reisen-EXCLUSIV-Autorin Simone Sever ist in den Berlin-Warschau-Express gestiegen und hat Halt im polnischen Poznań gemacht. Von ihrer Reise hat Sie drei überraschende Erkenntnisse zurück nach Hause gebracht.

»Warum in die Ferne schweifen, sieh’ das Gute liegt so nah!«

Zwei Ziegenböcke rammen ihre Hörner aneinander. Touristen mit Smartphones so groß wie Taschenbücher dokumentieren jede Sekunde des tierischen Spektakels oben auf dem Uhrenturm des historischen Rathauses. Gott Mars nimmt’s gelassen und auch seine drei Brunnengeschwister Apollo, Neptun und Proserpina scheint der mittägliche Massenauflauf auf dem Stary Rynek, dem zauberhaften Alten Markt der polnischen Stadt Poznań, nicht aus der Ruhe zu bringen.

Glockenspiel vor dem Rathaus in Poznań in Polen

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Gerade mal drei Stunden braucht es mit dem Zug, um von Berlin in Polens fünftgrößte Stadt mit gut einer halben Million Einwohnern und mindestens so vielen schönen Ecken zu reisen. Die Architektur der Provinzhauptstadt Wielkopolskas ist so vielseitig, wie die historischen Bürgerhäuser am Marktplatz bunt sind. Das einzigartige Renaissancerathaus aus dem 16. Jahrhundert gilt als eines der schönsten Mitteleuropas und ist vor blauem Himmel ein überzeugendes Fotomotiv. An jeder Ecke des beinahe quadratisch angelegten Platzes gibt es neue Perspektiven.

Stanislaus Kirche im polnischen Poznań

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Wer dem Blick Apollos folgt, entdeckt am Ende einer schmalen Straße die rot-weiße Barockfassade der Pfarrkirche des Heiligen Stanislaus. Das Gotteshaus ist eines der wertvollsten Baudenkmäler des Landes, dessen ganze Schönheit sich erst im Inneren preisgibt: Stuckaturen und Skulpturen, Deckenmalereien und 16 monumentale Säulen mit den Figuren der 12 Apostel auf den Kapitellen. Eine Orgel mit 2.579 zinnernen und hölzernen Pfeifen, die größten davon sechs Meter hoch. Erbaut wurde das musikalische Prunkstück von Friedrich Ladegast, einem der besten Orgelbaumeister im Europa des 19. Jahrhunderts. Wer sich das Spiel anhören möchte, der kommt am besten sonntags zur Mittagszeit.

Zur Dominsel, der Wiege Polens, ist es nur ein kurzer Spaziergang. Dort überrascht die zeitgenössische Architektur der Porta Posnania und lädt mit allerlei Historie zur Zeitreise mit modernen Interpretation und bunt beeindruckenden Videoinstallationen ein.

Moderne Architektur an der Porta Posnania

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»Liebe geht durch den Magen.«

Was wäre eine Reise ohne die Versuchungen der landestypischen Küche? Im Herzen der Stadt auf dem Stary Rynek ist gerade Marktzeit und es duftet so verführerisch nach frisch Gegrilltem. Die polnische Wurst präsentiert sich appetitanregend. Frisch gebackenes Brot, Käse von Ziegen, Schafen und Kühen, Waffeln, Eis … alles ist köstlich, vieles deftig. Nichts für den kleinen Vogelhunger. Auch in den bunten Bürgerhäusern, die den beinahe quadratischen Marktplatz schützend umschließen, finden sich noch weitere kulinarische Besonderheiten. Etwa in der Brovaria einer Brauerei, wo sich am Wochenende nicht nur die Posener Partypeople auf eine lange Nacht einstimmen. Wer das Honigbier nicht probiert, ist selber schuld.

Cafés und Restaurants am Hauptplatz in Poznań, Polen

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Auf der anderen Seite des Platzes, direkt gegenüber vom Rathaus, backen Männer mit Bärten Martinshörnchen und zeigen interessierten Besuchern im Rogalowe Museum bei einer Live-Show, was es mit der Geschichte und der Posener Legende des süßen Gebäcks auf sich hat. Es sei nur so viel verraten: Die Hörnchen schmecken noch viel besser, als sie duften. Und wer in Posen einen wirklich perfekt gebrühten Kaffee trinken möchte, der spaziert etwa 15 Minuten in südwestliche Richtung und findet im Minister Café, einem modernen und trendigem Hot-Spot für angehende Barrista, sein Kaffeeglück.

Traditionelle Martinshörchen aus Polen

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»Das Leben ist ein langer, ruhiger Fluss«

In Wielkopolska heißt dieser Fluss Warta und ist Teil des beinahe 700 Kilometer langen Wasserweges Großpolnischer Ring. Etwa zwei Wochen würde es brauchen, diese Wasserstraße mit einem gemieteten Hausboot zu umrunden. Doch wer nimmt sich schon die Zeit? Man erzählt sich, die Teilstrecke Konin – Poznań sei eine der schönsten. Willkommen an Bord der Marzenie Admirala. Ich werde herzlich vom Kapitän begrüßt, denn ich traue mich nicht allein in unbekannten Gewässern herumzuschippern, dabei dürfte ich das. Auch ohne Bootsführerschein. Mein Kapitän befährt schon sein Leben lang die See und die Seen, und während er auf Kurs geht, genieße ich vorn am Bug, wie die Landschaft in gefühlter Zeitlupe an mir vorbei gleitet.

Schilf vor dem Warta-Fluss in Polen

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Zwischen hohem Schilf öffnen sich immer wieder kleine Strände, grotesk verdrehte Baumskulpturen liegen im Sand und strecken mir ihre knorrigen Äste wie Finger entgegen. Pferde grasen am Ufer, der spitze Turm einer Holzkirche ragt aus dem hohen Gras. Sind das dahinten Störche? Gleißendes Sonnenlicht und dramatische graue Wolkenbänke erscheinen im Wechsel, und hier und da steht ganz still ein Angler am Ufer herum. Bis auf das leise Tuckern des Motors ist kaum noch etwas zu hören.

Fazit: Spanien, Griechenland, Türkei, Italien, Frankreich … allesamt wunderbare Reiseziele, die ich viele Jahre auf meiner Reisewunschliste hatte und auch in Zukunft haben werde. Wer aber Lust hat, sich einmal abseits ausgetretener Pfade in Europa noch wie ein Entdecker zu fühlen, wer sich über den Dreiklang Kultur, Küche und Kapitän freut, dem sei Wielkopolska mit der Bezirkshauptstadt Poznań (auf Deutsch Posen) und dem Großpolen-Ring wärmstens ans Herz gelegt. Ich bin sicher bald wieder dort unterwegs. Ahoi!

Weitere Informationen findet ihr auf der Website des Fremdenverkehrsamtes von Polen.