Drei Paare, drei Liebesgeschichten, drei Fernbeziehungen. Liebe über Kontinente hinweg birgt einige logistische und emotionale Herausforderungen in sich. Drei Paare berichten, wie sie die Liebe über Ländergrenzen hinweg meistern und gemeistert haben. Text: Verena Wolff

Julia und Dylan pendeln zwischen München und New Hampshire

Fernbeziehung in Zeiten von Corona

Privat

»Den 13. März 2020 werde ich nicht so schnell vergessen. Ich wollte nach Boston fliegen, der Abflug am 16. März war schon lange geplant. Endlich würde ich Dylan wiedersehen, meinen Mann, mit dem ich seit sechs Jahren zusammen und seit zwei Jahren verheiratet bin. Zeit wurde es, denn zwischen Oktober 2019 und März hatten wir uns nur ganze zwei Wochen gesehen. Ich bin 35, arbeite in München als Change Managerin, und hatte erst zu Jahresbeginn meinen Job gewechselt. Die Nerven lagen also ohnehin blank, und dann noch das. 

Am 11. hat der US-Präsident angekündigt, in zwei Tagen die Grenzen für Ausländer zu schließen. Also habe ich schnell mit ein paar Freundinnen meine Wohnung ausgeräumt, damit ich sie vermieten kann und habe mir ein neues Ticket gekauft. Bei der Einreise bin ich dann in ein gesondertes Kämmerchen gekommen und genau befragt worden. Strenger als sonst waren die Grenzbeamten, aber auch verständnisvoll. Zwei Stunden vor dem Shutdown war ich bei Dylan, nachdem wir uns so lange aufeinander gefreut hatten. Endlich. Das Wiedersehen, auf das wir so lange gewartet hatten.

Mal einsam, mal zweisam auf unterschiedlichen Erdteilen

Kennengelernt haben wir uns in China, vor sechs Jahren. Ich war im Sabbatical, er war im selben Hostel wie ich – in einem kleinen Hippie-Ort in den Ausläufern des Himalayas. Dort haben wir eine Woche zusammen verbracht. Auf eine weitere Fernbeziehung hatte ich eigentlich keine Lust, ich hatte davor schon welche und wollte sie nicht mehr. Ich reiste mit meiner Schwester durch Indonesien – und plötzlich stand er vor mir. Ich war überwältigt, genoss die Zeit mit ihm. Doch wir stiegen in zwei Flugzeuge, die uns auf unterschiedliche Erdteile brachten. Danach skypten wir, so oft wir Zeit hatten – und immer noch wollte ich eigentlich nicht, dass es was Ernstes wird. 

Fernbeziehung

Harry Cunningham

Doch es kam anders. Dylan kam nach drei Monaten nach Deutschland und bliebt drei Monate. Das erlaubte das Schengen-Abkommen für US-Bürger, dachten wir damals. Heute wissen wir, dass es anders ist. Er hätte unbegrenzt bleiben dürfen. Dylan flog schweren Herzens wieder zurück in seine Heimat, natürlich knabberten wir an der Trennung. Im November 2017 haben wir dann geheiratet, einfach, weil wir wollten. Leichter hat das die Situation allerdings nicht gemacht. Eine automatische Einbürgerung inklusive Arbeitsgenehmigung gibt es nicht, auch Dylan kann in Deutschland nicht einfach arbeiten. 

Fernbeziehung: Für jedes Problem eine Lösung?

Dabei haben wir noch Glück und sehen uns ziemlich häufig. Denn wir haben beide keine Jobs, die uns an einen festen Schreibtisch fesseln. Aber natürlich ist das auch eine Geldfrage – denn ein Ticket von München nach Boston kostet mehr als eine Bahnfahrt von Hamburg nach Berlin. Im Moment richten wir uns einfach mit dem ein, was wir haben. 

Liebe auf Distanz

Maddi Bazzocco

Zwei unterschiedliche Leben sind das, je nachdem, ob er da ist oder nicht. Und das ist eigentlich gar nicht so schlecht. Denn ich bleibe ich selbst und verliere meine eigene Identität nicht. Das Verabschieden ist zwar jedes Mal brutal schwer, aber uns gefällt, dass wir nicht in einen Beziehungs-Trott verfallen. Wir sind aufgeregt und freuen uns, dass wir einander sehen. Das hält die Beziehung frisch. Bleibt die Frage, wo unsere Ehe irgendwann einmal ihren Mittelpunkt findet – zumal ich nicht für immer in den USA leben will. Aber: Unsere Beziehung hat schon viel mitgemacht, oft ist es anders gekommen, als beide gedacht haben. Also wird sich auch dieses Problem irgendwann lösen.«

Hanna und Martin trennte die Distanz zwischen Brandenburg und Sydney

Privat

»Reisen ist mein liebstes Hobby, Reisen und dabei die Welt entdecken. Ich bin 23, habe in Dresden Konditorin gelernt und während meiner Ausbildung Praktika auf der ganzen Welt gemacht: in Paris und London, Edinburgh und Oslo, Dubai, Indien und Australien. Ich wollte die Welt kennenlernen, die Arbeit von Konditoren in anderen Ländern – und mich inspirieren lassen, um eines Tages einen kleinen Coffeeshop in Dresden zu eröffnen, mit dem Besten, was ich auf der Welt probiert und gebacken habe. 

Fernbeziehung

Brigitte Tohm

Nach der Ausbildung entschloss ich mich, meinen Meister zu machen. Natürlich auch durchsetzt mit verschiedenen Aufenthalten im Ausland. Und dann kam Martin. Er ist 29, Bäcker im Familienbetrieb in Brandenburg und war auch in der Meisterschule. Und war schwer verknallt in mich. Das habe ich allerdings anfangs gar nicht mitgekriegt – ich hatte ja Wichtigeres zu tun: die Kurse, das Lernen, die Reisen. Das Reisen war früher immer eine gute Ausrede, wenn Dates nicht so prickelnd waren: Keiner wollte eine Freundin, die am anderen Ende der Welt lebt. Martin schon. Auch wenn er das nicht so ganz nachvollziehen konnte und mich bis heute seine »Jet-Set-Lady« nennt.

Wenn jeder Kilometer Trennung schmerzt

Im Oktober brach ich zu einer lange geplanten und vorbereiteten Reise auf: Dubai, Indien, Malaysia, Borneo, Australien. Bis Januar wollte ich unterwegs sein, noch mehr von der Welt sehen – und hier und da ein paar Tage in Konditoreien arbeiten. Es war meine erste Erfahrung mit einer Fernbeziehung. Es war toll und gleichzeitig schrecklich. Denn ich habe viel gesehen, erlebt und gelernt. Aber ich hatte einfach auch schreckliche Sehnsucht nach Martin. Wir haben telefoniert, jeden Tag, manchmal mehrere Stunden lang. Dabei haben wir uns richtig intensiv kennengelernt und uns vieles erzählt. Und mit jedem Tag merkten wir beide, wie sehr es nervt, dass Tausende Kilometer uns trennten. Der Empfang war schlecht, ich war im Hostel nie allein, der Zeitunterschied und die Arbeitszeiten passten nicht zusammen.

Ich hatte sich schon lange darauf gefreut, dass Silvesterfeuerwerk in Sydney zu sehen. Aber plötzlich merkte ich, dass mir das alles gar nicht so viel wert ist, wenn ich allein bin. Ich habe noch nie jemanden so doll vermisst. Und überhaupt: Weihnachten ist das Fest der Liebe, und an Neujahr ganz allein zu sein, gefiel mir auch nicht. 

Nach Corona geht es zusammen in die USA

Also fasste ich den Entschluss, ihre Reise vorzeitig zu beenden – und aus der Fernbeziehung auf Zeit eine ganz nahe zu machen. Ich hätte nie gedacht, dass mir jemals etwas wichtiger sein würde als das Reisen. Alle daheim wussten Bescheid, dass ich zu Weihnachten wieder da sein würde – nur Martin nicht. Als ich plötzlich in der Backstube vor ihm stand, war das schöner und bewegender als alles, was ich je auf einer Reise erlebt habe.

Danach haben wir gleich beschlossen, zusammenzuziehen und haben es noch geschafft, unsere Wohnung einzurichten, bevor die Läden coronabedingt schließen mussten. Zwar habe ich meinen Freund schon davon überzeugt, mit mir zu reisen – doch einen geplanten Trip in die USA mussten wir verlegen. Corona wegen. Macht aber nichts, jetzt genießen wir erstmal unsere Zeit zusammen in Brandenburg.« 

Zsa-Zsa und Gianni – Liebe zwischen Amsterdam und Frankfurt

privat

»Gianni und mich würde man in Amerika High-School-Sweethearts nennen. Zusammen sind wir, seit wird in Bensheim ins Gymnasium gingen. Zusammen, wie man es eben sein kann, wenn man bei den Eltern wohnt. Studieren wollten wir beide nach dem Abitur, Gianni entschied sich ganz bodenständig für Jura in Frankfurt. Ich wollte es gern etwas internationaler und schrieb mich für ein Studium der Kommunikationswissenschaft in Amsterdam ein. Wir sind dann gleich in die Fernbeziehung gegangen. 

Liebe

Jude Beck

Neue Stadt, neue Lebenssituation, neue Freunde – aber unsere Beziehung blieb. Wir können beide mit der Situation umgehen, das passt zu unserer Mentalität und wir sind uns das wert. Aber gerade am Anfang war die Fernbeziehung schwer. Es gab keine Konstante, nicht Eingefahrenes. Natürlich sind wir viel am Handy, Videotelefonie ist wichtig für unsere Beziehung. An der Bahnstrecke zwischen Frankfurt und Amsterdam kennen wir bald jeden Baum, mal fährt der eine, mal die andere. Das ist dann ein bisschen wie ein Urlaub, wenn wir uns sehen. Dann haben wir Zeit und können dem anderen die ganze Aufmerksamkeit geben. Bis der Zug dann wieder abfährt. Das ist echt hart.

Wenn aus der Fernbeziehung rund um die Uhr wird

Doch die Situation hat auch Vorteile. Wir können uns beide auf unser Studium konzentrieren, haben unser eigenes Leben, unseren Freundeskreis in Amsterdam und in Frankfurt. Das Einzige, was mir wirklich richtig fehlt, ist die Spontaneität. Wir können uns nicht mal schnell verabreden, alles muss im Voraus geplant werden. 

Die Ausgangsbeschränkungen der vergangenen Woche haben uns in eine ungewöhnliche Situation gebracht: Auf einmal waren wir zusammen, rund um die Uhr. Wochenlang. Das war superschön, so eng beieinander zu sein. Aber ganz anders als sonst. Klar gab es da auch genügend Reibungspunkte. Und: Wir hatten viel für die Uni zu tun, auch wenn wir nicht hingehen konnten. Jetzt bin ich wieder in den Niederlanden und bereite mich auf ihren Abschluss im nächsten Sommer vor. Ich habe wieder meinen gewohnten Raum für mich selbst, die FaceTime-Telefonate – und meinen Freund in 600 Kilometern Entfernung. Ich weiß nicht, was nach meinem Abschluss passiert, wo mein erster Job sein wird. Ich bin dann 21 – und daher ist eines sicher: Ich will auf jeden Fall noch etwas von der Welt sehen.«