Dom zu Speyer, Hambacher Schloss, pittoreske Dörfer mit Barockvillen und Fachwerkhäusern, dazu Deutschlands zweitgrößtes Weinbaugebiet – das alles an einem Wochenende? Unser Autor Frank Störbrauck ist in die Pfalz gefahren und hat’s versucht.
Seit einer halben Stunde laufe ich hinter ihr her. Wir reden über Geschichte. Obwohl. So viel rede ich eigentlich nicht. Sie erzählt und doziert, ich murmele nur ab und an »ah ja« und nicke. Konzentriert blicke ich auf die Stufen, während wir den Südwestturm hinaufstapfen. Und Friederike Walter, Leiterin des Kulturmanagements des Speyerer Doms, schreitet mit ziemlich zügigen Schritten voran. Ich merke gleich: Die Dame, Ende dreißig mag sie sein, hat Übung darin.
Ich bin heute mit ihr im Speyerer Dom unterwegs. Eine kleine Führung durch die größte erhaltene romanische Kirche der Welt. Die Kathedrale ist in ihren Ausmaßen ganz schön imposant: rund 134 Meter lang, bis zu 55 Meter breit und im Innern mehr als 30 Meter hoch. Schon im Mittelalter war die Reputation der Kirche so groß, dass sich neben den salischen Erbauern weitere Herrscher hier begraben ließen. »Der Dom ist steingewordene europäische Geschichte«, erläutert Friederike Walter. Während des Rundgangs legt die Kunsthistorikerin immer wieder einen Stopp ein, lenkt die Blicke auf den Dom. Sie hat so viel zu erzählen, ich bin angetan und frage mich, ob es wohl irgendeinen Stein in dieser Kathedrale gibt, zu dem ihr nichts einfällt. Vermutlich nicht.
Große Schlichtheit im Dom zu Speyer
Als wir im Inneren des Doms ankommen, bin ich überrascht. Ziemlich karg, ziemlich unprätentiös ist es hier. Von Prunk und Pomp anderer bekannter Gotteshäuser ist das Mittelschiff weit entfernt. Wer hier steht, dem fallen vor allem die extrem hohen Decken, die massiven Rundbögen und die wuchtigen Säulen ins Auge.
Zwei Dutzend Fresken, die Szenen aus dem Alten Testament zeigen, zieren die Wände unter den Nord- und Südfenstern des Mittelschiffs. Aber sonst? Große Schlichtheit in dem Dom. Das hat traurige Gründe. »1689, als während der pfälzischen Erbfolgekriege die Truppen von Ludwig XIV. in der Kurpfalz wüteten, geriet der Dom in Brand und das Kirchenschiff stürzte zu zwei Dritteln ein«, sagt Walter. Und auch während der Französischen Revolution wurde dem Dom übel mitgespielt. Alle Altäre wurden seinerzeit zerstört.
Weiter gehen wir in den Kaisersaal, er liegt über dem Haupteingang des Doms. Dort sind neun weitere Fresken des Malers Johann Baptist Schraudolph zu sehen, ziemlich groß sind sie. Höhepunkt ist die Freske »Marienkrönung«, sie hat eine Grundfläche von sage und schreibe 70 Quadratmetern.
Ich bleibe einen Moment vor der Freske stehen und bin tief beeindruckt, schließlich wurde das Kunstwerk vor 55 Jahren aus dem Mittelschiff entfernt. Ja, richtig gelesen. Entfernt. Es gefiel damals nicht mehr. Dabei wurden die Farbpigmente mittels einer Leimschicht zusammen mit dem Putz von der Wand abgelöst – und in den 80er-Jahren in mühseliger Sisyphusarbeit konserviert. Als ich den Kaisersaal verlasse, beobachte ich, wie sich auch schon die nächste Gruppe andächtig um die Fresken schart und mit offenem Mund nach oben starrt – keine Frage, die Fresken nötigen den Besuchern Respekt ab.
Die Pfalz, eine ziemlich ländliche Gegend
Der Besuch des Speyerer Dom bildet den Auftakt meines Trips in die Pfalz. Ich möchte an einem Wochenende diesen hübschen Landstrich im Südwesten Deutschlands erkunden. Aber die ganze Pfalz an einem Wochenende erkunden, kann ich mir abschminken. Denn die Region ist weit größer, als ich dachte: über 5.451 Quadratkilometer groß ist sie. Die größten Städte der Pfalz sind Ludwigshafen, Kaiserslautern und Speyer. Einwohnerzahlexperten wissen: Die Städte gehören nicht zu den Schwergewichten Deutschlands. Kein Wunder, nur etwa 1,4 Millionen Menschen leben hier. Vor allem grün ist es in der Pfalz. Naturliebhaber und Wanderer finden viel Platz zum Entdecken.
Ich wollte meinen Urlaub in der Pfalz ganz bewusst im Frühling machen. Sie ist eine der mildesten Regionen Deutschlands. Aber es sollte dieses Mal nicht sonnig sein. Als ich mich mit dem Auto Richtung Westen begebe, peitscht der Regen unablässig gegen die Autofensterscheibe. Die Temperatur zeigt mir gerade einmal lausige neun Grad an – und das mitten im April.
Must-see beim Urlaub in der Pfalz: das Hambacher Schloss
Eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Pfalz ist das Hambacher Schloss. Es thront auf einem Berg, zwischen Neustadt an der Weinstraße und Edenkoben, rund 35 Kilometer westlich von Speyer.
Ende Mai 1832 ging es in die Geschichte ein, als 30.000 Freiheitskämpfer mit schwarz-rot-goldenen Fahnen den Burgberg hinaufstürmten und für Freiheit, Bürgerrechte und nationale Einheit demonstrierten. Seitdem gilt das Hambacher Schloss als der Ort, an dem die Demokratie in Deutschland laufen lernte.
Der letzte Abschnitt zum Schloss hinauf führt mich durch ein einsames Dorf, es liegt dem Schloss zu Füßen. Es heißt Diedesfeld und wirkt ein wenig wie aus der Zeit gefallen: Fachwerkhäuser, alte Winzerhöfe und Brunnen fallen mir ins Auge. Mein Navi führt mich rechts und links durch enge Straßen und Gassen, so als wollte es sicherstellen, dass ich auch tatsächlich jeden Winkel sehe. Dabei will ich doch nur auf den Berg hinauf! Dann endlich, es geht in den Wald, ein Straßenschild weist mich auf eine Straße hinauf zum Hambacher Schloss.
Ich habe Glück, es ist Freitagnachmittag und nur sehr wenige Besucher tummeln sich in den Ausstellungsräumen im fünften Stock. »Hinauf, hinauf zum Schloss«, so ist der Name der Ausstellung.
Es geht – natürlich – um die Geschehnisse rund ums Hambacher Fest 1832. Neben vielen Infotafeln gibt es Mitmachstationen, an denen zum Beispiel Abzeichen gebastelt werden können oder man in Kostüme aus dem 19. Jahrhundert schlüpfen kann.
Auf nach Maikammer, eines der schönsten Dörfer der Pfalz
Als ich das Schloss verlasse, bemerke ich, dass man von hier oben, immerhin fast 400 Meter über dem Meeresspiegel, eine sensationelle Aussicht auf das Umland hat. Mein Blick schweift in die Rheinebene. Ich blicke auf kleine Dörfer und auf die wie mit einem Lineal gezogenen Rebenfelder, für die die Pfalz so berühmt ist. Wenn sich jetzt noch die Sonne dazugesellen würde, dann wäre es ein perfekter Urlaub in der Pfalz! Dann zieht es mich auch schon weiter nach Maikammer; es gilt als eines der schönsten Weindörfer der Pfalz.
Denn Pfalz und Wein, das ist wie München und Oktoberfest. Unzertrennlich. Ob Riesling, Burgunder, Silvaner, Chardonnay oder Sauvignon Blanc – sie alle gedeihen an den Hängen des Haardt-Gebirges. Über 100 Millionen Rebstöcke sollen es sein, aus deren Trauben die 3.600 Winzer der Pfalz jährlich zweieinhalb Millionen Hektoliter Rot- und vor allem Weißwein produzieren. Damit ist die Pfalz nach Rheinhessen das zweitgrößte Weinanbaugebiet Deutschlands.
Bevor ich mir aber einen Tropfen gönne, zeigt mir Gästeführerin Bergith Neumann »ihr« Maikammer. Der Ort liegt im Norden der Südlichen Weinstraße am Fuße des Kalmits. Kalmit heißt so viel wie kahler Berg; er ist mit 670 Metern die höchste Erhebung des Pfälzerwaldes – und beliebt bei vielen Wanderern.
Wir schlendern vorbei an glanzvollen Sandsteinklinkerbauten, Renaissance-Torbögen, Fachwerk-Erkern und Innenhöfen und Plätzen, die einen Hauch Toskana-Feeling versprühen. Und dann die vielen Winzerhöfe, überall. Manche haben eine Winzerstube, man kann hier gleich den Wein probieren. Gegen Ende der Tour erreichen wir den Marktplatz, wo man General Jakob Freiherr von Hartmann mit einer Bronzestatue ein Denkmal gesetzt hat.
Ein Denkmal für den Schoppen
Ein weiteres, allerdings weit kurioseres Denkmal findet sich gegenüber: das Schoppen-Denkmal. Schoppen? In der Pfalz fast ein Heiligtum! Dabei handelt es sich um ein Gefäß für Flüssigkeiten, vergleichbar mit dem Maßkrug in Bayern. Daraus wird in den Schankwirtschaften der Pfalz gern getrunken. Häufig Wein, aber nicht nur. Wer mag, kann sich darin natürlich auch Wasser oder Apfelschorle bringen lassen. Die Schoppe kommt entweder in einem »Schoppenglas« in Zylinder-Form und glatter Außenseite oder in einem »Dubbleglas« mit tropfenförmigen Vertiefungen daher. So weit, so gut.
Vor mehr als 35 Jahren aber gab es mächtig Knatsch um die Schoppen. Da wollten doch tatsächlich einige Gastronomen den Inhalt des Schoppenmaßes von 0,5 auf 0,4 Liter senken. Für viele Pfälzer seinerzeit eine Ungeheuerlichkeit. Sie machten gemeinsam mit der Weinbruderschaft dagegen mobil und zwangen die Gastronomie zum Einlenken – und damit ein für alle Mal klar ist, dass der Schoppen mit einem halben Liter zu füllen ist, wurde ihm hier 1984 ein Denkmal gesetzt, garniert mit dem in Stein gemeißelten Spruch »Pfälzer Schoppen – Maß aller Dinge«.
Einmal zur Weinprobe, bitte!
Jetzt möchte ich aber auch endlich mal ein Schlückchen probieren. Es muss ja kein 0,5-Liter-Schoppen sein. Aber ein paar Tropfen Pfälzer Wein, die habe ich mir jetzt verdient. Bergith Neumann nickt nur kurz und sagt: »Dann haben wir es nicht weit, folgen Sie mir.« Sehr gerne, liebe Frau Neumann! Nur hundert Meter Fußweg vom Marktplatz entfernt lockt die Ortsvinothek Weinkammer im Haus Rassiga. In dem wunderschönen historischen Renaissance-Gebäude, um das Jahr 1600 wurde es erbaut, präsentieren sich gemeinschaftlich sage und schreibe 25 Weingüter, allesamt aus Maikammer.
In der Vinothek hat es sich schon eine Gruppe am großen Verkostungstisch gemütlich gemacht. Eine Weinflasche geht herum, einige schütten kräftig nach, andere winken schon ab. Die Stimmung schwankt irgendwo zwischen heiter und jetzt-ist-aber-bald-mal-gut-mit-der-Verkostung.
Um sie herum sind in Glasvitrinen mehr als 200 Flaschen Weiß- und Rotwein in Reih und Glied aufgestellt. Zwischendrin auch ein paar Flaschen Rosé und Sekt. Herrje, das riecht nach Qual der Wahl – was soll ich nur probieren? Ich mag ja lieber Rotwein. Einerseits. Andererseits ist die Pfalz vor allem für ihre Weißweine bekannt, allen voran für den Riesling. Die Dame an der Bar erkennt schnell die Fragezeichen in meinem Gesicht und schlägt den Verkostungsklassiker vor: 5er-Weinprobe, zusammengestellt aus geöffneten Weinen. Dann mal los, gute Frau!
Urlaub in der Pfalz: Qual der Wahl beim Wein
Gleich zu Beginn kommt sie mit einem Tipp um die Ecke: den Wein vorher bitte unbedingt riechen. Bei einem Cabernet Sauvignon erkenne ich Cassis, Erdbeere und den Duft von Aprikosen, bei einem trockenen Spätburgunder, in einem Holzfass gereift, dominieren feine Vanillen. Während ich mich durch die Maikammer Weine schmecke, erzählt die Dame – nein, nun leider nicht aus dem Winzer-Nähkästchen – ein wenig von der hiesigen Weinkultur.
Kostprobe Wissen gefällig? Rund um Maikammer gibt es ganz verschiedene Bodenarten, von reinem Sandboden über Lehm, Lößlehm, Kalkmergel bis zu tonhaltigen Böden, erfahre ich. Das ermöglicht den Maikammer Winzern den Anbau vieler verschiedener Rebsorten wie Chardonnay, Gewürztraminer, Grauburgunder, Riesling, Muskateller und Silvaner bei den Weißen und Cabernet Cubin, Merlot, Dornfelder, Sankt Laurent und Shiraz bei den Rotweinen. Einige Winzerhöfe produzieren darüber hinaus kaltgepresste Traubenkernöle, Essig und Destillate.
Nach den fünf Kostpröbchen bin ich schon fast betüddelt. Die meisten haben mir gemundet: lebendig, frisch, nicht zu schwer. Bevor ich mich auf dem Weg zum Hotel mache, packe ich eine Flasche Riesling und einen Spätburgunder ein. Für die Lieben zu Hause. Denn die schätzen den Wein vom Hof gottlob vielmehr als den Fusel vom Billigheimer. Apropos billig: Teuer waren die Flaschen wahrlich nicht. Das Gros der Weine in der Vinothek ist für unter 10 Euro zu haben. Da bleibt noch genug Geld übrig für die dritte oder vierte Flasche Wein im Kofferraum. Oder für den nächsten Urlaub in der Pfalz.
Infos für einen Urlaub in der Pfalz
Anreise. Mit dem Zug von Köln in weniger als drei Stunden mit dem ICE nach Mannheim. Von dort mit der S-Bahn nach Speyer, dem Tor zur Pfalz. Vor Ort mietet man sich am besten einen Mietwagen.
Übernachtung. Hotel Salischer Hof (Burgstr. 12-14, 67105 Schifferstadt), exzellent geführtes 3-Sterne-Hotel, 24 Zimmer im Landhausstil, verteilt auf zwei Häuser. Die Inhaber Karsten und Carina Möller sind immer für ein Schwätzchen zu haben. Die Lage des Hotels eignet sich bestens für einen Urlaub in der Pfalz – jedenfalls dann, wenn man die in dieser Reportage beschriebenen Orte besuchen möchte.
Restaurants. Weinstube Eselsburg (Kurpfalzstr. 62, 67435 Neustadt-Mußbach), uriges, typisches Pfälzer Restaurant in einem alten Sandsteinhaus, wo Spezialitäten aus der Region serviert werden. An den großen Tischen wird sich gern mit Fremden zusammengesetzt, schließlich gehört das Zusammenrücken in geselliger Runde zur Pfalz.
Pfälzer Stuben im Hotel Krone (Hauptstr. 62-64, 76863 Herxheim-Hayna), Chefkoch Fabio Daneluzzi und sein Team kredenzen eine feine regionale Küche in gediegenem Landhausambiente.
Tipp. Mit der Pfalzcard die Region erkunden. Sie bietet Urlaubern in der Pfalz freien Eintritt in über 100 Einrichtungen wie Museen, Schwimmbäder, Führungen, Weinproben und vieles mehr. Die Pfalzcard wird in rund 100 Unterkünften in der Pfalz kostenlos an alle Übernachtungsgäste ausgegeben. Zudem können während des Aufenthaltes alle öffentlichen Verkehrsmittel kostenfrei genutzt werden. Mehr Infos und Tipps für einen Urlaub in der Pfalz gibt es hier.