Was hat die Unesco eigentlich mit Literatur zu tun? Das die Unesco die sogenannten »Weltkulturerben« kürt, wissen wir. Eher unbekannt sind dahingegen die Unesco-Literaturstädte. Seit 2004 ehrt die Vereinigung Städte weltweit, die einen großen Beitrag zur Weltliteratur leisten. Die Kriterien varriieren. Hierzu gehören die Anzahl und Qualität der Publikationen einer Stadt, Kurs-Angebote, Festivals, aber auch die Anzahl von Bibliotheken und Büchereien. Wir erzählen euch, was die sieben Weltliteraturstädte eigentlich so ausmacht!
Edinburgh: Wo sich J.K. Rowling inspirieren ließ
Kaum ein Ort ist sagenumwobener als Schottlands Hauptstadt Edinburgh: Enge Gassen, genannt »Closes« ziehen sich zwischen steilen Häuserwänden den Berg hinauf, bis sie die Royal Mile erreichen. Auf dem Weg zum Edinburgh Castle liegt der »Lady Stairs Close« mit dem Writers Museum. Das kleine Haus mit dem verwunschenen Türmchen beherbergt Besitztümer und Manuskripte dreier schottischer Autoren. Robert Louise Stevenson, Autor des Romanes »Schatzinsel«, Robert Burns, Schottlands Nationaldichter und Verfasser des legendären schottischen Liedes »Auld Lang Syne« und Sir Walter Scott, bekannt für historische Romane.
Hier beginnt auch die Book Lovers Tour, die zu niemandem geringeren führen, als zu dem, dessen Namen nicht genannt werden darf. Richtig gehört! Hier auf dem Grey Friars Kirkyard, einem beeindruckenden Friedhof im Schatten der Stadt, ist ein gewisser Thomas Ridell begraben. Echte Potter-Heads wissen, dass es sich hierbei um den bürgerlichen Namen Lord Voldemorts handelt. Hier lies J.K. Rowling sich inspirieren, als sie die Zauberer-Saga Harry Potter verfasste. Oberhalb des Friedhofs liegt das Elephant House, ein knallrotes Café, in dem J.K. sich nach Hogwarts träumte. Aus dem hinteren Fenster sieht man nicht nur auf Greyfriars, sondern auch auf eine Jungsschule, die als Vorbild für das Zaubererinternat gilt!
Québec City: zeitlos und zugleich einzigartig
Der französische Charme Québecs wurde von britischen und französischen Autoren zugleich zelebriert. Sogar Charles Dickens besuchte die Stadt 1842 und beschrieb sie in seiner Sammlung »American Notes« als zeitlos und zugleich einzigartig. Literaturliebhaber können durch die alten Gassen der Stadt schlendern und unzählige kleine Buchläden durchstöbern. Besonders die Librairie Nelligan, ein gemütlicher Gebrauchtbuchladen auf der Rue Saint-Jean, ist einen Besuch wert.
Jeden Oktober findet das zehntägige Festival Québec en Toutes Lettres des Maison de la Litérature statt. Ein Teil davon ist die »Nacht der Poesie«, bei der die besten Dichter Québecs ihre Werke vortragen.
Bei all der schweren Kost muss man sich aber auch stärken: Aux Aucienne Canadienne ist nicht nur das ehemalige Haus des Schriftstellers Philippe-Aubert de Gaspé, sondern auch ein hervorragendes kanadisches Restaurant. Das 126 Jahre alte Fairmont Le Château Frontenac sieht aus wie ein zauberhaftes Märchenschloss und ist die perfekte Location für einen luxuriösen Afternoon Tea. Natürlich kann man auch gleich hier übernachten und sich wie Willa Cather fühlen, als sie »Shadows on the Rock« schrieb.
Iowa City: Hotspot für Nachwuchstalente
Iowa City steht nur selten auf der Bucketlist der Cosmopoliten. Ganz anders sieht es da bei angehenden amerikanischen Schriftstellern aus! 1936 führte die University of Iowa den ersten Studiengang für kreatives Schreiben in den USA ein. Berühmtheiten wie Flannery O´Connor, John Irving, Ann Patchett und viele andere zog es hierher. Auch heute noch ist die Uni ein Hotspot für Nachwuchstalente. Im Dey House, Heimat des Writer’s Workshop der Uni, kann man Lesungen beiwohnen und durch die Gänge der Bibliothek wandeln.
Die Iowa Avenue ist quasi der Walk of Fame für Autoren: Hier sind alle Schriftsteller aus oder mit einer gewissen Verbindung zur Stadt auf bronzenen Platten verewigt. Danach geht es in den Haunted Bookshop, den ältesten Seconhand-Buchladen der Stadt. Neben 50,000 Büchern gehören auch zwei flauschige Kätzchen zum Inventar. Ebenso berühmt ist der Prairie-Lights-Buchladen. Hier lud die legendäre Iowa Literary Society in den 30er- Jahren Autoren wie Langston Hughes oder E.E. Cummings ein.
Auch Iowa veranstaltet eine Vielzahl von Festivals: Im Oktober findet jährlich das Book Festival statt. Neben Lesungen und Workshops gibt es auch einen kleinen Buch-Markt. Beim Summer Writing Festival im Juni und Juli können Schriftsteller und solche, die es noch werden wollen, neue Skills erlernen und sich an unterschiedlichen Genres versuchen.
Montevideo: so viele gute Buchläden!
Montevideo ist die einzige Unesco-Literaturstadt in ganz Lateinamerika! Vom 20. Jahrhundert an wurde die Hauptstadt Uruquays durch Autoren wie Mario Benedetti, Juan Carlos Onetti und Cristina Peri Rossi zu einer Koryphäe der Literatur. Außerdem handelt man es als die Wiege der Gaucho-Literatur: Obwohl Gauchos im Prinzip nichts anderes als berittene Rinderhirten sind, versprechen sie Freiheit und Abenteuer und wurden zu romantischen Nationalhelden.
Am besten nimmt man einen großen Koffer mit, denn Montevideo hat jede Menge gut sortierte Buchläden, so wie Más Puro Verso. Die Buchhandlung befindet sich in einem wunderschönen Art-Deco-Gebäude aus dem Jahre 1917 mit gigantischen Buntglasfenstern. Von dem Café auf der Empore aus kann man das bunte Treiben im ersten Stock beobachten. Neben den üblichen Läden gibt es auch Mobile-Bibliotheken, die Bücher zu den Parks und Ständen der Stadt liefern. Lust zum Stöbern macht der Tristán-Narvaja-Flohmarkt in Cordón. Hier findet man nicht nur Trödel und Antiquitäten, sondern auch einen ganzen Flohmarktabschnitt mit unzähligen Büchern!
Ljubljana: Schmökern im Freien
2005 wurde Ljubljana in die Reihe der Literaturstädte aufgenommen und 2010 sogar von der Unesco zur Welt-Buch-Hauptstadt ernannt. Das wohl berühmteste Kind der Stadt ist France Prešeren. Ihm ist nicht nur ein eigener Platz, sondern auch die passende Statue gewidmet.
Jedes Jahr im Frühling feiert Sloweniens Hauptstadt das Fabula Festival, ein Literaturfestival der Extraklasse mit Workshops und Lesungen. Im Sommer vertreibt man sich die Zeit am besten in den Parks der Stadt: Hier werden nämlich Freiluft-Bibliotheken aufgebaut!
Bringt eine Decke mit, sucht ein gutes Buch aus und träumt im Schatten der Bäume vor euch hin. Wer geschlossene Räume bevorzugt, sollte sich den Celjska Mohorjeva Družba anschauen, den ältesten Verlag und Buchladen der Stadt. Eine Erfahrung der besonderen Art ist ein Besuch bei Pritličje. Zu dem Comic-Buchladen gehört nicht nur ein Café, sondern auch ein cooler Nachtclub.
Wenn man schon mal in Slowenien ist, bietet sich auch ein längerer Trip an. Wie wäre es mit einer Wanderung auf dem Slovenian Writers Trail? Der Weg zieht sich durch das ganze Land und verknüpft zahlreiche Häuser von einheimischen Schriftstellern miteinander. Natürlich führt er aber auch durch Ljubljana selbst.
Óbidos: Alles im Zeichen der Literatur
Die mittelalterliche Stadt liegt an der Westküste Portugals und ist besonders für ihre pittoresken Gassen und hohen Stadtmauern bekannt. Aber seit 2012 gibt es hier eine weitere Sehenswürdigkeit: Die gotische Kirche Santiago wurde zur Bücherei umfunktioniert und heißt jetzt Livraria de Santiago. In der ehrwürdigen Atmosphäre kann man schmökern und der Literatur huldigen. Aber das ist nicht der einzige ungewöhnliche Buchladen der Stadt! Mittlerweile wurden auch eine Markthalle, ein Feuerwehrhaus und ein Weinkeller zu Büchereien umgewandelt.
Jeden Oktober findet das internationale Folio-Literaturfestival statt. Autoren aus aller Welt treffen sich hier, um gemeinsam mit ihren Fans zu feiern. Auf der Suche nach mehr Informationen geht es ins Casa José Saramago, benannt nach einem berühmten portugiesischen Autor. Hier gibt es jede Menge Broschüren über die Literaturhauptstädte und eine kleine Saramago-Bücherei.
Die Bewohner Óbidos sind so versessen auf ihre Bücher, dass sie sogar ein Literaturhotel haben. Im Literary Man befinden sich insgesamt 65,000 Bücher verteilt auf Zimmer und öffentliche Räume. In der Gin Bar (oder ist es doch eine Bibliothek) sind die Cocktails nach Autoren sortiert. Jack-Kerouac-Fans genehmigen sich einen Margaritha, während Fitzgerald-Liebhaber zum Gin Rickey greifen. Wer dem Alkohol nicht frönen möchte, kann aber auch bei einer Bibliotherapy-Massage abschalten!
Bucheon: Liebe zur Literatur in der ganzen Stadt spürbar
Zwischen Seoul und Incheon liegt die Literaturstadt Bucheon. Sie ist nicht nur die Heimat der asiatischen Schriftsteller Mok Il-sin, Yang Gui-ja, Jeong Ji-yong, sondern auch der amerikanischen Autorin Pearl S. Buck. Die Missionarstochter verbrachte einen Großteil ihres Lebens in China und einige Jahre in Südkorea, genauer gesagt Bucheon. Dort kümmerte sie sich in den 60er-Jahren um koreanische Kinder, die der Krieg zu Weisen gemacht hat. Das Land inspirierte sie auch zu ihren Büchern »Living Reed« und »The New Year«, die beide in Korea spielen.
Die Liebe zur Literatur spürt man in der ganzen Stadt. Straßen, Parks und Brücken sind oft nach den lokalen Autoren benannt. Designierte Pfade führen entlang der Sehenswürdigkeiten und Orte, die an Pearl S. Buck and Ji-yong erinnern. Gegenüber der Sangdong Bibliothek gibt es jede Menge Cafés, wie zum Beispiel das Café Dongnae, in denen man es sich mit einem guten Buch gemütlich machen kann.