"
275 Jahre wäre der berühmteste Sohn Saragossas, Francisco de Goya, im Jahr 2021 alt geworden. Grund genug also, dem Wirken in seiner Heimatstadt ein wenig nachzuspüren. Das kann man natürlich bei den vielen Zeugnissen seiner Kunst tun, klar. Nebenbei geht es aber auch um Gaumenfreuden zwischen Wein und Tapas – schließlich sind wir in Spanien.

Bei mir geht Goya erst einmal durch den Magen. Es ist exakt 10:02 Uhr, die Sonne wärmt den kühlen Herbstmorgen an der Plaza de los Sitios und auf dem Teller vor mir liegen noch Krümel und ein paar Zwiebelreste. Eine Tapa Pepe Híllo fand zum zweiten Frühstück den flinken Weg hinein in meinen Magen. Die Tapa aus Rinderfilet, Paprika und karamellisierten Zwiebeln ist hier die Signature-Tapa der Bar Monumental Taberna 1808, kurz: Monumental, zu Ehren von Francisco José de Goya y Lucientes, der in Saragossa aufgewachsen ist und hier auch seine ersten Gehversuche Ende des 18. Jahrhunderts in der Malerei unternommen hatte.

Tapas mit Rinderfilet in einer spanischen Tapasbar

Andreas Dauerer

Auf den (kulinarischen) Spuren Goyas

Weil sich sein Geburtstag nun zum 275. Male jährt, haben sich ein Dutzend Tapas Bars gesagt, wir könnten doch jeweils eine extra Tapa kreieren. So kann man sich die Reminiszenzen eines der einflussreichsten Künstler Europas in seiner Heimatstadt bequem zu Fuß erarbeiten und der kulinarische Einkehrschwung läuft quasi stets mit einem mit. Das finde ich extrem praktisch, schließlich macht Sightseeing so noch mehr Spaß. Oder anders gesagt: Zur Kunst und Kultur gehört die Gastronomie so selbstverständlich dazu wie Goya eben zu Saragossa.

Nachdem auch der Café solo nebst einer Flasche Wasser das Frühstück abgerundet hat, geht es auch schon hinüber ins Museo de Zaragoza. Goya gucken. Zumindest zum Teil, schließlich geht es im Museum hier ganz generell um die Stadtgeschichte. Die Römer waren da, dann die Mauren, schließlich überzog der Katholizismus fast den ganzen europäischen Kontinent und mit ihm die Inquisition. Weil aber dennoch jeder etwas hinterlassen hat, findet man diese bunte Mischung überall in der Stadt, architektonisch wie kulturell, und gerade das macht das Stadtbild hier aus.

Statue des spanischen Malers Francisco de Goya in Saragossa

Andreas Dauerer

Bunt gemischtes Stadtbild

Am besten zu bestaunen am Plaza de la Seo mit der Kathedrale El Salvador de la Seo. Ihre Ursprünge gehen auf die Römerzeit zurück, wo an gleicher Stelle einst ein Tempel im Forum stand. Im 8. Jahrhundert erbauten die Araber eine Moschee. Nach Ankunft des Aragoner König Alfonso I. Anfang des 12. Jahrhunderts wehte dann aber ein anderer Wind. Zwar wurde die Moschee nicht direkt zerstört, aber den Mauren wurde eine Frist von einem Jahr gegeben, um nicht nur selbige, sondern auch direkt die Stadt zu verlassen. Anschließend ließ er die Moschee zur romanischen Kirche umbauen.

El Salvador de la Seo Kathedrale in Saragossa

Andreas Dauerer

Zwei Jahrhunderte später erfolgten weitere Umbauarbeiten mit gotischen Einflüssen. Die romanischen Apsiden bleiben bestehen, dafür entstand ein Dom im Mudéjarstil und die berühmte Parroquieta, eine kleine Kapelle, die Erzbischof Don Lope Fernández de Luna als Grabkapelle geplant hatte. Die Konstruktion, vor allem die äußere Wand, gelten noch heute als eines der eindrucksvollsten Beispiele der Mudéjar-Handwerkskunst mit ihren unvergleichlichen geometrischen Zeichnungen im weichen Stein sowie den berühmten Keramikkacheln.

Goya: Vom Kirchenmaler zum Hofmaler

Doch ich schweife ab, denn Goya hat, ausnahmsweise, mit der La Seo direkt nichts zu tun. Sehr wohl aber mit dem Museum. Mögen die ausgestellten Werke Goyas auch nur sehr überschaubar sein, so erhält man einen guten Überblick über sein Entwicklung. Vom barocken Kirchenmaler, von den feinen Pinselstrichen zu den modernen Einflüssen, die er in Italien aufgesogen hatte, hin zum Hofmaler, der er mit 40 Jahren bei Karl III. und Karl IV. wurde und seine flächigen Porträts, deren Umrisse häufig mit dem Hintergrund verschmelzen.

Hofmalerei-Gemälde von Goya im Museo de Zaragoza

Andreas Dauerer

Den Maler Goya jedoch auf die Hofmalerei zu reduzieren, wäre fatal. Ende des 18. Jahrhunderts macht er eine Wandlung durch. Neben den höfischen Porträts stellt er auch freie Arbeiten her. Von 1796 bis 1798 entstehen seine berühmten Kupferstiche, die Caprichos, die als sehr deutliche Gesellschaftskritik zu verstehen sind. Noch viel deutlicher wird seine Kritik mit den Radierungen Desastres de la Guerra, die Katastrophen des Krieges, in denen Goya als Zeuge des Unabhängigkeitskrieges die Gräueltaten und jegliche Gewalt scharf verurteilt. Sie entstanden zwischen 1810 und 1814, der Maler hielt sie jedoch zurück, zumal die Franzosen bis 1813 Madrid besetzt hatten. Erst 50 Jahre danach wurden sie von der Königlichen Akademie der Schönen Künste publiziert.

Und natürlich dürfen die Radierungen Tauromaquia nicht fehlen, wo die Liebe Goyas zum Stierkampf in sämtlichen Varianten durchexerziert wird. Mit diesen Werken darf der Maler völlig zurecht als künstlerischer Chronist seiner Zeit genannt werden. Das alles kann man in der wunderbaren Ausstellung Museo Camón Aznar bestaunen, zu der man tatsächlich ein wenig Zeit mitbringen sollte.

Kupferzeichnung von Goya im Museo de Zaragoza

Andreas Dauerer

Weiter zum Wahrzeichen in Saragossa: El Pilar

Dann wird es aber höchste Zeit, zum Wahrzeichen der Stadt zu laufen. Die Basilika El Pilar, die gleichzeitig auch noch Kathedrale ist, mit ihren vielen gekachelten Türmchen und dem riesigen Vorplatz, wo sich zum Nationalfeiertag am 12. Oktober schon mal 300.000 Spanier versammeln, um der Jungfrau Blumengaben zu erbringen, die kunstvoll zu einer Pyramide drapiert werden. Zumindest, wenn keine Pandemie herrscht. Dann sind es immer noch viele, aber eingezäunt und in einem Menschenauflauf, dem man anmerkt, dass die Handbremse doch ziemlich angezogen scheint.

Basilika El Pilar, das Wahrzeichen der spanischen Stadt Saragossa

Andreas Dauerer

Auf dem Weg dorthin kann ein Stopp in der Bar Belanche nicht schaden. Probiert wird selbstverständlich die Goya-Tapa mit geschmortem Stier in Rotweinreduktion, ein Gedicht. Vielleicht nimmt man auch direkt noch ein Gläschen des tiefroten Garnacha aus der Cariñena-Anbaugegend um die Ecke, und schon kann es beschwingt weitergehen.

Im Wahrzeichen der Stadt war Goya ebenfalls aktiv. Zwei Werke sind in der Kathedrale zu sehen, dabei wollte man ihn anfangs gar nicht malen lassen. Aber er war jünger und weitaus günstiger als einer der etablierten Meister und so durfte er zwei Heiligenbilder unter dem Dach der Basilika malen – seine erste Auftragsarbeit nachdem er in Italien sein Handwerk so richtig erlernen sollte.

Goya Signaturen im Laufe der Zeit

Andreas Dauerer

Und dann? Zeit für Churros. Die Leckereien gibt es an jeder Ecke und selbst wenn man sie ja auch zu Hause ganz einfach machen könnte (wer tut das schon?), schmecken sie doch in der Fremde immer besser. Drei Churros und heiße Schokolade, ein Gedicht, diesmal ganz ohne Goya.

Ein weiterer Hingucker: die Werke des Künstlers Pablo Gargallo

Überhaupt darf man hier schon auch anmerken, dass Saragossa natürlich auch einiges zu bieten hat, was nicht in Verbindung mit dem berühmtesten Sohnemann steht. Pablo Gargallo wäre so ein Beispiel. Ebenfalls ein waschechter Zaragozano und gut befreundet mit Pablo Picasso. Im Gegensatz zum Großmeister jedoch maximal nur national bekannt, die große internationale Karriere blieb ihm leider verwehrt. Dennoch sind seine Skulpturen derart modern und innovativ, dass ein Besuch des Museums in jedem Falle lohnt. Mitunter kann man nicht nur Parallelen zu Picassos Werken erkennen, sondern einen jungen Pablo auch in Bronze bewundern, wobei es hier ein wenig an Fantasie bedarf.

Skulpturen des spanischen Künstlers Pablo Gargallo

Andreas Dauerer

Wenn man dann wirklich genug hat von Museen und Kunst, bietet sich ein Ausflug zum Expo 2008 Gelände an. Das marodiert teilweise ein bisschen vor sich her, aber nicht nur die Brücke von Zaha Hadid ist immer noch sehenswert, sondern auch das Kongresszentrum vom spanisch-deutschen Architekten-Duo Fuensanta Nieto und Enrique Sobejano oder der spanische Pavillon von Patxi Mangado mit seinen über 700 Holzpfeilern und der sich ökologisch nachhaltig mit Regenwasser klimatisieren ließ, um nur exemplarisch ein paar zu nennen.

Expo-Gelände mit Statue in Saragossa, Spanien

Andreas Dauerer

Zurück zu den Tapas

Viel schöner ist es da, wenn man am linken Ebro-Ufer wieder in Richtung Innenstadt wandert. Lässt man das Areal erst einmal ein bisschen hinter sich, rückt auch die Stadt für einen Moment in den Hintergrund. Der Fluss als ruhiger Begleiter und vielleicht hat man noch die eine oder andere Tapa nebst Wasser und Wein im Gepäck und genießt ein kleines Picknick und den nahenden Sonnenuntergang. Francisco Goya ist hier für den Moment doch ein Stückchen weiter weg und, mit Verlaub, das ist auch gut so, wenngleich ich mir sicher bin, dass er diese Szenerie genauso genossen hätte, wie die Besucher seiner Stadt im Hier und Jetzt.

Infos. Ein guter Anlaufpunkt rund um die Stadt und seine Sehenswürdigkeiten (inkl. Goya) ist das offizielle Fremdenverkehrsamt von Saragossa (auch in Englisch).

Ausflüge. Fuendetodos – Das Geburtshaus Goyas ist ein beliebtes Ausflugsziel, das man gut verbinden kann mit einem vorherigen Stopp im Kartäuserkloster Aula Dei, wo einige frühe Bilder Goyas zu sehen sind. Auch das vom Bürgerkrieg zerstörte Dorf Belchite ist nur wenige Kilometer weit entfernt und als eindrucksvolles Mahnmal zu besichtigen. Das Dorf kann nur im Rahmen einer geführten Tour besichtigt werden. Eintritt 8 Euro.

Fuendetodos, das Geburtshaus Goyas

Andreas Dauerer