Sie ist das Aschenputtel unter den nordamerikanischen Städten. Auf den ersten Blick unscheinbar, nicht wirklich glamourös und auch ein wenig schwerfällig. Aber das ist nur der erste Blick. Zeit, mit den Vorurteilen aufzuräumen.
Vorurteil: Toronto hat keinen Glamour
356 Tage im Jahr könnte diese Aussage eventuell stimmen. Dann ist Toronto eher entspannt. Aber an neun Tagen im September, beim Toronto International Film Festival, sieht die Stadt ganz anders aus. Dann kommt die A-Prominenz angereist. Brad Pitt führt Angelina aus, und die namhaften Hollywoodschönheiten wie Jessica Alba, Charlize Theron oder Keira Knightly ziehen mit ihren Bodyguards über die »Mink Mile«, so heißt eine edle Einkaufsgegend, um dort zu shoppen oder in einem der feinen Restaurants zu speisen.
Toronto ist eine Betonwüste? Ja, aber mit Anspruch!
Das stimmt. Die Bausünden der 70-er-Jahre sind teilweise geradezu abschreckend. Es gibt 2.000 Gebäude in der Stadt, die über 90 Meter hoch sind. Damit hat Toronto die zweithöchste Anzahl an Wolkenkratzern in Nordamerika nach New York City. Diese sind allerdings von der Bezeichnung »Augenweide« weit entfernt. Zu spät hat man den Sohn der Stadt, Frank Gehry, der ein Pritzker-Preis-Gewinner und weltweit renommierter Architekt ist, gefragt, ob er sich am Stadtbild beteiligen will. Er hat es getan. Mit Erfolg. Die von Gehry gestaltete Erweiterung der Art Gallery of Ontario wurde Ende 2008 eröffnet. Ein ansehnliches Bauwerk für Toronto.
Eine weitere Erweiterung hat Daniel Libeskind geschaffen: Am Royal Ontario Museum, dem größten Museum Kanadas mit einer sehr bedeutenden völkerkundlichen Sammlung zu Kulturen aller Kontinente, hat er das sogenannte »Crystal« angefügt, in der sich nun die naturhistorische Sammlung befindet. Das Bauwerk hat einige Raffinessen, für die Libeskind ja auch bekannt ist. So kann man auf den 27 Meter langen Barosaurus schon vom Bürgersteig aus einen Blick erhaschen, dank der vielen länglichen Fenster des »Crystals«. Auch die Erweiterung des Ontario College of Art & Design setzt neue Maßstäbe. Das Sharp Design Centre of Art, was diesbezüglich 2004 eröffnet wurde, ist ein von Architekt Will Aslop erbauter Quader auf bunten Mikado-Stelzen. Dabei thront dieser 26 Meter über dem Erdboden und ist ein echter Hingucker.
Toronto hat nur ein Wahrzeichen! Quatsch!
Als solches wird sicher der CN Tower angesehen, der mit 553 Metern majestätisch über der Stadt thront. Ein beeindruckendes Gefühl ist es an seiner Außenwand im gläsernen Aufzug sechs Meter pro Sekunde zu den einzelnen Ebenen zu fahren. Die beliebteste Etage ist sicherlich auf 342 Metern Höhe. Dort gibt es neben der offenen Aussichtsplattform einen Glasboden. Wer sich traut, diesem zu betreten, kann in die Tiefe blicken. Allerdings ist die Aussicht hinab nicht so spektakulär wie geradeaus. Denn von hier aus überblickt man die gesamte Stadt sowie den schier unendlichen scheinenden Ontariosee. Eigentlich ist der See selbst ebenfalls ein Wahrzeichen Torontos.
Der Ontariosee ist der kleinste der fünf großen Seen Nordamerikas. Allerdings ist er mit seinen 18.960 Quadratkilometern immerhin doppelt so groß wie die Insel Zypern. Nur zehn Minuten Fährfahrt vom Hafen entfernt, liegen die Toronto Islands innerhalb des Sees. Sie sind die grüne Lunge der Stadt: der perfekte Ort für ein Wochenendpicknick oder einen Familienausflug. Die drei miteinander verbundenen Inseln sind sicherlich eine Oase, gleichzeitig beweisen sie in ihrem leicht verfallenen Zustand, dass Toronto noch einiges tun muss, um sich als Metropole herauszuputzen.
Ein Wahrzeichen ist sicherlich der Distillery-District. In der ehemaligen Whiskeydestillerie von Gooderham and Worts, die einst die größte der Welt war, stehen 44 denkmalgeschützte Backsteingebäude, die heute Galerien, Künstlerstudios, Restaurants und stilvolle Fachgeschäfte wie Chocolaterien beherbergen. Franchiseunternehmen wie beispielsweise Starbucks sind hier nicht willkommen. Jeder Laden soll seine eigene persönliche Note haben, etwas Individuelles. Ein Konzept, das aufgeht.
Toronto ist nichts für Trendsuchende? Blödsinn!
Augenscheinlich ist es nicht, dass es in Toronto trendtechnisch ganz schön brodelt. Paris Hilton hatte dies aber schon 2008 erkannt, als sie ihren Geburtstag im Ultra Supper Club feierte – ein Restaurant und gleichzeitig eine Bar, in der auch getanzt werden darf. Der unbeschilderte Eingang befindet sich auf der Queen Street. Nur eine überdimensionale hölzerne Tür weist auf diese Location hin. Einmal drin, wird alles durch dunkle Farben bestimmt. Es glitzert und funkelt, und die Küche ist amerikanisch mit leicht europäischen Einflüssen und sehr lecker. An den Wochentagen ist es eher ruhig und daher ein idealer Treffpunkt für Menschen, die ein ruhiges Essen im geschmackvollen Ambiente genießen wollen. Am Wochenende jedoch geht hier die Post ab.
Ganz anders im Lee oder im Madeline’s. dort ist es auch in der Woche voll, und das Publikum ist bunt gemischt. Studenten sitzen neben Anzugträgern, die gerade aus dem Büro kommen, und essen ihrer Dim Sums à la Susur. Der dortige Küchenchef, bekannt unter Susur, stammt aus Hongkong. Seine Küche hat deshalb starke chinesische Wurzeln mit ihren internationalen Einflüssen. Eine unglaubliche Küche, die zu kosten es sich lohnt. Auch ein Treff für diejenigen, die es gerne trendy mögen, ist das Drake Hotel. Es ist ein plüschig-elegantes Haus mit echtem Rock-’n‘-Roll-Ambiente, in dem sich Musiker besonders wohlfühlen. Aber auch die Gäste, die allein die Gastronomie nutzen, sind herzlich willkommen. Und sie kommen auch, oft und gerne. Beispielsweise um den sehr angesagten Nachtclub zu besuchen oder die ebenfalls beliebte Rooftop-Bar. Küchenchef Anthony Rose gehört zu den besten der Stadt, und seine Köstlichkeiten werden bis spät in die Nacht serviert.
Toronto eignet sich nicht als Shoppingstadt! Gelogen!!
Ganz im Gegenteil: Toronto ist sehr vielseitig. Natürlich gibt es die üblichen Einkaufsmeilen, hier die Bloor Street West, wo die bekannten Marken verkauft werden. Angesagter und etwas schräger geht es jedoch auf der Queen Street West zu, wo sich viele unabhängige Designer niedergelassen haben. Dort gibt es zudem Secondhandgeschäfte, ausgeflippte Möbelshops und Kunstgalerien. Unkonventioneller ist es am Kensington Market. In viktorianischen Häusern haben sich exzellente Feinkostläden (unbedingt in den Global Cheese Shop gehen) und verrückte Geschäfte niedergelassen, die hier eine außergewöhnliche Atmosphäre schaffen. Ein Mekka für Modefreaks, Musiker und Künstler. Besonders zu empfehlen ist ein Spaziergang zum Kensington Market vorbei an Chinatown, das viel größer ist als in New York City oder San Francisco.
Allgemein ist Toronto sehr multiethnisch geprägt. Es gibt viele Viertel, wo sich unterschiedliche Nationalitäten angesiedelt haben. Von Greektown zu Little Poland zu Little Italy. Vom typischen Kitsch bis zu landestypischen Spezialitäten ist alles zu bekommen. Und wem das nicht reicht, dem sei der Eaton Centre empfohlen, wo 300 Geschäfte sicherlich jede Suche stillen. Auch die Suche nach Vorurteilen.
Übernachtungstipp: das Hazelton Hotel
Anreise. Es gibt Direktflüge von Deutschland aus mit Air Canada/ Lufthansa und mit LTU und Condor
Hotel. The Hazelton Hotel Toronto, 118 Yorkville Avenue, Reservierungstel.: 00800 10101111. Die Zimmer kosten pro Nacht ab € 290, www.thehazeltonhotel.com
Le Germain Boutique Hotel, 30 Mercer Street. Reservierung unter reservations@germain-toronto.com, Tel.: +1 416 345 9500, www.germaintoronto.com. Zimmer gibt es ab € 190
The Drake Hotel. 1150 Queen Street W., Tel.: +1 416 531 5042, www.thedrakehotel.ca
Art Gallery Ontario. 317 Dundas Street West Toronto, www.ago.ca
Royal Ontario Museum. 100 Queen’s Park, Toronto, www.rom.on.ca
Eaton Centre. Großes Einkaufszentrum mit 300 Geschäften, Kinos und Restaurants in der 220 Yonge Street. www.torontoeatoncentre.com
Mehr Tipps in unseren Reise-Guide für Toronto.