Was haben Biere mit Wald und Sumpf zu tun, Birken mit Schokolade und wie bitte schön kommt Tonic mit ausgedienten Weihnachtsbäumen in Berührung? Estlands Küche überrascht nicht nur mit kulinarischen Manufakturen, die Tradition mit Innovation und Nachhaltigkeit verbinden, sondern auch mit außergewöhnlichen Geschmackserlebnissen. Wohl bekommt’s!

Estlands Ruf in Sachen Kulinarik ließ noch vor Jahren vor allem die Herzen der Freunde der deftigen Küche höherschlagen. In Estlands Küche sah man eine Menge Fleischberge und ganz viel Schwein.

Deftige Gerichte wie Erbsensuppe der estnischen Küche

www.estonianfood.eu

Aber mittlerweile hat der Geist der frischen, regionalen und modernen Küche auch das Baltikum erreicht. Viele Restaurants in Estland interpretieren Traditionelles neu und kleine Manufakturen etablieren sich im ganzen Land. Die schwere Hausmannskost weicht einer leichten, kreativen Küche. Zwar nicht überall, aber doch an vielen Orten. Verwendet wird, was Mutter Natur in Estland bietet. Was das konkret bedeutet? Blüten werden nicht nur bestaunt, sondern auch gegessen. Gleiches gilt für frischgepflücktes Moos und junge Tannenbaumknospen.

Dessert-Kuchen aus Schokolade, dekoriert mit Waldbeeren

Lauri Laan

Waldbiere

In Tallinns Hafenviertel Noblessner produziert die Craft-Brauerei Põhjala mehr als eine Million Liter Bier im Jahr und exportiert dabei in 40 Märkte rund um den Globus. Was die Brauerei so erfolgreich macht? Hier werden die fast vergessenen Brautraditionen Estlands mit innovativen Ideen und handwerklichem Können neu belebt. Charaktervoll nordisches Herzstück sind acht Biere der Wald-Serie mit Heilkräutern und Zutaten wie Birkensirup und Wacholderholz. Echte Geschmackserlebnisse. »Laugas« etwa ist ohne Hopfen gebraut. Stattdessen werden Pflanzen, die im Sumpf gesammelt wurden, verwendet. Viele davon Heilkräuter, mit denen schon früher in Estland gebraut wurde. Besonders aromatisch wird das Laugas, weil es über sechs Monate im Bourbon-Fass lagert. Na dann – Prost!

Maarit Poeoer macht eigenen Gin in Estland

Grete Riim

Birken, Johannisbeeren und Buchweizen

Vor allem aber sind Birken, Johannisbeeren, Heidelbeeren und Buchweizen schwer im Kommen. Noch bevor die ersten Knospen den Boden durchbrechen, machen sich die Esten auf in den Wald und zapfen Saft aus den Birken. Daraus wird dann leckerer Birkensaft-Sprudel gemacht. Die Johannisbeere wird gern für süße Crumbles und als Beilage für Salat verwendet. Sehr gesund. Und es schmeckt auch noch!

Und dann der Buchweizen. Er enthält viele Vitalstoffe und landet bevorzugt im Apfel-Streuselkuchen oder als Milchshake mit Walderdbeeren und Honig.

Estland Küche: Beeren und Kräuter

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Birkensaft und Rentierflechte

Wie klingt Schokolade mit Gin von der Insel Saaremaa? Oder lieber Schoki mit Birkensaft, Fichtenkeimling oder Sanddorn? Estland hat eine süße Geschichte, schließlich war Estland schon vor hundert Jahren für Luxus-Schokolade berühmt. Heute nun verbindet die Manufaktur Chocolala das süße Erbe Estlands mit den besonderen Aromen der nordischen Natur und lässt sich von der Natur zu außergewöhnlichen Schokolade-Kreationen inspirieren. Alte Rezepte werden modernisiert und um neue, nordische Schokoladen herzustellen, wird viel experimentiert. Mal mit Beeren, dann mit Birkensaft und auch mit Rentierflechte. Wer das unbedingt probieren möchte, der kann die Köstlichkeiten im Shop in Tallinns Altstadt finden.

Schokolade aus Estland

Chocolala

Zünftiger Brotgenuss

Wer einmal das von Hand gebackene estnische Brot probiert hat, der wird sich kaum noch für einfache Supermarktware begeistern können. Außen knusprig, innen weich, dazu die süß-salzigen Aromen des Sangaste-Roggens, eine der ältesten in Estland kultivierten Roggensorten. Zum Anbeißen! Maido Maiste produziert in seiner Bäckerei Tsunft in Tallinn Sauerteig- und Roggenbrote sowie süßes Gebäck. Sein Faible für unverfälschte Genüsse stammt aus seiner Kindheit, seine Eltern, so erzählt er, haben fast alles selbst angebaut, Wurzelgemüse, Beeren, Äpfel. Vom Großvater kam die Leidenschaft für Brot. Und Roggenbrot, so weiß Maido Maiste, ist der heimliche Star der estnischen Küche. Neben dem leckeren Brot gibt es in der Bäckerei Tsunft aber auch weitere Delikatessen aus kleinen Manufakturen und ein Restaurant.

Tsunft Bäcker aus Estland

Visit Estonia/Lauri Laan

Weihnachtsbaum an Tonic Water

Der Weihnachtsbaum hat ausgedient. Und nun? Raus zum Fenster mit dem Gestrüpp? Oder besser auf den Kompost? Maarit Pöör, Gründerin der Gin-Brennerei Lahhentagge auf der Insel Saaremaa, brachte diese Überlegung auf eine ausgefallene Idee. Sie wusste, dass Fichte seit Jahrhunderten in der nordischen Küche verwendet wird, denn sie enthält mehr Vitamin C als etwa Zitrusfrüchte. Warum sich das also nicht zunutze machen? Maarit Pöör begann zu experimentieren und nutzte ausgediente Christbäume als Rohstoff für ihr aus Wasser, Zitronenschale, Kardamom und Koriander hergestelltes Estonic Soda. Wer lieber Tanne als Fichte mag, kein Problem! Es gibt auch die Geschmacksrichtungen Tanne und Wacholder. Alle drei Sodas sind nicht nur pur besonders bekömmlich, sie bringen außerdem den Geschmack des Gins hervorragend zur Geltung. GinGin!

Gin aus Estland

Grete Riim

Estnisches Eis

Eis geht immer – das wussten die Freunde Rasmus Rask und Priit Mikelsaar schon als Kinder. 2012 begannen die beiden mit der Herstellung von Eiscreme, aber das Eis sollte nicht nur besonders lecker sein, die beiden wollten mit ihrem Eis auch die Welt ein bisschen schöner machen. Es entstand La Muu, eine Eis-Marke für Genießer – mit und ohne Lebensmittelunverträglichkeiten. Natürlich stammen alle Zutaten zu hundert Prozent aus biologischem Anbau ausgewählter landwirtschaftlicher Betriebe und es gibt diverse Geschmacksrichtungen ohne Laktose, Gluten, Nüsse, Ei oder Alkohol. Wonach steht der Sinn? Karamelleis mit Meersalz? Veganes Brownie- oder Erdnussbuttereis? Lieber etwas leichter mit Himbeer-Prosecco-Sorbet oder jetzt einen kleinen Wachmacher: Kaffeeeis. Lasst es euch schmecken!

Frau serviert Eis auf dem Tallinn Street Food Festival

Visit Estonia

Diese Restaurants in Estland solltet ihr besuchen

Und wo probiere ich am besten Estlands Küche sonst? Eine gute Orientierung bietet der sogenannte White Guide. Das ist der Michelin Guide des Norden Europas. 106 Restaurants in Estland werden zur Zeit empfohlen. An der Spitze steht das Noa von Tõnis Siigur. Auch das Ö  und Alexander Chef’s Table – ebenfalls in Tallinn – sind unter den TOP-10 des Baltic White Guide.

Stilvoll angerichtete Speisen in Sternerestaurant in Estland

Lauri Laan

Traditionell schmeckt’s auch

Wer sich auf eine kulinarische Reise durch Estland begibt, sollte aber auch die urigen, traditionellen Restaurants beehren. Hier wird noch wie zu Omas Zeiten gekocht. Zum Beispiel im Gutshof Palmse im Lahemaa Nationalpark. In den Töpfen der estnischen Köche schmoren hier z.B. »Mulgikapsad« (Estnischer Sauerkrauteintopf) und Rote Bete – und im Regal stehen Gläser mit marinierten Pilzen und Beeren-Chutneys. Das estnische Schwarzbrot genießen die Esten übrigens am liebsten mit gesalzener Butter und als Topping mit Zwiebelringen oder Ostseehering.

Estnisches Schwarzbrot serviert mit Kaviar und Hering

Lauri Laan

Appetit bekommen? Dann schaut doch mal in Estland vorbei. In unseren Reise-Tipps Estland findet ihr allerhand spannende Infos.