschied beim schnellen Einholen nicht stand. Sie platzen und auch die Haut bekommt die Schwarzfärbung, weshalb der Fisch auch spada preta genannt wird. »Aber«, räumt Ricardo ein, »das mit der Banane und dem Fisch, das ist a auch schon wieder über 50 Jahre her. Wahrscheinlich darf man deshalb auch schon ein bisschen von Tradition sprechen, und, wenn ich ganz ehrlich bin, so schlecht schmeckt die Espada auch wieder nicht.« Dann hätten wir das ja schon mal geklärt.

Essen beim Urlaub auf Madeira

Andreas Dauerer

On tour mit Ricardo und seinem Defender

Heute führt Ricardo vor allem Touristen mit einem alten Defender über die Insel. Und lässt sie ganz beiläufig an seinem Wissen teil haben. Wenn man ihn so sieht auf dem Fahrersitz, keine Kurve zu eng, kein Manöver in den winzigen Gassen zu aufwendig – und doch präzise –, dann meint man den Prinzen Madeiras beinahe höchstselbst neben einem zu haben. Auf unserer Fahrt hinauf zu den Gipfeln im Norden wird mein Körper einmal kräftig durchmassiert. Natürlich fahren wir überwiegend off road, sonst würde man den Defender nicht benötigen.

Nachdem wir kurz vor Ponta do Sol nach Norden abbiegen, dauert es keine zehn Minuten und wir stecken in dichtem Nebel fest. Ein paar junge Rothühner kreuzen unseren Weg und flattern mit einer Art gelassener Aufgeregtheit schließlich ins immergrüne Dickicht aus Farnen, Sträuchern und Eukalyptus. Immer wieder ist es der einschleppte Eukalyptus, der hier nicht nur wild wächst, sondern für die Papierindustrie auch gezielt angebaut wird. Es ist eine Krux so viel abgeholzt zu haben, dass man mit dem Aufforsten nicht mehr nachgekommen ist. Ein Ausweg schien eben jener Eukalyptus, schnell wachsend, schnell zu ernten, schnell zu monetarisieren. Nicht nur hier, sondern auch am Festland, wo er einer völlig verfehlten Forstpolitik unter anderem als Brandbeschleuniger diente. Der Baum nämlich saugt viel Wasser aus dem Boden, sodass die Umgebung wenig Schutz vor Feuer bietet.

in den Bergen von Madeira

Andreas Dauerer

Kein Besuch auf Madeira ohne eine Wanderung durch den Lorbeerwald

Wir lassen den Defender unterdessen stehen und spazieren entlang der Levada do Alecrim. Es ist einer von unzähligen Wanderwegen entlang von Levadas, jener künstlich angelegten Bewässerungssysteme, die seit dem 15. Jahrhundert die ganze Insel mit Nutzwasser versorgen. Eine ruhige Wanderung, wenig Höhenmeter, dafür mit einer dichten Vegetation über unseren Köpfen, die uns vor der Sonne schützt. Baumheide, Farne, Madeiras-Heidelbeeren oder Strauchgänsedisteln säumen den Weg und immer wieder hören wir das leichte Plätschern der Levada und Zirpen verschiedener Vogelarten. Nach einer knappen Stunde und vereinzelten Blicken hinunter ins immergrüne Tal stehen wir an einem Wasserfall, halten die Füße ins kühle Wasser und genießen die kleine Pause.

Nachdem wir den gleichen Weg wieder zurückgegangen sind, kommt das Beste zum Schluss: der Laurisilva. Ein Ausflug zum intakten Lorbeerwald ist ein Muss für jeden Inselbesucher. Am besten erwandert man sich ihn um die Gegend von Ribeira da Janela und den Wanderwegen PR13 bis PR15. Aber natürlich kann man es sich auch gemütlich machen und direkt zum Posto Florestal do Fanal fahren. Besonders mystisch wird die Szenerie in den frühen Morgenstunden. Dann ziehen Nebelschwaden durch die knorrigen, windgegerbten Äste und man könnte fast glauben, dass es spukt. Aber auch unter der Mittagssonne machen die uralten Lorbeerbäume eine gute Figur. Im Gegensatz zum Eukalyptus halten sie die Feuchtigkeit und das ist nicht nur für den Power-Wanderer überaus angenehm, sondern auch für den schnellen Besucher, um sich ein wenig vor der mediterranen Sonne zu schützen.

Lorbeerwald auf Madeira

Andreas Dauerer

Die Blicke hinunter auf Porto Moniz wandern über aberwitzig viele Grünschattierungen, die allmählich mit unzähligen Blautönen zuerst im Meer und schließlich im Horizont mit dem Himmel verschmelzen. Der ideale Zeitpunkt, um den berühmten Madeira-Wein aus der Tasche zu ziehen und mit dem süßlich-herben Tropfen den Magen zusätzlich zu wärmen.

Das ganze Jahr beste klimatische Bedingungen

Apropos Wärme. Madeira, die Garteninsel mit den schroffen Küstenabschnitten, den unzähligen Bewässerungskanälen, der wunderbaren Fauna im Meer, eignet sich rein klimatisch schon ganz wunderbar als Ganzjahresdestination. Für Outdoorbegeisterte ebenso wie für diejenigen, die inmitten einer reichhaltigen Natur ein bisschen Ruhe finden und weder frieren noch übermäßig schwitzen müssen.

Blume am Straßenrand

Andreas Dauerer

Dass für jeden etwas dabei ist, deutet sich bereits in Funchal selbst an. Quirlig, lebendig auf der einen und mit seinen vielen grünen Flecken und Parks immer wieder Ruhepol auf der anderen Seite. Das Wichtigste kann man sich an einem Tag erarbeiten. Gemütlich entlang der Avenida Arriaga in Richtung Kathedrale schlendern, auf dem Weg die Azuleos am Hotel Ritz gucken, die einiges von Madeiras Geschichte erzählen, die bunten Türen um die Rua de Santa Maria gucken und dann noch mit der Seilbahn hinauf nach Monte, um sich die botanischen Gärten anzusehen – und schon hat man die Hälfte der traditionellen Touristenhotspots durch.

Wenn Lauffaule dann mit den Carreiros de Monte, jenen alten Korbschlitten, in gut drei Minuten wieder unten an der Promenade stehen, hat man als Tourist ja quasi das abgehakt, was man an einem Tag so machen kann in Funchal. Den Abend lässt man in einem Restaurant ausklingen und natürlich kann jetzt gefahrlos auch die Poncha probiert werden. Ein Gemisch aus Zuckerrohrsaft, Zitrone und Honig, das, je nach dem, wer und wo es kredenzt wird, schon mal für eine kleine Schlagseite sorgen kann, also rein alkoholtechnisch. Das Auto bleibt also diesmal stehen und während die Sterne über mir längst funkeln, mache ich mich beseelt und auch ein klein wenig erschöpft auf den Weg in mein Hotel. Irgendwie, und ich weiß nicht, ob das am leuchtenden Firmament oder an der Poncha liegt, bin ich mir seltsamerweise ganz sicher, dass nicht nur mein Bett, sondern vor allem mein Koffer schon auf mich wartet.

Wein auf Madeira

Andreas Dauerer

Mehr Infos zu Madeira

Allgemeine Infos gibt’s im Internet unter visitmadeira.com

Reiseführer. Madeira: Die schönsten Levada und Bergwanderungen. 70 Touren mit GPSTracks von Rolf Goetz aus dem Rother Bergverlag. Das Buch enthält einen bunten Querschnitt mit den schönsten Wanderwegen über die Insel.

Anreise. Es gibt diverse Direktflüge zum Flughafen Cristiano Ronaldo in Funchal– etwa aus Berlin, München oder Frankfurt a. M. Alternativ geht’s mit Umsteigen in Lissabon.

Übernachten. Das Savoy Next ist die jüngere Alternative der Savoy Gruppe in Funchal. Besonders empfehlenswert sind die Ocean Studios inkl. Kitchenette direkt am Wasser mit Blick auf das Meer. Preise ab ca. 290 Euro inkl. Frühstück.

Unterwegs. Am besten erkundet man die Insel mit einem Mietwagen. So ist man unabhängig und sehr flexibel. Bitte aufpassen: GoogleMaps mag die kürzesten Verbindungen anbieten, die sind mitunter aber halsbrecherisch eng und auch nicht immer asphaltiert. Hier sollte man in jedem Fall im Vorfeld auch in der Unterkunft fragen, welche Route empfehlenswert ist.

Essen & Trinken. Tausendsassa Júlio Pereira betreibt gleich zwei hervorragende Restaurants. Sie liegen gerade einmal 100 Meter voneinander entfernt mitten in Funchal: Kampo und Ákua. In ersterem wird überwiegend Fleisch serviert, im letzterem geht’s vornehmlich um das Meer. Egal in welchem man landet, raffinierte portugiesische Inselküche ist stets garantiert und eine Reservierung sei in jedem Fall empfohlen.

Eine sehr gute Adresse ist zudem das Design Center von Chef Nini Andrade Silva mit Blick über den Hafen. Oder die Quinta do Furão in Santana ca. 40 Autominuten im Nordwesten. Das Weingut füllt für Blandy’s ab und hier sollte man neben den berühmten Madeira-Weinen unbedingt auch den Rum probieren.

Restaurant Kampo auf Madeira

Andreas Dauerer