Seit mehr als hundert Jahren gilt das Hotel Astoria als ganzer Stolz der ehemaligen russischen Hauptstadt und derzeitigen 5-Millionen-Metropole St. Petersburg. Bereits 1913 als bestes Hotel am Platz konzipiert, hat das legendäre Haus bis heute nichts von seinem Glanz und seiner Anziehungskraft verloren, davon konnte sich reisen EXCLUSIV-Autorin Simone Sever bei einem Besuch des Rocco Forte Hotel Astoria überzeugen. Ein Tanz durch die Geschichte – in drei Akten und in roten Schuhen.
Prolog: Betrachtet man sie durch die dicken Wassertropfen auf der Fensterscheibe des Taxis, wirken die roten Rundmarkisen im Erdgeschoss des Rocco Forte Hotel Astoria wie eine kaleidoskopische Kunstinstallation. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite leuchtet derweil die Goldkuppel der Isaakskathedrale kurz auf. Die Sonne hat einen Weg gefunden, das imposante Gebäude mit einem laserartigen Strahl zu erhellen. Während die Karosserie zum Halt kommt, prasselt der Regen unaufhörlich aufs Limousinendach. Die Wagentür öffnet sich. Ein Empfangskomitee mit aufgespanntem Schirm geleitet mich durch rotgekordelte Absperrungen, die ich sonst höchstens vom roten Teppich der Oscar-Verleihung aus den High-Society-News kenne.
»Willkommen im Rocco Forte Hotel Astoria, Miss Sever.«
Das Astoria und die russische Avantgarde
Ich komme nicht unvorbereitet, denn ich habe schon einiges über dieses legendäre Hotel in Erfahrung bringen können: Im Art Nouveau Stil erbaut, avancierte das Astoria im frühen 20. Jahrhundert schnell zum Treffpunkt der Kulturszene. Italienische Sänger, französische Tänzerinnen und die russische Avantgarde – allen voran Sergei Diaghilev, Gründer der »Ballets Russes« und der bereits damals hochverehrte Tanzgott Vaclav Nijinski – sie alle gingen im Astoria ein und aus. Und heute tanze nun ich in meinen roten Schuhen durch die weiße Marmorhalle. Der Check-in wird derweil musikalisch vom Pianisten untermalt, der den Soundtrack zum Afternoon Tea erklingen lässt. »Your room is ready!« Das Zimmer für die nächsten Nächte wartet.
Erster Akt: Der rote Teppich liegt mir zu Füßen
Im langen Flur ist der rote Teppich ausgerollt und weist mir den Weg zur Junior Suite 416. Großzügige 45 Quadratmeter moderne und behagliche Eleganz. Zeitgenössische Lässigkeit in historischen Mauern. Und direkt vor der Nasenspitze die Isaakskathedrale. Auf dem Art-Deco-Tisch am formschönen Sofa, dessen zurückhaltende Farben im Teppich aufgefangen und mit dunklem Rot, das sich mal in Vasen, dann in Kissenmustern wiederfindet, akzentuiert sind, liegt ein mächtiges Coffee Table Book der Dame, deren überdimensional großes Foto über meinem temporären Schreibtisch hängt: Diana Vishneva. Ein Star nicht nur in St. Petersburg. Die grazile Schönheit ist eine der bedeutendsten Primaballerinen in der Ballettkompanie am ehrwürdigen Mariinsky Theater, Tochter der Stadt, Stilikone und zudem Freundin des Hauses. Leo Tolstois »Krieg und Frieden« liegt ebenfalls bereit. Aber der war wohl kein Gast des Hauses. Ich habe leider gerade gar keine Zeit für das Meisterwerk.
Zweiter Akt: Menschen im Hotel
Der Pianist am Flügel spielt noch immer als ich Platz nehme unter Art-Deco-Kronleuchtern in blauen Samtsesseln. In der »Rotonda Lounge« des Rocco Forte Astoria Hotels bin ich zum Afternoon Tea verabredet. Mein Sohn lebt als Schüler der weltberühmten Vaganova Ballettakademie in St. Petersburg. Pandemiebedingt haben wir uns fast ein Jahr nicht in den Arm nehmen können und zelebrieren nun unser Wiedersehen mit einem Glas Louis Roederer Champagner und feinsten Häppchen, die gerade kredenzt werden.
Am sündhaft süßen Kuchenbuffet liegen appetitlich in Schalen – und wie Kronjuwelen unter Glas dekoriert – feinste Patisserien in den allerschönsten Farben: gelbe Petits Fours, rotbeerige Joghurttorten, schokoladige Pralinees. Passend zum vorherrschenden Blau des Raumes, den Olga Polizzi, Schwester des Rocco Forte Gründers Sir Rocco, entworfen und ausgestattet hat, werden die Leckereien auf feinstem blau-weiß-goldenem St. Petersburger Russian Imperial Porzellan serviert. Während der Tee zieht, gibt es viel zu erzählen und so stimmen wir mit ein in das vorherrschend russische Stimmgemurmel der Menschen im Hotel.
Dritter Akt: Ballett ist überall
Die Stadt wartet. Kunst. Kultur. Kathedralen. Paläste. Schätze. Ballett. Das Mikhailovsky Theater ist neben dem Mariinsky Theater die zweitgrößte Kompanie der Stadt. Wir werfen uns für »Schwanensee« in Schale. Smoking. Abendkleid. Die Aufführung ist so umwerfend, wie ich mich in Begleitung meines Sohnes fühle. Das Bühnenbild prächtig. Die Kostüme märchenhaft. Die Stimmung auf dem Höhepunkt – als sich plötzlich der Abendhimmel in feuriges Rot taucht und wir bei einem Spaziergang zurück zum Hotel erkennen: Die Sonnenuntergänge sind wie die Liebe der Russen zum Ballett: большой, bolshoi, groß!
Ein Absacker an der »Lichfield Bar« des Rocco Forte Hotel Astoria nimmt den roten Faden der Farbgestaltung wieder auf. Sessel und Sofas in samtigem dunklen Rot, ebenso die schweren Vorhänge. An den Wänden monochrome Fotografien Lord Patrick Lichfields, Cousin Queen Elizabeths II. Es sitzt sich bequem und die Drinks, allen voran der »White Russian« und die Astoria Signature Cocktails, sind flüssige Leckerbissen. Für den späten Hunger reicht das Angebot von Beluga Kaviar, frischen Austern, Beef Tartar bis zu saftigen Burgern.
In der Junior Suite wartet derweil »Diana Vishneva«. Verführerisch und süß, denn die außergewöhnliche Tänzerin hat zusammen mit dem Patisseriemeister des Hauses ein Dessert kreiert: einen hauchzarten Traum zum Anbeißen. Jetzt noch ein bisschen »Krieg und Frieden«.
Die Roten Schuhe
Der Tag beginnt, wie der Abend geendet ist: kalorienreich und bequem in weichen Polstern. Das Frühstücksbuffet im »Astoria Restaurant« – mit frisch gepressten Säften, russischen Spezialitäten, mit rotem Kaviar und so viel mehr – lässt keine Wünsche unerfüllt. Wer Buffets nicht mag, bestellt à la carte. Die Butter kommt mit der Signatur des Hotels, dem gekrönten roten »A«, daher. Ebenso die Servietten und die Espressotasse, die ich zu gern als Erinnerung mit nach Hause nehmen würde. Genauso wie den flauschigen Bademantel mit dem rot gestickten »RF« für Rocco Forte, der in meinem Marmorbad hängt, oder den zeitlos, schicken Teppich meiner Suite, die Matrioshka, vom Schreibtisch, »Krieg und Frieden«.
Ich lasse alles an Ort und Stelle und nehme lieber noch ein paar Erinnerungen mit. Etwa, wie ich mit meinen roten Schuhen durch die Lobby schreite. Oder stundenlang vor den bronzenen Schildern bei den Fahrstühlen stehe und mir das »Who’s who« der Rocco Forte Astoria Hotelgäste aus Königshäusern, Politik, Kunst, Kulturszene und Showbiz auf der Zunge zergehen lasse: Wladimir Putin, Prince Charles, Will Smith, Stella McCartney, Elton John, Aerosmith, Kylie Minogue, Madonna, Isadora Duncan, Maya Plisetskaya – ist das dahinten nicht…?
Epilog: Ich bin längst wieder zu Hause gelandet und habe alles im Hotelzimmer des Rocco Forte Astoria stehen lassen, was nicht mir gehörte. Ehrlich! Zwei Gegenstände haben es neben all den beeindruckenden Erinnerungen dennoch in meine Tasche geschafft: die ganz besonders schöne Schlüsselkarte meiner Suite mit dem Portrait einer Dame mit rotem Schal und ein rotes Brillenputztuch mit gekröntem »A«. Hoffentlich mein roter Faden, der mich in meinen roten Schuhen irgendwann zurücktanzen lässt ins Rocco Forte Hotel Astoria.