Die Küstenstraßen von Nova Scotia zählen zu den schönsten Nordamerikas. Mal sind sie lieblich wie in einem Heimatfilm, mal rau wie in einer Naturdoku. Sie führen einen zu Leuchttürmen, zu heimeligen Kleinstädten und zum größten Tidenhub der Welt. Hinein ins eigene Urlaubskino – denn ein Roadtrip durch Nova Scotia gleicht einem Roadmovie. Text: Thorsten Brönner
Als Startort bietet sich Halifax an. Ist es Zufall, dass es sich die Provinzhauptstadt in der Mitte dieses malerischen Fleckens Erde gemütlich macht? Halifax führt Reisende aus Europa behutsam an Kanada heran. Hier der Hafen mit seiner Flaniermeile und den Pubs, dort der Uhrturm, darüber die sternförmig angelegte Zitadelle Fort George. Die Klänge eines Dudelsacks tragen die Gedanken von der Alten Welt hin zur Neuen. Also los. Zum Meer!
Soundtrack der Reise
Raus aus der Stadt, rauf auf den Highway 333. Sofort setzt das Roadmovie-Feeling ein. Eine breite Asphaltstraße mit aufgepinselten gelben Linien. Bäume und Seen fliegen vorbei. Die Füße wippen mit der Radiomusik. Der Highway wippt mit – auf und ab. Linker Hand öffnet sich eine Bucht nach der anderen. Sie geben das Terrain für die Straße 333 vor. Sie schwenkt hin und her. Dann das offene Meer. Auto abstellen und strahlend in das Dorf Peggy’s Cove laufen. Den dahinter aufragenden Leuchtturm kennt hier in den Canadian Maritimes, den Seeprovinzen, jedes Kind. Ein schlanker weißer Bau mit roter Haube. Auf drei Seiten klatschen die Wellen ans Land. Das ist der Soundtrack der Reise. Er klingt auf der Runde immer ähnlich, aber nie gleich.
Auf die St. Margarets Bay folgt die Stadt Lunenburg. Die bunt bemalten Holzhäuser und alten Kapitänsvillen sehen aus, als wären sie in Norwegen ins Meer gepurzelt und hierher getrieben. Lunenburg wurde von deutschen Siedlern gegründet. Das Schmuckkästchen ist so gut erhalten, dass es die Unesco adelte. An der Lunenburg Waterfront kuscheln sich Cafés und Restaurants aneinander. Wie wäre es, den Tag mit einem Hummergericht und einem Wein aus dem Annapolis Valley abzuschließen? Zum Einstimmen für die nächsten Reisestationen.
Mal Europa, mal wie ein Western am Meer
Auf der Westseite von Nova Scotia schneidet das Annapolis Valley malerisch in die grünen Hügel. Das Tal ist gut 100 Kilometer lang, bis zu 15 Kilometer breit und erinnert stark an Europa. Auf der Fahrt über die verschlafenen Country-Roads fällt in den gepflegten Gärten die Flagge der Akadier auf. Sie gleicht der Trikolore Frankreichs und trägt als Zusatz im blauen Streifen einen goldenen Stern. Zeitreisende fahren zum rekonstruierten Fort Port-Royal oder zum britischen Fort Anne.
Wälder rahmen Wiesen, Felder und Weingüter ein. In den Rebzeilen reifen Trauben für Weiß- und Schaumweine. Die leicht wellige Gegend erinnert an das deutsche Weinanbaugebiet Pfalz. Das nächste Déjà-vu gibt es ein Stück gen Norden in der Kulturlandschaft Grand Pré. Hier rangen Siedler dem Meer durch Eindeichung und Schleusen fruchtbares Land ab. In dem flachen Landstrich wähnt man sich eher in den Niederlanden als in Kanada. Von der zweiten Unesco-Welterbestätte der Reise bis zur Nummer drei sind es nur wenige Minuten – die Bay of Fundy. Diese stellt das heimische Wattenmeer in den Schatten.
Würde ein Filmregisseur einen Western ans Meer verlegen, dann sicher hierher. Sonderbar geformte rote Felsen mit Naturbögen, mal mit Bäumen drauf, mal ohne. Man könnte meinen, hier hätte jemand den Stöpsel aus der Badewanne gelassen und alles wurde wild durcheinander gestrudelt: angeschwemmte Äste, ein Streifen Kieselsteine und weiter draußen gluckst die See. Sie liegt spiegelblank da und gibt das Himmelsblau wieder. Einer riesigen Umwälzpumpe gleich hebt und senkt sich der Atlantik. Bis zu 16 Meter Tidenhub – das ist Weltrekord. Das Binnenmeer ist 220 Kilometer lang, 60 Kilometer breit und bei Ebbe eine Spielwiese für Naturfreunde und bei Flut ein Eldorado für Wale. Hierhin kommen die Meeresriesen gerne. Ganz zur Freude der geduldigen Beobachter.
Spaziergang über dem Sankt-Lorenz-Golf
Mit der Cape-Breton-Insel serviert Nova Scotia sein Filetstück am anderen Ende der Provinz. Bereits die Anfahrt ist ein Erlebnis. Allmählich ansteigend hangelt sich der Cabot Trail am tiefblauen Sankt-Lorenz-Golf entlang. 300 Kilometer feinstes Landschaftskino. Nova-Scotia-Urlauber, die in den Cape-Breton-Highlands-Nationalpark eintauchen, können sich ein wenig wie Entdecker fühlen. 26 Wanderwege ziehen sich durch die Wälder. Der Skyline Trail ist der spektakulärste Weg.
Der gekieste Pfad führt über eine tundraartige Hochebene mit Wiesen und offenen Kiefernwäldern. Hinter einer Kuppe geht es auf einem Holzbohlenweg weiter. Meist führen Panoramawege nach oben. Doch der Skyline Trail senkt sich, vollführt einen Bogen und springt in mehreren Geländestufen den Hügel hinunter. Mit jedem Schritt kommt man dem Meer ein Stückchen näher. Viele Stufen sind türkis angemalt für jene Tage, wenn der dichte Seenebel die Küsten Nova Scotias verschluckt. Oft streicht der Wind über den offenen Hang und sorgt für freie Sicht. Den Weißkopfseeadlern und den Basstölpeln gefällt es. Sie machen hier genauso Jagd auf Beute wie die Blauwale, Buckelwale, Pottwale, Minkwale und Grindwale. Die Augen scannen das Wasser ab. Ob sich eine Fluke zeigt?
Unbedingt bis zum Abend bleiben, bis sich der Sonnenball senkt, die Küste in goldenes Licht taucht und im Meer versinkt. Der Skyline Trail ist dazu einer der besten Plätze im Land. Das Roadmovie setzt zum Finale an. Egal ob im Sommer die Lupinen auf den Wiesen Spalier stehen oder im Oktober der Indian Summer die Küstenwälder zum Leuchten bringt – diese Fahrt vergisst keiner.
Mehr Infos für einen Roadtrip durch Nova Scotia
Tourism Nova Scotia. c/o Travel Marketing Romberg, Schwarzbachstr. 32, 40822 Mettmann, 02104 797454, www.novascotia.com/de. Hilfreich ist diese Karte von Nova Scotia. Mehr spannende Infos rund um einen Roadtrip durch Nova Scotia auf unserem Kanada-Blog kanadastisch.