Der Lebensabend will genau geplant sein. Redakteurin Jasmin hat dafür das perfekte Plätzchen gefunden. Zwischen Wein, Krabben und dem ultimativen US-Kleinstadtflair träumt sie von ihrer Altersresidenz mit Hollywood Schaukel, Holzveranda und blick aufs Wasser. Genau hier, in der Capital Region – das sind die Staaten Washington DC, Maryland und Virgina.
In die USA zu reisen, fühlt sich an, als würde man nach Hause kommen. Dabei war ich erst dreimal dort. Amerika ist nicht unbedingt mein bevorzugtes Reiseland. Spontan fallen mir mindestens fünf andere Länder ein, die mich mehr reizen. Und trotzdem, da ist dieses vertraute und heimelige Gefühl, bevor ich überhaupt auf amerikanischem Boden lande. Woran das liegt? Daran, dass ich alles schon kenne, überall schon einmal gewesen bin. Nämlich in unzähligen Filmen, Serien und Dokumentationen.
Mit steigendem Alter kommt ein neuer Pluspunkt für die USA dazu: die Bequemlichkeit. Ich verlasse kaum meine eigene Komfortzone, bin aber trotzdem in einer ganz anderen Welt als zu Hause. Ich frage mich, ob das vielleicht der ideale Alterssitz für ein reisendes Herz ist. Nach New York City und einem Strandurlaub in Florida geht es nun für mich wieder an die Ostküste in die Capital Region. Was mich erwartet, ist erst ein bisschen Hauptstadt-Feeling und dann das ultimative US-Kleinstadt- und Landidyll.

Kapitol in Washington DC I Foto: Jasmin Faust
Ankunft in Washington DC
Ich bin angekommen und, wie sagt man so schön, auch ganz schön durch (mit den Nerven und der Border Control), aber auf dem Weg zu meinem Hotel. Unterwegs schaue ich aus dem Fenster, zähle die übergroßen SUVs auf den Straßen und verliere mich sogleich in sämtlichen USA-Klischees, die ich vor meinem Fernseher daheim schon mein Leben lang verinnerlicht habe. Als ich in der Ferne kurz das Washington Monument sehe, reibe ich mir die Augen und realisiere: Ja, jetzt bin ich wahrhaftig in Washington, D.C. Ich habe das alles schon unzählige Male gesehen, ohne jemals dort gewesen zu sein.
Das Monument wird mir in den ersten zwei Tagen in der Capital Region noch öfter begegnen, es liegt immer wieder auf meinem Weg. Was nicht so schwer ist, denn Washington ist gar nicht so groß, wie man vermuten mag. Knapp 680.000 Menschen leben hier. Dementsprechend erlebe ich eine echt relaxte Stadt. Der Verkehr ist okay, obwohl Nationalfeiertag ist und deshalb viele Touristen in der Stadt unterwegs sind. Das Weiße Haus, das Kapitol, Lincoln Memorial, Washington Monument, ich freue mich, alles (wieder) zu sehen. Und mittendrin zu sein. Im politischen und historischen Herzen der Nation.

Skyline von Washington DC mit dem Washington Monument I Fotos: Jasmin Faust
Unterwegs im Viertel Georgetown
Geschichte und Geschichten gibt es zuhauf. Das wird mir auch bei einer Tour durch Georgetown, den beliebtesten Stadtteil, bewusst. Beliebt, weil Georgetown wunderschön und dabei tatsächlich historisch ist. Die ein oder andere berühmte Persönlichkeit wohnte und wohnt hier. Das macht das Viertel teuer. Und teure Immobilien können in den USA noch einmal eine ganz andere Dimension erreichen. Auch das hat uns das TV-Programm gelehrt.
Für mich ist Georgetown im ersten Eindruck sehr lecker, denn ich schlemme mich auf einer Food-Tour mit Guide Wayne durch das Viertel. Neben Stopps in einigen Restaurants erfahre ich viel über die Häuser und die Geschichte von Georgetown. Für meinen angestrebten Altersruhesitz wäre das aber nichts. Zu teuer. Bezugsfrei wäre aber die ein oder andere Villa. Das Haus von Jackie Kennedy beispielsweise. 14 Zimmer, 16 Bäder, für schlappe 50 Millionen US- Dollar. Sie hat allerdings nach dem Tod von John F. Kennedy nur ein Jahr dort gelebt. Das Haus, in dem sie zusammen vor seiner Präsidentschaft gelebt haben, ist auch nicht weit entfernt.

Das Haus von Jackie Kennedy in Washington DC I Foto: Jasmin Faust
Restauranttipp: Martin’s Tavern
So wie das Lieblingsrestaurant der beiden, das Martin’s Tavern, eines der ältesten Restaurants in Washington, D.C., untergebracht im zweitältesten Gebäude der Stadt. JFK hat dort in seiner Zeit als Abgeordneter jeden Morgen gefrühstückt. Und an einem Abend hat er seiner Jackie dann dort einen Heiratsantrag gemacht. Daraus ist eine Legende entstanden:
Im Restaurant gibt es einen ganz bestimmten Platz. Wenn dort eine ledige Frau sitzt, wird sie zehn Monate später verheiratet sein.
Zeit für einen kurzen Selbsttest gab es leider auf Waynes-Food- Tour nicht. Schade.
Aber auch andere Liebesallianzen werden in Martin’s Tavern geschmiedet, denn Demokraten und Republikaner treffen sich dort am Abend. Und nachdem sie sich tagsüber im Machtzentrum der USA bekämpft haben, wird es zu später Stunde, bei einem Getränk, durchaus versöhnlicher. Und vielleicht auch ein bisschen kooperativer.
Kleinstadt-Vibes à la »Gilmore Girls« in Maryland
Ich verlasse die politische (Film-)Kulisse und bin bereit für Kleinstadt-Vibes à la »Gilmore Girls.« Die Serie über Mutter und Tochter spielt zwar in Connecticut, aber tatsächlich ist der Ort austauschbar. Aus US-Filmen und Serien wissen wir ja, dass absolut jede Kleinstadt in den USA romantisch-verrückt ist und irgendwo einen mit Lichterketten beleuchteten Pavillon stehen hat. Als ich also nach St. Michaels in Maryland komme, schmunzle ich. Dort steht der eben beschriebene Pavillon mit Blick auf die Chesapeake Bay.
Die Hauptstraße des 1.000-Einwohner-Örtchens ist gesäumt von hübschen Verandahäusern, kleinen Shops, Restaurants und Cafés. An jeder Laterne befindet sich ein Plakat mit den Absolventen der Highschool-Abschlussklasse von 2024. Mal ehrlich: Es ist fast egal, wie ich das hier beschreibe, jeder weiß genau, wie diese Straße aussieht.

St. Michaels in Maryland I Foto: Jasmin Faust
St. Michaels: Hier mag man alt werden
Doch St. Michaels hat in der Realität noch eine Extraportion Zauber. Hier ist es beschaulich, friedlich und noch dazu gibt es Meerblick. Oh, hier sehe ich mich. Weißhaarig, in wallenden knöchellangen Kleidern mit auffälligem Schmuck im Schaukelstuhl auf meiner hölzernen Veranda. Die Bucht fest im Blick. Denn hier springen durchaus auch manchmal Delfine aus dem Wasser.
Das erzählt mir Captain Iris am Abend, als ich auf ihrem wunderschönen, fast 100 Jahre alten Segelboot durch die Bucht in den Sonnenuntergang schippere. Captain Iris Robertson ist in dieser Kleinstadt eine Prominenz. Jeder kennt sie, jeder winkt ihr, wenn sie zu ihren Touren aufbricht oder zurückkommt. Es empfiehlt sich, mit ihr an Bord zu gehen. Die Frau ist unterhaltsam. Sie hat ein strahlendes Lächeln und eine so selbstverständliche Ruhe, dass allein ihre Stimme schon eine Art Muskelentspannung bringt. Ich schaue auf die im Wind wehende US-Flagge, während die Sonne langsam untergeht. Amerikanischer kann es nicht mehr werden. In Gedanken höre ich leise »O! Say can you see« aus der Nationalhymne und fühle mich nun schon fast eingebürgert.

Captain Iris auf ihrem Boot I Foto: Sail Selina II
Mit Frank und Lloyd durch das Chesapeake Bay Maritime Museum
Am nächsten Tag bin ich mit Frank und Lloyd verabredet. Die beiden Rentner führen mich durch das Chesapeake Bay Maritime Museum und erzählen mir allerhand über die Boote, die Austernzucht und den Krabbenfang dieses beschaulichen Orts. St. Michaels ist eine alte Stadt. Das wird immer wieder hervorgehoben. Dass das Alter Interpretationssache ist, verrate ich den zwei Gentlemen nicht. Es ist schließlich nicht ihre Schuld, dass das alte Europa immer älter bleiben wird.
Was ich auch über St. Michaels erfahre: Die Häuser an der Bay sind meist Zweit- oder Dritthäuser von PIP. PIP? Ja, in St. Michaels nennt man die Besitzer »Previously Important Persons«. Bei der Nähe zur Hauptstadt und bei einem Blick auf die Häuser kann ich mir gut vorstellen, von welchen PIPs wir hier sprechen.
Inn at Perry Cabin: vier Hochzeiten und reichlich Glamour
Ein Beispiel dafür bekomme ich am letzten Tag in Maryland, als ich auf einen Besuch im Inn at Perry Cabin eingeladen werde. Das Hotel ist bekannt als beliebter Spot für amerikanische Traumhochzeiten. Leisten kann sich das nicht jeder. Aber Familien mit PIP-Status – oder sollte ich sagen: der Geldadel samt Abschluss an einer Eliteuni – durchaus. Hochzeiten sind hier also pompös. So beeindruckend wie die meisten Verlobungsringe, die hier an den zarten Fingern durch die Gänge getragen werden. Ich bin keine Juwelierin, aber ich würde schätzen, dass wir uns im fünfstelligen Bereich befinden.

Frank & Lloyd im Maritime Museum St. Michaels I Foto: Jasmin Faust
Das Inn at Perry Cabin ist ein weißes, zweistöckiges Gebäude mit Säulen, antiken Möbeln und Blick auf die Bucht über akkurat gemähte Grünflächen. Natürlich auch mit einem Pavillon. Das Jawort ist hier erlaubt, das Feiern mit Juhu-Rufen anschließend allerdings nicht. Das würde die Anwohner stören, die schließlich sehr viel Geld für ihre Ruhe dort bezahlen.
Auf eine Tasse Tee in den Country Club
Ich lasse den Blick über die Gäste an den Nebentischen schweifen: eine Familie im Sportoutfit. Vater, Sohn und Großmutter. Ein leichtes Frühstück und lockere Gespräche über den Sommer an der Küste und das Business (vermute ich). Am Nebentisch ein älteres Paar im Segeloutfit und nebendran ein junges Pärchen. Vielleicht ein frisch gebackenes Ehepaar? Ich sehe Perlenohrringe und Designertaschen und fühle mich wie in einem Country Club und überlege, ob ich im Alter meine Veranda für eine Partie Golf verlassen würde. Auf jeden Fall, um das Geschehen bei einer Tasse Tee zu beobachten. Mehr braucht es fast nicht, um glücklich zu sein.
Doch Moment.
Auch Virginia gehört zur Capital Region und wie heißt der Slogan so schön? »Virginia is for Lovers«.
Romantisch ist es hier durchaus. Landschaftlich idyllisch, fast ein bisschen an die Eifel erinnernd, blicke ich über riesige Wiesen, sanfte Hügel und viel Wald. Die Häuser an den Landstraßen haben weiße Zäune und lange Auffahrten. Jeder Rasen ist perfekt gemäht. Wirklich jeder. Das ist ja auch schon fast romantisch. Hier wohnt eben die Liebe. Und Liebende. Liebende der Natur, der berauschenden Küste, der Geschichte (Virginia ist einer der ältesten US-Bundesstaaten), des Weins und eben auch des akkuraten Rasens.
Virgina: Wanderungen mit Wein-Tasting
Ja, ich sagte Wein. Virginia erfindet sich gerade neu und positioniert sich neben Kalifornien als weiteres Weinanbaugebiet der USA. Mit mehr als 200 Wine-Trails lassen sich hier Wanderungen mit ausgiebigen Wein-Tastings verbinden. In den letzten 15 Jahren sind viele Weingüter entstanden. Und die Auslese (Achtung, Wortspiel!) ist enorm. Tropfen von elegant über jung bis hin zu interessant.

Weingut in Virgina I Foto: Jasmin Faust
Toll ist das Greenhill Vineyards in Middleburg in der Capital Region. Die Weinberge verteilen sich über elf Hektar mit Panoramablick auf die Blue Ridge Mountains. Wer dem Gastgeber und Geschäftsführer Jed Gray begegnet, kann sich über Geschichten zum Weingut freuen. Inklusive Gossip. Die ehemalige First Lady Michelle Obama war schon zu Besuch. Und der dort gekelterte Schaumwein wurde in die Geschenktüten ausgewählter Oscar-Nominierter 2016 verpackt. Jed hat vor seiner Zeit auf dem Weingut einige Zeit in Deutschland verbracht und als Sprachlehrer gearbeitet. Sein liebstes deutsches Wort »Wahnsinn« passt zu meinem ersten Eindruck nach dem ersten Schluck seines Weins.
Mit dem ein oder anderen Schluck der edlen Tropfen hänge ich in Gedanken meinem Rentnertraum auf der Veranda nach. Mit einem Glas Wein in der Hand. Im Schaukelstuhl sitzend winke ich Captain Iris zu, während in der Ferne ein paar Delfine aus dem Wasser springen. Und lächle dabei. Es fühlt sich vertraut an. Ich bin hier ja quasi aufgewachsen.
Mehr Infos zur Capital Region
Bluejacket Brewery. Altes Fabrik-Feeling mit einer großen Auswahl an sehr gut gebrauten Bieren. 300 Tingey Street SE, Washington, D.C.
Sail Selina II. Auf einer fast 100 Jahre alten Segelyacht in den Sonnenuntergang segeln. 101 N Harbor Rd. St. Michaels, MD
Chesapeake Bay Maritime Museum. Alles über Austernzucht und die Geschichte des Orts. 213 N Talbot St. Michaels, MD
Restaurant Bas Rouge. Fine Dining fast auf Sterneniveau (wird nächstes Jahr erwartet). 19 Federal St., Easton, MD
Inn at Perry Cabin. Countryclub-Feeling mit Aussicht. 308 Watkins Ln. St. Michaels, MD
Greenhill Vineyards. Prämierte Weine mit herrlichem Landschaftsblick. 23595 Winery Lane, Middleburg, VA
Das Fremdenverkehrsamt der Capital Region hat noch viele weitere spannende Tipps!

Foto: Gayatri Malhotra