Das geht eigentlich gar nicht: Am berühmten Kaiserstuhl produziert eine junge Frau exzellente Weine und das fast ganz allein. Obendrein ist Bettina Schumann auch noch Berlinerin! Text: Hanne Walter
Mittenmang am Kaiserstuhl? Famose Schose im südlichen Schwarzwald? Bis in die Puppen vor ausgewählten Weinbergslagen? Der Clou von’t Janze im beschaulichen Bahlingen? So klingt das, wenn Berliner Schnauze auf eins der besten Burgundergebiete Deutschlands trifft. In diesem Fall auf die Winzerin Bettina Schumann, genannt Betty, mit ihrer gekonnten Leidenschaft für Weine.
»Ich mache nur das, was ich am besten kann«, erzählt die gebürtige Berlinerin. »Deutscher Wein wird immer besser, darum muss ich mir was einfallen lassen.«
»Ich bewirtschafte zwar keine eigenen Weinberge, aber jede Beere, die ich von befreundeten Weinbauern und nur von ausgesuchten Lagen kaufe, muss durch meine Hand gehüpft und geprüft sein, ehe sie in die Flasche darf«.
Glücklicherweise wachsen reichlich erstklassige Beeren in ihrer Umgebung, sonst hätte sie nicht im vergangenen Jahr um die 60.000 Flaschen füllen können, von denen die meisten schon ausgetrunken sind. Wie gut, dass gerade wieder ein neuer Jahrgang heranreift.
Frühe Leidenschaft bei Winzerin Bettina Schumann
Wer einmal bei Winzerin Bettina Schuhmann am Hof gekostet hat, holt sich immer wieder einen kleinen Vorrat. Zudem bereichert sie im nahen Freiburg mit ihren Weinen das Angebot der »Generation Pinot«, einer Vereinigung junger badischer Winzerinnen und Winzer. Auch etliche gut sortierte Weinhandlungen in entfernteren Städten, darunter Berlin und Amsterdam, runden ihr Angebot mit Schumann-Erzeugnissen ab. Die Überzeugungsarbeit dafür leistet sie persönlich, wenn sie mit der Flasche in der Hand durch Deutschland zieht, um ihre Lieblinge bei Handel und Gastronomie vorzustellen.
Schon mit 14 oder 15 Jahren wusste Bettina Schumann, dass sie eines Tages Winzerin sein möchte. Ihre Eltern reisten viel mit ihr ins Mediterrane, oft in die Toskana, und immer luden die Gastgeber zu besonderen Weinen ein. Die Faszination begann bei einem Vin Santo von 1905, der trotz seines Alters überraschend frisch und fruchtig schmeckte. Die Neugier war geweckt und wurde ab sofort mit jeder Menge einschlägigem Lesestoff weniger befriedigt, als immer mehr geschürt. Andere Mädchen ihres Alters kauften sich vom Ersparten Klamotten, sie hingegen empfohlene Weine. Über den Vater natürlich.
Vor allem Riesling und Syrah hatten es ihr angetan. Um ihre Leidenschaft finanzieren zu können, trug die 16-jährige Betty im heimischen Nordberlin Zeitungen aus und lernte dabei auch einen Weinhändler kennen. Bei ihren ellenlangen Gesprächen staunte der zudem als Sommelier und Veranstalter bekannte Ralf Kuhlow nicht schlecht, was das junge Mädchen schon alles wusste und ermutigte es, weiter zu lernen. Als er Betty auf Weinproben mitnahm, erkannte er ihre außergewöhnliche Sensorik. Nach dem Abitur hielt sie nichts mehr auf. Sie packte ihre Koffer und fuhr einem Praktikum im fränkischen Weinbau entgegen.
Aufenthalte in Franken und Neuseeland, Studium im Rheingau
Dem schlossen sich Monate in Neuseeland und das Weinbaustudium im Rheingau an. Danach verlangte es sie nach einer anderen Perspektive und sie studierte noch ein Jahr im Friaul, dessen Weine vergleichbar mit den badischen sind.
»Während des Studiums in Geisenheim lernte ich, wie Qualität im Weinberg entsteht. In Italien hingegen viel über die Kellerwirtschaft. Wie also aus eigentlich schwachen Trauben doch noch guter Wein entstehen kann«,
blickt Bettina Schumann auf ihre wichtigsten Lehrjahre zurück.
»Dass bei mir zu vierzig Prozent Spätburgunder in die Flasche kommen, ist kein Zufall. Meine große Liebe zu dieser Rebsorte wurde im österreichischen Kamptal geweckt, gelegen nördlich des berühmten Wachauer Weinbaugebiets. Deshalb zog es mich nach dem Studium schnurstracks in die Hochburg köstlicher Burgunder, an den Kaiserstuhl.« Auf eine Kellerassistenz folgte ziemlich schnell – für sieben Jahre – eine Kellermeisterstelle und umgehend der gute Ruf aller unter ihrer Ägide entstandenen Weine. Der weckte schließlich die Lust auf einen Sprung ins kalte Wasser mit einem eigenen Gut.
Das Raunen unter den alteingesessenen Winzern über eine derartige Risikofreude war beträchtlich: keine Winzerfamilie, keine Tradition im Rücken und dann auch noch eine junge Frau von damals 33 Jahren, die zu allem Überfluss aus Berlin stammt! Dennoch vermittelten ihr potenzielle Konkurrenten einen respektablen Keller samt Hof, die St. Katharinenkellerei. Nur fehlte noch etliches für ihre Arbeit: Fässer und Edelstahltanks, darunter Spezialanfertigungen, ein Gabelstapler und vieles mehr.
Eine beträchtliche Summe war dafür vonnöten, aber wie so oft bei Startups ließ sich die Bank Zeit. Doch mit der tatkräftigen Hilfe von Freunden und Bekannten wurde alles auf den letzten Drücker fertig. Winzerin Bettina Schumann konnte loslegen. Just in dem Moment, als die ersten Trauben geliefert wurden.
Generation Pinot
Ein Glücksfall für Winzerin Bettina Schumann ist ihre Mitarbeit in der Vereinigung junger badischer Winzer. Diese »Generation Pinot« hilft sich seit Jahren gegenseitig bei der Vermarktung, berät über Fachfragen und ist ein stets gut besuchtes Highlight des Freiburger Weinfestes, das jedes Jahr im Juli gefeiert wird. Die jungen Winzer arbeiten alle so eigenständig, individuell und vor allem originell, dass sie ohne Konkurrenzangst gemeinsam auftreten und vor allem junge Leute für gute regionale Weine sensibilisieren. Um mit ihnen gut ins Gespräch zu kommen, werden Paletten zu Tischen und Weinkisten zur Theke und somit alles zur gemütlichen Lounge.
Winzerin Bettina Schumann hat eine Liebe zum Rosé
Der prächtige Kaiserstuhl, eine der wärmsten Gegenden Deutschlands, und köstlicher Burgunder aller Sorten sind sowas wie siamesische Zwillinge. Burgunder liebt Wärme, reift aber nicht so früh. Der Boden mit seiner idealen Mischung aus vulkanischem Gestein (der Kaiserstuhl ist schließlich ein erkalteter Vulkan!) und Löß garantiert Leichtigkeit und Fruchtigkeit, durchsetzt von Vulkanmineralien.
Natürlich ist der Graue Burgunder das Flaggschiff der Gegend, doch Bettys Herz schlägt besonders für Rosé. »Der ist so eigenständig!«, schwärmt sie. »Ich baue ihn mit Charakter und so ausdrucksstark wie in Frankreich aus. Die Trauben bleiben länger auf der Maische und kommen erst nach zwei Tagen in die Presse. Dadurch erhalten sie eine coole Farbe und wertvolle Inhaltsstoffe. Es liegt im Trend, Weine schnell auf die Flasche zu bringen. Aber traditionell bleiben sie länger im Fass, denn zum Reifen braucht es längeren Kontakt zur Hefe, zumal ich so viel wie möglich spontan vergären lasse. Im Keller geistern genügend der weltweit 30.000 verschiedenen Hefen herum. Allerdings ist diese Methode sehr riskant, weil man nicht weiß und erst recht nicht steuern kann, welche Hefe arbeiten wird. Dafür entwickeln die Weine, wenn sie so der Natur ausgeliefert sind, eine besondere Aromatik.«
»Der Clou von’t Janze«
Ihrem badischen Herzblut verleiht Winzerin Bettina Schumann auf jedem Etikett mit einem Schuh unverkennbar Nachdruck. »Wozu heiße ich schließlich Schumann?!« Ein roter Schuh lädt zu täglichem Genuss ein, während ein eleganter goldener besonderen Anlässen entgegenreift. Alle erhalten mit »Berliner Schnauze« einen Namen. Weiß-, Grau- und Spätburgunder heißen bei Bettina Schumann »Famose Schose«, »Mittenmang«, »Achtkantig«, »Bis in die Puppen« und »Dit is der Clou von’t Janze«. Und zugegeben: der für den Kaiserstuhl typische Graue Burgunder ist in der Tat eine ganz famose Schose.